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Mercedes G-Klasse-Interieur: Sternensuite im Schlamm

Sternensuite im Schlamm

Das neue Mercedes G-Klasse-Interieur

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Denn nach bald 40 Jahren und mehr als 300 000 Exemplaren baut Mercedes noch einmal eine neue G-Klasse. Während Land Rover noch immer am nächsten Defender scheitert und sich die Briten bereits eine zweijährige Lücke erlauben, plant Mercedes einen nahtlosen Übergang, baut in Graz schon tapfer die alten und die neuen Modelle in einer Halle und hat jetzt bereits vor der Weltpremiere im Januar in Detroit und der Markteinführung im Frühjahr einen ersten Einblick gewährt. Und das kann man diesmal sogar wörtlich nehmen.

Von Thomas Geiger
Denn während die nach wie vor mit Lineal und Geodreieck gezeichnete Karosserie noch die übliche Tarnfolie der Prototypen trägt, ist der Innenraum bereits fertig eingerichtet und entführt die erlesene Kundschaft von Anwälten, Ärzten und Abenteurern in eine neue Welt: Der riesige Bildschirm aus der E-Klasse, das Lenkrad aus der S-Klasse und viele neue Zierelemente wie die Lüfter, eine Ambientebeleuchtung und tausende Möglichkeiten zur Individualisierung machen die neue G-Klasse zu einer Sterne-Suite im Schlamm und lassen den Vorgänger buchstäblich alt aussehen. Nur für einen Touchscreen hat es auch diesmal nicht gereicht und die werte Kundschaft muss weiter mit dem Controller auf dem Mitteltunnel oder den neuen Blackberry-Tasten am Lenkrad Vorlieb nehmen. Dafür wird es am Mitteltunnel etwas leerer und rund ums Lenkrad etwas voller. Denn wie in den Limousinen und den soften Geländewagen wandert der Wählhebel fürs Getriebe nun ebenfalls ins Cockpit.
Die G-Klasse hat sich aber nicht nur herausgeputzt und fein gemacht für die Allrad-Elite. Sondern der Klassiker wächst über sich hinaus und zeigt sich innen nun von neuer Größe: Dank etwas mehr Radstand und einer breiteren Karosserie rücken alle Passagiere ein bisschen auseinander, die Schulterfreiheit wächst, die Türausschnitte werden endlich so groß, dass man seine Füße auch jenseits von Schuhgröße 37 bequem ins Auto bekommt und im Fond scheuern die Knie jetzt nicht mehr an der Rücklehne der Vordersitze. Und nachdem die Hinterbänkler bislang sträflich vernachlässigt wurden, bekommen sie nun sogar eine Rücklehne mit verstellbarer Neigung.
Ein Cinemascope-Bildschirm wie in der S-Klasse, ein Lenkrad wie in der S-Klasse und eine Sitzverstellung wie im CLS – während man den Platzzuwachs ohne Zweifel goutiert und sich mit der zum ersten Mal ein bisschen gebogenen Frontscheibe problemlos arrangieren kann, dürfte der allzu offensichtliche Griff in die Baukästen der anderen Baureihen zumindest gusseisernen G-Klasse-Puristen sauer aufstoßen. Doch für sie hat Baureihenchef Gunnar Güthenke einen offensichtlichen Trost und einen buchstäblichen Halt. Denn bevor ihre Laune ins Bodenlose fällt, sollten sie einfach nach den traditionellen Schaltern für die Sperren schauen – und sich danach am massiven Griff festhalten, der wie seit 40 Jahren vor dem Beifahrer prangt, Spätestens, wenn sich die Hände im schweren Gelände darum so fest schließen, bis die Knöchel weiß werden, und man mit einem Griff die ganze Solidität der G-Klasse spürt, dann ist die Welt für den Vierkant aus Graz wieder in Ordnung.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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