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Mercedes C-Klasse: Biedermann als Bodybuilder

Mercedes hilft der C-Klasse aus der Midlife-Crisis. Denn so erfolgreich die Baureihe auch sein mag – nicht umsonst war sie im letzten Jahrzehnt die meistverkaufte im Portfolio – so brav und bieder ist sie zuletzt geworden. Genau, wie sich manche Männer in den besten Jahren noch einmal aufraffen und wieder fit machen, blasen die Schwaben deshalb auch beim Enkel des Baby-Benz den Staub vom Blech, impfen ihn mit reichlich Vitamin C und viel Technik aus der neuen S-Klasse und schicken ihn ins Fitness-Studio. Dabei setzt die C-Klasse aber nicht zu peinlichen Höhenflügen an, sondern bewahrt die Bodenhaftung und wird so zu einer konservativen Konstante in einer Autowelt im Umbruch: Weder reitet die C-Klasse auf der SUV-Welle, noch lässt sie sich von der elektrischen Revolution verrückt machen. Wer mit der mindestens 48.409,99 Euro teuren Limousine oder dem erstmals zeitgleich eingeführten Kombi für Preise ab 54.400 Euro noch im Juni vom Hof des Händlers rollt, erlebt die C-Klasse wie einen neuen Bekannten, in dem man nach wenigen Kilometern einen alten Freund wiederentdeckt. 

Der tarnt sich allerdings hinter einem betont dynamischen Auftritt: Digitale Scheinwerfer mit scharfem Blick, eine Motorhaube mit Powerdomes wie bei AMG, die aber bei allen Modellen serienmäßig sind, und der prominente Zentralstern im Grill statt des filigranen Sterns auf der Haube schinden im Rückspiegel mächtig Eindruck. Und wenn die C-Klasse vorbei ist, folgen die Blicke einem athletischen, sehnigen Rücken mit besseren Proportionen und weniger Polstern. So also sieht ein Biedermann aus, wenn er vom Bodybuilding kommt. 

Auch innen weht durch die C-Klasse der Geist einer neuen Zeit: Das gilt vor allem fürs Cockpit, das stark inspiriert ist von der neuen S-Klasse: Das Lenkrad trägt wie im Luxusliner nun Doppelspeichen, dahinter steht frei ein großes Display und daneben schwebt wie im Flaggschiff ein riesiger Bildschirm vor der Mittelkonsole, der bis in den Mitteltunnel reicht. Dazu gibt es ein bisschen mehr Platz auf allen Plätzen: Rund drei Zentimeter mehr Radstand plus ein bisschen mehr Platz für Köpfe und Schultern sind zwar immer noch nicht genug für erstklassigen Komfort in der zweiten Reihe. Aber sie bringen den jetzt in beiden Varianten 4,75 Meter langen Mercedes wieder auf Augenhöhe mit Audi und BMW. Außerdem wächst zumindest beim Kombi auch der Kofferraum: Während die Limousine wie bisher 455 Liter schluckt, passen hinter die elektrische Klappe nun 499 bis 1.510 Liter – 30 Liter mehr als beim Vorgänger.

Etwas näher an der Konkurrenz ist Mercedes auch beim Fahren – vor allem an BMW. Denn die Schwaben haben nicht nur wie beim Widersacher aus München erstmals das das Cockpit ein wenig dem Fahrer zugeneigt. Sondern sie haben das Auto auch sehr viel agiler ausgelegt. Dank der erstmals verbauten Hinterachslenkung surft die Limousine nun durch die Landschaft, als hätte es zum Frühstück einen Vitamin-Cocktail statt des koffeinfreien Kaffees gegeben. Und plötzlich können die Kurven gar nicht eng genug sein, selbst wenn sich die Räder nur um gut zwei statt wie bei der neuen S-Klasse um mehr als zehn Grad einschlagen lassen. Und im Parkhaus ist der Effekt noch viel frappierender, wenn der Wendekreis um immerhin 40 Zentimeter schrumpft. 

Aber nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: Die neue C-Klasse mag zwar die agilste in der langen Geschichte sein, aber sie will gar nicht den BMW-Jäger geben. Denn bei aller Fokussierung auf den Fahrspaß hat Mercedes keine Kompromisse beim Komfort gemacht – auch wenn sie die optionale Luftfederung bei den meisten Modellen gestrichen haben. Mit adaptiven Stahlfedern und dem Fahrmodus im Komfortmodus wirkt die C-Klasse immer noch wie ein gemütlicher Cruiser, der den Blutdruck ruhig hält. 

Einen weiteren Beweis für diese Strategie findet man unter der Motorhaube: Nicht nur, dass Mercedes alle Motoren mit einem 48-Volt-Startergenerator elektrifiziert, der 15 kW und 200 Nm leistet und ein häufiges Abschalten des Verbrenners sowie sanftes Wiederanfahren auch bei höheren Geschwindigkeiten ermöglicht. Sondern die Schwaben haben alle großen Motoren ausgemustert und sich auf Vierzylinder beschränkt: Der Reigen beginnt mit einem C 180 mit 170 PS, einem C 200 (204 PS) sowie dem vorläufigen Spitzenreiter C 300 (258 PS) bei den Benzinern und dem C 220d (200 PS) sowie dem 300d (265 PS) als Ölbrenner. Während die Basismodelle nur über Hinterradantrieb verfügen, gibt’s weiter oben in der Modellhierarchie auf Wunsch natürlich auch die 4Matic für Traktion auf beiden Achsen. Und selbst bei AMG wird die C-Klasse auf maximal vier Flammen brennen, selbst wenn sie in Affalterbach mit einem E-Modul mehr Leistung aus der neuen Generation kitzeln, als es je in einer C-Klasse gegeben hat. 

Dafür gibt es aber einige andere interessante und vielleicht zukunftssichere Neuzugänge in naher Zukunft: Schon bald nach der Markteinführung wird Mercedes Plug-in-Hybride sowohl mit Diesel als auch mit Benziner, Hinterrad- und Allradantrieb und einer Batterie von mehr als 25 kWh anbieten – genug für eine bislang konkurrenzlose Reichweite von über 100 Kilometern. 

Sportlicheres Design, sparsamere Motoren und intelligentere Technik: Zwar wird aus dem Biedermann mit dem Generationswechsel tatsächlich ein Best-Ager, der fit ist für den zweiten Frühling und eine schöne Alternative zum Aufbruch in die neue Welt. Doch gibt es dieses gute Gefühl nicht zum Nulltarif. Sondern zumindest liegt die Hürde für den Einstieg in die neue C-Klasse gute 5.000 Euro als früher.

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