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Mercedes EQC 4×4²: Bigfoot mit Batterie

Normalerweise fahren hier Actros & Co, und bis zur nächsten Ladesäule sind es locker 20 Kilometer: Im Steinbruch hoch über Geisingen im Südschwarzwald ist die Elektromobilität noch lange nicht angekommen. Und trotzdem pflügt hier gerade ein verdächtig geräuschloser Geländewagen über die Buckelpiste: Wo sonst die Turbos zu Heulen beginnen und die Motoren unter Volllast aufbrüllen, kämpft sich dieser mattgraue Koloss in absoluter Stille den Steilhang hinauf und das einzige, was an die Ohren der verdutzen Zuschauer dringt, ist das Prasseln der Kiesel, der im großen Bogen aus den Radkästen fliegen. Und das Lachen von Jürgen Eberle. Denn er ist das Mastermind hinter diesem Monster, das auch dem Endzeithelden Mad Max als Dienstwagen taugen würde. Von 8 bis 18 Uhr harmloser Komponenten-Entwickler bei Mercedes in Sindelfingen, hat er mit ein paar Kollegen nebenbei eine ziemlich extreme Ausprägung von Elektromobilität auf die Räder gestellt und den EQC mit rustikalen Portalachsen und wüsten Koftflügelverbreiterungen aus dem 3D-Drucker binnen eines halben Jahres zum Big Foot gemacht.

Von Thomas Geiger

Ganz neu ist die Idee freilich nicht: Sondern Eberle war auch schon beim Allterain-Kombi der E-Klasse zugange und hat sich nicht zuletzt von einer Sonderserie der G-Klasse inspirieren lassen: Wie der geniale Kraxler aus Graz trägt deshalb auch sein Dienstwagen den Zahlencode 4×4² auf der Flanke – die Formel für Offroad-Abenteuer der härteren Gangart. Schließlich heben die Portalachsen den GLC um knapp 20 Zentimeter an und verschaffen ihm mehr Bodenfreiheit und Wattiefe als bei einer G-Klasse von der Stange. Und auch die Böschungswinkel sind ein bisschen besser.

Kein Wunder also, dass Eberle nicht zu stoppen ist und er seinen Prototypen durch die Pampa peitscht, dass es nur so staubt. Buckelpisten, Sandkuhlen und Tümpel mit knietiefem Schlamm können ihn dabei nicht aufhalten. Und Steigungen von mehr als 100 Prozent auch nicht – solange die grobstolligen 285er auf 20 Zoll großen Bedlock-Felgen nur ein bisschen Halt finden, kennt der EQC kein Halten mehr. Von wegen Lifestyle-SUV für umweltbewegte Besserverdienter aus dem Speckgürtel der Großstadt! Zumindest in dieser Ausprägung wird der EQC zum Auto für Abenteurer und beweist eindrucksvoll, dass Elektromobilität nicht nur ein urbanes Thema für den Asphalt ist.

So viel Eberle und seine Mannschaft dabei an der Karosserie und am Fahrwerk des EQC geändert haben, so wenig tut sich beim Antrieb. Zwar haben die Entwickler aus dem GLC zwei für schlechtes Terrain programmierte Fahrmodi auf den EQC-Chip übertragen und sich die Bergabfahrhilfe zu Eigen gemacht. Aber es bleibt bei je einer E-Maschine mit 150 kW und 370 Nm pro Achse, die aus dem 80 kWh großen Akku im Wagenboden gespeist werden. Aber warum auch etwas ändern an einem Antrieb, den Eberle für nahezu perfekt hält im Gelände. Denn nicht nur das üppige Drehmoment ab der ersten Sekunde kommt dem Matschpiloten zu gute. Sondern wo Verbrenner gerne mal heiß oder trocken laufen, wenn sie ihn extremer Schräg- oder Hanglage durchs Gebirge krauchen und so der Öl- oder Kühlfluss ins Stocken gerät, sind die E-Maschinen auch unter widrigen Bedingungen genügsam und wartungsarm. Und feinfühliger steuern lassen sie sich obendrein, rühmt der Ingenieur, bevor er zum nächsten Gipfelsturm ansetzt. Selbst Wasser – natürlicher Feind der Elektrizität – kann dem Bigfoot nichts anhaben, wie Eberle bei einem anschließenden Tauchgang im Schlammbad beweist. Den natürlich sind beim Elektroauto alle kritischen Teile gründlich isoliert. Das ist beim Straßenmodell nicht anders, fällt hier aber umso mehr auf.

Überhaupt ist Eberle für die Batterie im Boden dankbar, und zwar nicht nur, weil sie den Schwerpunkt schön niedrig hält und der Aufbau damit hübsch ruhig bleibt, selbst wenn die Bodenwellen tiefer oder die Schräglage größer wird. Sondern vor allem, weil die Batterie von Hause aus so gut geschützt ist, dass er sich für den Bigfoot keine Gedanken über eine Unterbodenverkleidung mehr machen musste. Das schrille Kratzen, das beim Überfahren von ein paar Wackersteinen, aus dem Tiefparterre in die Kabine dringt, kratzt den Ingenieur jedenfalls herzlich wenig. Da macht er sich schon mehr Sorgen um die markanten Kotflügelverbreiterungen, die vergleichsweise  fragil sind – und als Prototypenteile vor allem sündhaft teuer.

Zwar ist der EQC 4×4² mehr als eine Fingerübung der Entwickler nach Feierabend und gibt stattdessen einen Vorgeschmack, was man vielleicht einmal von der elektrischen G-Klasse erwarten kann, die Mercedes den Fans des Geländewagens versprochen hat. Doch so gut sich der Abenteurer bereits im Abseits schlägt, müssen die Schwaben noch ein Problem lösen: Wo die Batterie auf der Straße im besten Fall für knapp 500 Kilometer reicht, zeigt der Bordcomputer beim harten Geländeeinsatz kaum mehr als 150 Kilometer Reichweite. Und da die Ladeinfrastruktur in Pampa und Prärie – nun ja – eher dürftig ist, könnte so selbst die G-Klasse an ihre Grenzen stoßen.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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