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Nissan Micra: Das fleißige Bienchen

Das fleißige Bienchen

Der Nissan Micra

Bienen gelten gemeinhin – abgesehen vom faulen Willi natürlich – als ideales Symbol für Fleiß. Ihr ganzes Leben schwirren sie munter umher, sammeln Blütennektar, beschützen den Stock oder kümmern sich um die Aufzucht der kommenden Arbeitergeneration. Eigenwilligkeit gibt es bei den streng organisierten Insekten nicht. Ich habe nun jedoch eine Biene kennengelernt, die zwar in Punkto Fleiß ihren schwarz-gelben Kollegen in Nichts nachsteht, aber dafür umso mehr Eigenständigkeit mitbringt. Gestatten: Der neue Nissan Micra.

Text: Jakob Stantejsky
Blaue Bienen trifft man in der Natur recht selten, doch im Wiener Verkehrsgewühl fügt sich der Micra gut ins Bild. Ein moderner Kleinwagen, dem man seine Aktualität ansieht, ohne dass er mit Sicken, Kanten, Spoilern und Furchen um sich werfen muss. Kurzum, der kleine Nissan zeigt sich ansprechend und hat kein Bedürfnis, sich in den Vordergrund zu drängen. Für ein Fahrzeug dieser Größe strahlt er eine fast ungewöhnliche Ruhe und Eleganz aus. Wer einen flippig-quietschigen Lifestyle-Flitzer sucht, sollte sich bei der Konkurrenz umschauen, der Micra ist eher etwas für Jene, die wirklich ernst genommen werden wollen. Und dafür muss es eben nicht immer gleich die Business-Limousine sein, die einerseits als Stadtauto nur bedingt geeignet und andererseits nicht für Jedermann erschwinglich ist. Beim Micra merkt man schnell, dass Nissan eine lange Tradition als Hersteller hat und genau weiß, wie man ein gutes Auto baut, ohne groß um Aufmerksamkeit betteln zu müssen.

Im Innenraum geht es dennoch etwas flashiger zu, aber die blaugrauen Applikationen an den Sitzen wissen ebenso zu gefallen wie die blitzblaue Querleiste auf dem Armaturenbrett, in die das Infotainmentdisplay eingebettet ist. Es tut einfach gut, wenn die Augen auch mal eine farbenfrohere Cockpitlandschaft zu sehen bekommen und nicht immer nur das ewig gleiche, schwarzgraue, mit hochstylishen Lüftungsdüsen und Displays durchsetzte 08/15-Interieur. Im Micra fühlt man sich wohl und Platzangst kommt auch nie auf. Wenn man so möchte, ist das Innenleben des Japaners ebenso abgeklärt und dennoch gefällig wie sein Exterieur. Irgendwo zwischen cool und klug eben – oder beides.
Der Nissan Micra übernimmt aber nicht nur die geradlinige Funktionalität einer Biene in Punkto Aussehen, sondern auch die Bedienung aller Funktionen erfolgt simpel, direkt und verlässlich. Das Infotainmentsystem verfügt zwar nicht gerade über die innovativste oder aufsehenerregendste Benutzeroberfläche, doch man findet sich augenblicklich zurecht. Auch der Tempomat erfordert keinerlei Eingewöhnungszeit und ist sofort verinnerlicht.

Gehen wir nun über zum Handling des Autos selbst. Der Micra orientiert sich in Punkto Schaltung und Lenkung in Richtung der gemäßigten Sportlichkeit – so sind die Schaltwege angenehm zügig zu überbrücken und der Hebel gibt direktes Feedback. Die Lenkung macht Freude aufgrund zweierlei Dinge: Einerseits ist sie durchaus direkt und flink, andererseits greift sich das Steuer richtig fein an. Tatsächlich ist es sogar traditionell-sportlich unten abgeflacht – ob das jetzt nötig ist im Nissan Micra, sei dahingestellt, aber dem Fahrer gefällt’s ganz sicher. Insgesamt gibt der Mini-Japaner nie vor, mehr zu sein als er ist. So fühlt er sich zwar durchwegs aktiv und fahrfreudig an, bleibt aber dennoch cool und bequem. Es ist kein Spagat zwischen Sport und Alltag, sondern ein gesundes Mittelmaß.
Nun stellt sich die nicht ganz unwichtige Frage, ob der Motor mit dem gelungenen Gesamtpaket mithalten kann. Für das in unserem Testwagen steckende 1,0 Liter-Benzinaggregat mit 71 PS kann ich das so leider nicht unterschreiben. Er verhungert zwar nicht, aber wirklich rasch kommt man auch nicht von der Stelle. Da erscheinen mir der 1,5 Liter-Diesel oder der 0,9-Liter-Benziner mit je 90 PS als vielversprechendere Alternativen. Denn wenn man im fünften (und höchsten) Gang bei 70 km/h schon knapp über 2.000 Umdrehungen draufhat, dann verspricht eine Autobahnfahrt sowohl leistungs- als auch geräuschtechnisch (echte Bienen brummen eben) kein Vergnügen zu werden. Aber gut, dafür kostet der Micra mit dem getesteten Basismotor auch mindestens fast 2.500 Euro weniger und beginnt bei 12.605 Euro – auch ein gutes Argument! Kurz gesagt: Wer sich wirklich auf die Stadt beschränkt, wird auch mit diesem Motor zufrieden sein. Falls auch mehrere und längere Autobahnetappen im Programm sein sollen, dürfen es ruhig die 19 PS mehr sein.
Zugegeben, der Micra erregt weniger Aufsehen als manch anderer Kleinwagen. Zugegeben, die Motorenpalette gibt nach oben hin zurzeit weniger her als einige Konkurrenten. Aber ein derart ausgewogenes Auto findet man selten. Alles passt stimmig zueinander, kein Detail fällt aus der Reihe. Und die Reihe, dieses Kollektiv, funktioniert hervorragend als Einheit – den großen Kleinwagenkick sucht man besser woanders, aber wer ein fleißiges Bienchen braucht, auf das man sich stets verlassen kann und das immer sofort abliefert, der findet im Nissan Micra den perfekten Partner zum herumsummen.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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