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Genesis GV80: Chartstürmer oder One-Hit-Wonder?

In den Hitparaden haben sie seit Jahrzehnten ein Abonnement auf die Spitzenplätze, doch jetzt will Genesis auch die Zulassungsstatistik stürmen. Nein, keine Sorge, Phil Collins spielt weiter Schlagzeug, Mike Rutherford Gitarre und Tony Banks die Keayboards und keiner der drei denkt an die Automobilproduktion. Doch Genesis ist nicht nur eine legendäre Band, sondern auch der luxuriöse Ableger des Hyundai-Konzerns, der daheim in Korea bereits die Vorstandsparkplätze dominiert und es in einem runden Jahrzehnt auch in den USA mittlerweile aus dem Schatten von Lexus oder Infiniti geschafft hat. Jetzt also soll die Zeit reif sein, das Abenteuer mit dem Aufstieg auch nach Europa zu tragen und die Hoffnungen ruhen dabei vor allem auf dem GV80. Als erstes SUV der Nobelmarke erst vor gut einem Jahr in Korea enthüllt, soll er ab dem Sommer zu Preisen ab 62.200 Euro (D) gegen Autos wie den Audi Q7, den BMW X5 oder den Mercedes GLE antreten.

Außen macht der Genesis dabei eine ausgesprochen gute Figur und fängt mit einer Statur wie ein Bentley, einem riesigen Chromgrill und einer markanten LED-Signatur mit zwei horizontalen Leuchtelementen an Bug, Flanke und Heck alle Blicke. Und auch innen bedienen die Koreaner alle Erwartungen: Feines Leder, schmucke Nähte, offenporiges Holz und viel Liebe zum Detail bei Schaltern und Tastern lassen auf Anhieb Oberklasse-Flair aufkommen. Und Platz gibt es außer in der dritten, nur gegen 500 Euro Aufpreis erhältlichen, Sitzreihe in Hülle und Fülle.

Doch können auch der große, vom Fahrer vergleichsweise weit entfernte Touchscreen über dem Armaturenbrett, die digitalen Instrumente mit ihrer spektakulären 3D-Grafik und die Kombination aus Drehring und Touchpad auf dem Mitteltunnel nicht darüber hinwegtäuschen, dass Genesis einen eher klassischen, fast konservativen Luxus pflegt – auch darin ist der GV80 einem Bentley näher als Benz & Co.

Dabei mangelt es dem Auto nicht an Hightech – das beginnt bei einer ausgesprochen verständigen Sprachsteuerung und reicht über das adaptive Fahrwerk mit Kamerasteuerung bis hin zum intelligenten Autobahn-Assistenten mit Abstands- und Spurregelung oder dem Video-Blick in den toten Winkel.

Nur beim Blick unter die Haube wähnt man sich in der Vergangenheit. Denn so sehr es Vielfahrer auch freuen mag, dass Genesis sich weiter zum Diesel bekennt und sogar einen famosen V6 einbaut, so schmerzlich vermisst man einen politisch korrekten Plug-In-Hybriden oder wenigstens ein 48 Volt-System. Und mit einem Vierzylinder als einzigem Benziner ist in dieser Klasse auch kein Stich zu machen – selbst wenn der aus seinen 2,5 Litern Hubraum stolze 304 PS holt. 

Dafür passt der 1.200 Euro teurere Diesel deutlich besser zu dem Dickschiff und drückt den WLTP-Verbrauch auf noch immer stolze 8,0 Liter. Genau wie der Benziner immer kombiniert mit einer seidig-sanften Achtgang-Automatik und mit Allradantrieb, steht er mit 278 PS und vor allem mit 588 Nm im Datenblatt. Das reicht für einen Sprint von 0 auf 100 km/h in 7,5 Sekunden, für ein Spitzentempo von 230 km/h und vor allem für einen ebenso souveränen wie entspannten Dauerlauf auf der linken Spur der Autobahn. Denn während der Genesis allein wegen seiner Größe und der auch im Sportmodus eher komfortbetonten Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung mit engen und verwundenen Landstraßen fremdelt, fühlt er sich auf den großen Magistralen sofort heimisch und selbst lange Strecken werden plötzlich ausgesprochen kurzweilig. 

Zwar bietet der Genesis außer dem neuen Namen und dem frischen Design nichts, was die etablierten Konkurrenten nicht auch bieten würden, und für eine nagelneue Marke wirkt der GV80 vor allem innen vergleichsweise vertraut und bei allem Luxus sogar ein wenig verstaubt. Doch schmälert das nicht die Leistung der Koreaner, die aus dem Stand eine ebenbürtige Alternative zu Audi, BMW und Mercedes gebaut haben – und ihr Auto für einen deutlich attraktiveren Preis verkaufen. Schließlich startet der Q7 als V6 TDI mit 231 PS bei 68.500 Euro, BMW verlangt für einen X5 schon mit dem 231 PS starken Vierzylinder-Diesel mindestens 68.700 Euro und der GLE 300d ist als Einstiegsmodell der Schwaben mit seinem 245 PS starken 2,0-Liter nicht für unter 71.364 Euro (alles D) zu haben und alle drei sind sie dann verglichen mit dem Genesis noch vergleichsweise nackt.

Trotzdem zeigen die Mühen bei Lexus und der Rückzug von Infiniti, dass der Weg an die Spitze der Charts lang und steinig wird und es deshalb fraglich bleibt, ob die Koreaner mit ihrem großen SUV einen Hit landen. Für diesen Fall sollten sie aber unbedingt noch einmal an ihrem Sound arbeiten. Denn egal ob mit künstlichem Gegenschall ruhiggestellt oder elektronisch verstärkt, klingt zumindest der Diesel eher nach Playback als nach lustvoller Performance. 

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