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VW Golf: Im Premiumsegment angekommen?

Der neue VW Golf kann mit seiner Umwelt und anderen Autos kommunizieren. Er teilt und bekommt wiederum von anderen Fahrzeugen Stau, Ampeln oder Pannenautos geteilt.

Text: Maximilian Barcelli

Bis allerdings genug Fahrzeuge, die etwa mit Ampeln oder auch untereinander kommunizieren, auf den Straßen sind, damit Car2X, so der Name der Technologie, sinnvoll genutzt werden kann, wird es wohl noch ein wenig dauern. Bis dahin bleibt der VW Golf 8 einfach nur ein hervorragendes Auto mit kaum Angriffsflächen.

Die bietet eventuell noch der Innenraum – zumindest für Digital Immigrants. Wer nämlich ein Buch dem E-Reader und ein Notizbuch der App vorzieht, wird mit dem neuen Golf gar nicht glücklich werden. Die Wolfsburger haben das Interieur radikal digitalisiert: Es gibt kaum noch Knöpfe, an der Mittelkonsole wird gerade einmal die Warnblinkanlage mit analogen Elementen bedient. Stattdessen gibt’s jede Menge sensitive Flächen.

Ob die das Leben einfacher machen? Sie machen es zumindest nicht viel schwerer. Und immerhin kann Essentielles wie die Temperatur oder die Lautstärke dadurch verändert werden, ohne sich in irgendein Untermenü des Infotainmentsystems durchzukämpfen. Was uns bei der ersten Testfahrt allerdings nicht aufgefallen ist: Die Leiste mit den sensitiven Bedienelementen ist genau so platziert, dass man sich gerne an ihr abstützt, wenn man den Touchscreen bedient. Und plötzlich kühlt die Klima auf 17 Grad runter. Bei drei Grad Außentemperatur.

Jedenfalls kann man Volkswagen nicht vorwerfen, beim neuen VW Golf auf Nummer sicher gegangen zu sein. Denn mit dem stark digitalisierten Interieur könnten sie schon ein paar Kunden älteren Semesters an den Mitbewerb abgeben. Anderseits: Die größte Konkurrenz ist ohnehin aus dem eigenen Haus. Und die neuen Generationen von Seat Leon oder Skoda Octavia sind auch nicht wirklich analoger ausgefallen.

Abgesehen vom Innenraum, der sicher nicht jedem gefällt, Digital-Begeisterte aber jedenfalls in seinen Bann zieht, gibt der Golf kaum Anlass zur Kritik (und selbst der Innenraum gibt ja nur für einen Teil der Kunden Anlass). Besonders das Fahrverhalten imponiert: Lenkung und Fahrwerk sind vielleicht nicht auf der Höhe des Ford Focus, der, was vor allem Zweiteres angeht, das Nonplusultra im Segment ist, doch wie spät der neue Golf ins Untersteuern gerät und wie exakt er Befehle am durchaus wertigen Lenkrad ausführt, ist schon erste Liga. Dabei federt er auch große Unebenheiten wirklich schön weg.

Technisch spannend ist auch der Motor, der unseren Golf antreibt. 1,5 Liter Hubraum, vier Zylinder, Turbolader, 150 PS – so weit, so normal. Weil aber die CO2-Flottengrenzwerte vor der Tür stehen und die öffentliche Meinung generell nicht zu fünf Liter großen V8-Triebwerken tendiert, spendieren die Wolfsburger einer Vielzahl ihrer Ottomotoren modernste Technik, die den Verbrauch drücken soll.

So werkeln die TSI-Motoren im Miller-Zyklus. Soll heißen: Das Einlassventil schließt früher als gewöhnlich, nämlich noch bevor der Kolben den unteren Totpunkt erreicht. Auf diese Technik setzt VW zwar schon seit ein paar Jahren, neu ist aber das 48-Volt-Bordnetz: Es ermöglicht das sogenannte „Segeln“. Außerdem verfügt der eTSI sogar über eine Zylinderabschaltung.

So viel zur Theorie. Die Praxis erstaunt damit, wie wenig man von all dem mitbekommt. Was wir jetzt nicht meinen: dass sich die Technik nicht im Verbrauch niederschlägt. Tut sie nämlich: Der Normverbrauch liegt zwischen 5,9 und 6,8 Liter – und ist tatsächlich zu erreichen. Die Tendenz geht sogar in Richtung 5,9 Liter. Was wir meinen: Ob Zylinderabschaltung oder dem kompletten Ein- und Aussetzen des Vierzylinders: Man bekommt kaum mit, was im Motorraum gerade vor sich geht. Dazu passt auch das siebengängige Doppelkupplungsgetriebe, das seine Arbeit ebenso unmerkbar verrichtet.

Die zweite Seite der Medaille: Der Golf 8 marschiert als 150 PS starker eTSI auch richtig fein nach vorne. Laut Datenblatt knackt er in 8,5 Sekunden Landstraßentempo. Weil durch den kleinen E-Kick Befehle am Gaspedal äußerst spontan in die Tat umgesetzt werden, nimmt man die Beschleunigung fast noch schneller wahr.

Ausnahmsweise gibt es bei dieser Medaille sogar noch eine dritte Seite. Die moderne Motorentechnik schlägt sich nämlich nicht nur im Verbrauch nieder, sondern auch im Preis. Ziemlich genau 40.000 Euro werden für unseren VW Golf fällig – fast das Doppelte des Einstiegspreises der achten Generation. Eine Mercedes A-Klasse oder ein BMW 1er mit ähnlichen Motorleistungen sind da nicht viel teurer. Anderseits: So, wie unser Golf ausgestattet und verarbeitet war, hinkt er den Premiummodellen der Kompaktklasse auch in Nichts nach.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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