DriveGREEN

Mercedes S-Klasse PHEV: Elektrisierendes Vorspiel

Wenn es stimmt, dass ein gutes Gewissen ein bequemes Ruhekissen ist, dann fährt man mit keiner S-Klasse beruhigter als mit dem neuen, bislang noch namenlosen Plug-In-Hybrid. Denn viel sauberer und zugleich entspannter kann man in der Oberklasse aktuell nicht unterwegs sein und der Sprung zu reinen Elektro-Autos wie dem Tesla Model S oder dem Porsche Taycan ist nicht mehr weit. Nur dass eben kein anderes Auto so eine stolze Statur und so viel Status bietet wie eine S-Klasse.

Für die nächste Etappe auf der Electric Avenue kombinieren die Schwaben den 367 PS starken Dreiliter-Reihensechszylinder aus dem S 450 mit einer 110 PS starken E-Maschine in der Neungang-Automatik, die sie aus einem Akku von Stolzen 28,6 kWh speisen. Das ist mehr als doppelt so viel wie beim S 560e. Obwohl auch der e-Motor 20 kW zulegt, verdoppelt sich deshalb auch die elektrische Reichweite: Statt knapp 50 verspricht Mercedes nun über 100 WLTP-Kilometer unter Strom – und das, wenn’s sein muss, bei mehr als 140 km/h. So weit kommt und so schnell fährt keiner der Konkurrenten.

Zwar kostet der größere Akku im Heck ein bisschen Kofferraum und schlägt aufs Gewicht, doch zumindest einen Nachteil der verdoppelten Kapazität hat Mercedes vermieden: Geduldsproben an der Ladesäule wird es nicht geben, auch wenn das früher mal fürs neue Flaggschiff versprochene induktive Laden nun doch noch nicht serienreif ist: Aber dank 60 kW-Technik steht selbst eine leere S-Klasse gerade mal 30 Minuten am Schnelllader, bis der Bordcomputer wieder 100 Prozent zeigt. 

Entsprechend sorglos setzt man die Energie ein, tritt beherzt aufs Fahrpedal, erfreut sich an der wunderbar sanften und sämigen Beschleunigung und daran, dass der Benziner selbst bei mehr als 140 km/h noch Pause hat. Und dass der größere Akku zwar keine Stufe mehr im Kofferraum braucht, dafür aber wieder ein bisschen mehr wiegt? Geschenkt! Beim einem Auto wie der S-Klasse fällt das nun auch nicht mehr ins Gewicht. Erst recht nicht, wenn die Systemleistung bei 510 PS und das vereinte Drehmoment bei 750 Nm liegt. 

Und anders als in bisherigen Plug-in-Hybriden ist dieses Vergnügen nicht von kurzer Dauer. Sondern auch unter realen Bedingungen sind so weit mehr als 60, 70 Kilometer machbar. Dabei hilft auch die intelligente, streckenbasierte Betriebsstrategie: Sie berücksichtigt zur Maximierung der elektrischen Abschnitte unter anderem Navigationsdaten, Topografie, Geschwindigkeitsvorschriften und die Verkehrsverhältnisse für die gesamte geplante Route – und regelt die Rekuperation gleich mit. Wer lieber selbst entscheiden möchte, kann diese in allen Fahrprogrammen direkt über Wippen hinter dem Lenkrad in drei Stufen wählen und so zwischen meilenweitem Segeln und dem „One Pedal Feeling“ wechseln. Nimmt man dann den Fuß vom Gas, verzögert das Fahrzeug rein elektrisch so stark, dass er die hydraulische Fußbremse oft gar nicht benötigt wird. 

Und wer es doch mal eilig hat, lässt beide Motoren im Team arbeiten, kann dann in kaum fünf Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen und mühelose 250 km/h erreichen. Dabei wirkt die S-Klasse nun auch im Mischbetrieb noch souveräner als früher, weil sie noch besser gedämmt ist, ihre Insassen wie in Watte packt und auf Wolken bettet und man vom Antrieb nun wirklich nichts mehr mitbekommt. Damit wird das Fahren so selbstverständlich und auf spektakuläre Weise unspektakulär, dass man sich völlig der Welt entrückt wähnt und jedes Gefühl für Raum und Zeit verliert. Von der Wohnung ins Büro oder von Hamburg nach München? Gefühlt macht das keinen Unterschied, denn während draußen die Welt vorbei rauscht und die Zeit vergeht, ruht man in der S-Klasse in sich selbst. Die geisterhafte Form der Fortbewegung, wie man sie bislang nur von luxuriösen Elektroautos oder von Saurieren wie dem Rolls-Royce Phantom kannte, ist damit auch in der Welt der Teilzeit-Verbrenner angekommen. Zumal auch das Infotainment die Brücke in die neue Zeit schlägt und die S-Klasse Konkurrenten wie den Taycan oder das Model S mit ihrem riesigen Augmented-Reality-Head-Up-System und den 3D-Grafiken in den Instrumenten ganz schön alt aussehen lässt.

Zwar weiß auch Mercedes, dass die Kritiker und Klimaschützer selbst bei diesem Dickschiff auf Diät nicht verstummen werden. Doch haben sie Schwaben dafür ja noch eine weitere Premiere in Petto: Im nächsten Sommer kommt als rein elektrische Alternative zur S-Klasse der EQS – mit noch mehr Bildschirmen, noch größerer Batterie und noch mehr Ruhe beim Reisen.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"