Mercedes startet ein neues Raumfahrtprogramm: Wenn die Schwaben in diesem Sommer die zweite Generation des Citan in den Handel bringen, wird aus dem wieder vom Renault Kangoo abgeleiteten Kleintransporter eine große Familie: Neben dem Kastenwagen und dem Tourer aus der gewerblichen Welt gibt es deshalb Anfang 2022 für verwöhnte Väter eine T-Klasse mit mehr Lack und Leder und für umweltbewegte Familien auch einen rein elektrischen EQT. Weil Mercedes da allerdings mal wieder eine lange Leitung oder schlecht mit Kooperationspartner Renault verhandelt hat und der Stromer erst Ende nächsten Jahres an den Start geht, rollen die Schwaben jetzt zumindest schon mal ein seriennahes Showcar ins Rampenlicht.
Trotzdem kann Van-Chef Marcus Breitschwedt den Neuzugang kaum erwarten. Schließlich soll ihm der einen Zugang zu neuen Segmenten verschaffen: „Mit der kommenden T-Klasse erweitern wir unser Portfolio und sprechen wir Familien und freizeitaktive Privatkunden jeden Alters an, die viel Platz und maximale Variabilität brauchen, aber nicht auf Komfort und Stil verzichten wollen.“ Über Preise spricht Breitschwerdt freilich noch nicht, stellt aber zumindest einen „ attraktiven Einstieg in die Welt von Mercedes-Benz“ in Aussicht. Demnach müsste die T-Klasse billiger werden als eine A-Klasse und deshalb für deutlich weniger als 28.000 Euro zu haben sein.
Nachdem sie für die erste Generation reichlich Prügel einstecken mussten, weil der Citan nicht viel mehr war als ein Kangoo-Klon, wollen sie mit der zweiten Auflage beweisen, dass sie diesmal deutlich früher und deshalb mehr Einfluss auf die Entwicklung genommen haben. Das gilt nicht nur für die Karosse, die insbesondere bei der elektrischen Studie mit dem glatten Kunststoffgrill und dem durchgehenden Leuchtenband perfekt in die Mercedes-Familie passt. Sondern das soll vor allem für das Innenleben gelten.
Gerade der Blick ins Cockpit zeigt deshalb, wie sehr sich Mercedes um Emanzipation und Eigenständigkeit bemüht. Zwar erinnern die Instrumente genau wie der eher mickrige Touchscreen daneben an Renault, doch das Lenkrad kennt man aus der A-Klasse, auf den Displays sieht man die vertrauten Grafiken des Infotainment-Systems MB UX, und den Dialog mit dem Auto startet man wie üblich mit dem Kommando „Hey Mercedes“. Für den EQ-Touch in der T-Klasse gibt es zudem wieder ein paar stilistische Eigenheiten, die nun allerdings einer neuen Farbwelt folgen: Wo bislang Roségold das Maß der Dinge war, schimmert auf den metallischen Konsolen nun ein elektrisierendes Blau.
Wer sich davon bei der ersten Sitzprobe lösen kann, erkennt beim Schulterblick eine zweite wichtige Neuerung. Denn zum ersten Mal gibt es für den Citan und seine Ableger eine dritte Sitzreihe, die bei rund 4,95 Metern Außenlänge zur Not sogar für zwei Erwachsene taugt. Erst recht, weil die beiden großen Schiebetüren den Zustieg leicht machen. Alternativ wird es den Raumkreuzer aber auch in einer etwa 25 Zentimeter kürzeren Variante mit nur zwei Sitzreihen geben, versprechen die Schwaben.
So viel Mercedes mit der Studie schon zu Auftritt und Ambiente verrät, so wenig lassen sich die Schwaben zum Antrieb entlocken – und zwar egal, ob es sich um die T-Klasse oder den EQT handelt. Doch statt viel Phantasie braucht es lediglich einen Blick zum Kooperationspartner, um das vermeintliche Geheimnis zu enträtseln. So wird es bei den Benzinern wohl auf den 1,3 Liter großen Vierzylinder-Turbo hinauslaufen, den es bei Renault in unterschiedlichen Modellen und Leistungsstufen von etwa 100 bis 160 PS gibt, bei den Dieseln ist der 1,5-Liter mit etwa 75 bis 115 PS die erste Wahl. Und für die Generation E gibt es einen Akku, der eine WLTP-Reichweite von 265 Kilometern erlaubt.
Für gewerbliche Kunden, die viel Routine in der Routenplanung haben und ihren Tagesablauf sehr genau kennen, mag das genügen. Doch für einen Pampersbomber an der Familienfront könnte das ein wenig knapp bemessen sein; erst recht, wenn das Auto erst in anderthalb Jahren an den Start geht. Das wissen sie offenbar auch in Stuttgart, deuten deshalb schon mal eine zweite Variante mit größerer Reichweite an und legen dem EQT zumindest auf der Showbühne eine Art Range Extender bei: Denn unter einer gläsernen Abdeckung im Kofferraum haben die Designer ein elektrisches Longboard installiert, mit dem man den Aktionsradius bei Bedarf erst mit Strom und danach beliebig mit Muskelkraft erweitern kann.