Mit dem SLS E-Cell waren sie ganz vorne dabei. Doch dann hat AMG nochmal den Stecker gezogen und den Mobilitätswandel der großen Mutter überlassen. Aber jetzt ist es so langsam wieder Zeit für einen Stromschlag auf der Überholspur und in Affalterbach reift ein neuer Silberpfeil, der elektrische Erstlinge wie den EQS 53 AMG oder den Kurzstrecken-Plug-in GT 63 S E-Performance zu halbherzigen Fingerübungen stempelt. Denn wenn AMG in drei Jahren sein Flaggschiff für die Generation E präsentiert, will die Flunder nicht weniger werden als der stärkste E-Sportler der Welt.
Das zumindest ist die Botschaft, die AMG-Chef Philipp Schiemer und Designchef Gorden Wagener jetzt gemeinsam verbreiten, wenn sie das Tuch vom Vision AMG ziehen und die Vollgasfraktion damit schon einmal auf einen gewaltigen Stromschlag vorbereiten. „AMG erfindet sich neu. Wie einst bei unseren Gründervätern, so herrscht auch seit geraumer Zeit in Affalterbach eine neue, ganz besondere Aufbruchsstimmung. Die Weichen sind ganz klar auf eine elektrifizierte Zukunft gestellt. Unser Anspruch dabei ist hoch. Denn auch unsere Kunden erwarten bei rein elektrischen Modellen das Besondere“, sagt Schiemer und lenkt den Blick auf einen spektakulären Tiefflieger, der sich stark am Effizienzweltmeister EQXX orientiert. Genau wie das Einliter-Auto der Generation E hat auch der designierte Nachfolger des GT Viertürers einen komplett geschlossenen Bug mit einem nur noch angedeuteten Grill, kurze Überhänge und eine flache, fast tropfenförmige Kabine, die hinten über eine spektakulären Abrisskante in einem variablen Spoiler ausläuft. „Die extremen Proportionen der Studie kreieren Faszination und Leidenschaft für Performance – dafür steht AMG“, schürt Wagener die Erwartungen.
Was beim EQXX noch der maximalen Effizienz und damit einer Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern diente, soll diesmal vor allem der Raserei in die Karten spielen. Geschwindigkeiten von deutlich mehr als 300 km/h müssen schon sein, wenn AMG mit den elektrischen Supersportwagen der Neuzeit konkurrieren will. Und viel länger als zwei Sekunden darf der Spurt auf Tempo 100 dann auch nicht dauern. Als wäre die Silhouette des Supersportwagens nicht schon spektakulär genug, setzt sich der Vision AMG mit einer Lightshow auch noch selbst in Szene: Die Streben im vermeintlichen Kühlergrill strahlen von innen, die Scheinwerfer leuchten wie ein Mercedes-Stern und das Heck glüht wie das Triebwerk einer Rakete auf der Mission zum Mars.
Zur Technik dagegen macht AMG noch nicht viele Worte und verrät nur, dass sie in Affalterbach neben der Plattform auch den Antrieb in Eigenleistung entwickeln. Statt zur Mutter nach Stuttgart schielen sie deshalb allenfalls zur Formel 1-Mannschaft nach England und folgen dem bewährten Muster von EQXX und dem E-Performance-Baukasten. Deshalb wird das AMG-Flaggschiff nicht nur eine spezielle Hochleistungs-Hochvoltbatterie bekommen, sondern auch einen innovativen Axialflussmotor, den die neue Mercedes-Tochter Yasa entwickelt: Mehr Power, weniger Platzbedarf und weniger Pfunde lautet die Devise für die Maschinen, mit denen der AMG mindestens 2.000 PS auf die Straße bringen muss, wenn er Autos wie dem Rimac Nevera, dem Pininfarina Battista und dem Lotus Evija die Pole Position streitig machen will.
Zwar beamt Mercedes seinen sportlichen Ableger mit dem Showcar weit in die Zukunft und vieles spricht dafür, dass die Serienfassung des Vision AMG zum ungekrönten Champion der zivilen Formel E wird. Doch zugleich stürzen die schnellen Schwaben damit auch ihren letzten Imageträger vom Thron, bevor der ihn überhaupt so richtig erklommen hat. Denn nachdem der AMG One als straßenzugelassener Formel 1-Klon mit all seinen Lieferverzögerungen ohnehin schon an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist und die ungewohnten Platzierungen des strauchelnden Seriensiegers Lewis Hamilton die Sache kaum besser machen, wird der stärkste und schnellste Silberpfeil des Benzin-Zeitalters jetzt schon vor der Auslieferung zum millionenschweren Alteisen.