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Mercedes G580: G-Klasse auf elektrisch

Die unendliche G-schichte der Mercedes G-Klasse geht weiter. Denn statt ihren legendären Geländewagen auf dem Altar der Antriebswende zu opfern und den Saurier der SUV-Bewegung in den wohl verdienten Ruhestand zu schicken, macht Mercedes jetzt ernst. Nach schier endlosem Vorgeplänkel machen die Schwaben den Vierkant aus Graz jetzt nach bald 50 Jahren fit für die Zukunft – und bietet ihn tatsächlich auch mit Elektroantrieb an. Nach bald zwei Jahren hauchdünn gehobelten PR-Carpaccios ist das zwar keine Überraschung mehr. Doch spätestens  beim Blick in die Preisliste muss man dann noch einmal aufmerken. Denn wurde der elektrisierte Saurier bislang immer auf AMG-Niveau taxiert, ist er mit 146.990 Euro fast schon ein Schnäppchen – zumindest für eine G-Klasse. 

Fotos: Hersteller

Dabei hat Mercedes für die Elektrifizierung des Klassikers einen gigantischen Aufwand getrieben. Statt einfach in den Baukasten der anderen EQ-Modelle zu greifen, hat der Methusalem von Mercedes eine maßgeschneiderte Elektroarchitektur bekommen, die im unverzichtbaren Leiterrahmen des Hardcore-SUV integriert ist. Weil eine G-Klasse ohne Sperren keine G-Klasse ist, haben die Ingenieure dieses Konzept in die E-Zeit übertragen und jedem Rad einen eigenen, individuell zu steuernden Motor spendiert und dafür – eine weitere Unumgänglichkeit beim G – eine neue Starrachse ins Heck geschraubt. Und weil sich E-Motoren bei niedrigen Drehzahlen nicht so richtig wohlfühlen, haben sie auch noch ein Untersetzungs- oder in diesem Fall besser Übersetzungsgetriebe für niedrige Geschwindigkeiten eingebaut. So drehen die Motoren im Kriechgang höher, erhitzen sich langsamer und können zudem mehr Rekuperieren.

Den Aufwand hat die Truppe um Fabian Schossau nicht ohne Grund getrieben: „Es darf für eine G-Klasse keine Kompromisse beim Fahren geben, erst recht nicht im Gelände“, sagt der Chefingenieur und verspricht deshalb, dass der Geländewagen mit Akku-Antrieb genauso gut fahren kann wie mit einem Achtzylinder. „Oder vielleicht sogar besser.“ Ja, die Böschungs- und Rampenwinkel mögen minimal geschrumpft sein, aber die Wattiefe zum Beispiel ist um 15 auf 85 Zentimeter gestiegen, selbst wenn dann Akku und Motoren komplett unter Wasser stehen. Außerdem sorgt der tiefere Schwerpunkt dafür, dass sich die G-Klasse noch weiter zur Seite neigen kann, ohne umzufallen. Kein Wunder also, dass Mercedes die Premierengäste bei der Jungfernfahrt sorglos ins Gelände schickt und die G-Klasse durch die Pampa kraucht, als hätte sie von elektrischen Einschränkungen noch nie etwas gehört.

Im Gegenteil: Weil die Elektronik die vier Maschinen noch feiner regulieren kann und es eine Art Offroad-Tempomat gibt, fällt selbst Amateuren das Abenteuer noch leichter und man braucht nicht viel mehr als den kleinen Finger am Lenkrad, um den kühnsten Kurs zu bestehen. Und noch etwas ist dabei anders. Wo bislang meist ein Achtzylinder brüllte, hört man jetzt nur noch die Kiesel unter den Reifen und das Zwitschern der Vögel. 

Das einzige Limit ist dabei wie so oft beim E-Auto der Akku. Und zwar nicht, weil er besonders empfindlich wäre. Schließlich haben sie ihn mit einer bald drei Zentimeter dicken Platte aus Verbundfasern und Karbon so stark gepanzert, dass der Koloss sogar auf dem Bauch über die Felsen rutschen kann, ohne dass es in den Zellen zwickt. Sondern natürlich zehren das Gewicht und die – nun ja – wenig windschnittige Form gewaltig an der Reichweite. Selbst wenn sie hier wie die doppelten Laberln in einem Big Mac zwei Akkus übereinander gestapelt und so immerhin 116 kWh untergebracht haben, ist nach 473 Normkilometern Schluss. Denn auch mit aerodynamischem Feinschliff wie dem geschlossenen und in schöner Angeber-Manier mit LED-Ring um das so genannte Black Panel inszenierten Kühler, der leicht angehobenen Motorhaube oder dem Air Curtain vor den Radhäusern wird aus einer Schrankwand auf Rädern kein Strömungsweltmeister, räumt Fabian Schossau ein. Und muss gleich noch eine Kröte an seine Kundschaft verfüttern: Weil der Elektro-Vierkant stolze 3,1 Tonnen wiegt und man bei uns ab 3,5 Tonnen einen Lkw-Führerschein braucht, ist die Zuladung auf lächerliche 400 Kilo limitiert und ein Anhängerbetrieb gar nicht möglich. 

Während Schossau da auf baldige Änderungen in Brüssel hofft, kann er konservativen Kunden zumindest beim Design einen gewissen Trost bieten: Weil er weiß, dass viele G-Klasse-Kunden wenig übrig haben für neumodische Spielereien, kann man den Elektro-Grill auch abbestellen. Genauso übrigens wie die so genannte Design-Box fürs Ladekabel an der Hecktüre. Denn wer die G-Klasse ernst nimmt und mit ihr tatsächlich ins Gelände fährt, wird wohl kaum aufs Ersatzrad verzichten wollen und sich mit Tirefit zufrieden geben, räumt Schossau ein

Aber so sehr Schossau ins Gelände geschaut hat, will die elektrische G-Klasse auch auf dem Boulevard eine gute Figur machen. Deshalb haben sie bei der Leistung nicht gekleckert, sondern geklotzt und fast 590 PS und vor allem 1.164 Nm spendiert. Auch wenn sie mit unbeladen 3,1 Tonnen knapp am Lkw-Führerschein vorbei schrammt, beschleunigt sie deshalb wie ein Sportwagen und ist in weniger als fünf Sekunden auf Tempo 100.

Das wahrscheinlich coolste Feature ist aber so genannte G-Turn. Denn damit wird der Koloss zum Karussell für ganz große Kinder: Ohne Lenkeinschlag und nur mit der Kraft der gegenläufig drehenden Reifen macht die G-Klasse eine Panzerkehre und kreiselt auf der Stelle, während draußen der Schotter spritzt und eine Staubwolke aufsteigt. Im Alltag völlig sinnlos, aber spektakulär – und das perfekte Clickfutter für die sozialen Netzwerke. Und natürlich ein Fest für Conti & Co. Denn wer das nicht auf Sand oder Schnee macht, sondern auf der Straße, der brennt die größten Donuts auf den Asphalt und kann die fetten Schlappen für die 22-Zöller gleich im Abo ordern.

Ja, Mercedes hat einen großen Aufwand getrieben, den Mythos der G-Klasse in die neue Zeit zu retten – und dabei ein geschickteres Händchen gehabt als etwa beim Schritt von der S-Klasse zum EQS. Deshalb ist der E-Antrieb auch nicht nur ein faszinierendes Technik-Paket, sondern auch ein Treueschwur für die dienstälteste Baureihe der Schwaben. Nicht umsonst haben sie parallel auch noch einmal die Verbrenner überarbeitet, den Diesel zum 367 PS starken G 450d geadelt und genau wie den blasphemischen Reihensechszylinder für den damit trotz nun 449 PS zur Mogelpackung diffamierten G500 zum Mild-Hybriden aufgerüstet und auch dem G63 mit seinen 585 PS noch einen elektrischen Booster aus dem 48 Volt-Netz sowie ein aktives Fahrwerk spendiert. 

So pflegen sie den Saurier, machen ihn zugleich fit für die Zukunft und legen das Fundament dafür, dass die G-Schichte ewig so weiter geht. Wie stark und unerschütterlich die G-Klasse ist, merkt man nicht zuletzt auch an der Nomenklatur.. Denn während die S-Klasse durch die Elektrifizierung zum EQS wurde und die elektrische E-Klasse als EQE formiert, rutsch das Kürzel EQ hier ins Kleingedruckte und der G bleibt als elektrischer G 580 ein G – egal, welche Energie ihn treibt.

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