Salonlöwe auf Pirsch
Der neue Peugeot 508
Von Thomas Geiger
Zugunsten der schönen Form machen die Franzosen sogar beim Format Kompromisse. Wo die Autos sonst beim Generationswechsel immer größer werden, nimmt sich der neue 508 freiwillig ein wenig zurück und wird deshalb nicht nur sechs Zentimeter flacher, sondern auch acht Zentimeter kürzer. Innen geht es aus diesem Grund künftig zwar vor allem im Fond ein wenig knapper zu, aber dafür sind die Proportionen erstklassig und zusammen mit den Säbelzähnen der LED-Signatur in der stolzen Front, den rahmenlosen Scheiben an der schlanken Flanke und dem eigenwillig eingezogenen Schrägheck wird der 508 zum Schauläufer, der auf dem Boulevard alle Blicke fängt.
Während die Hinterbänkler im Nachteil sind, können sich die Passagiere in der ersten Reihe freuen. Sie reisen nicht nur auf Massagesesseln mit AGR-Siegel und genießen den 508 als profunde Langstreckenlimousine, sondern vor allem blicken sie in ein Cockpit, wie es das diesseits von Audi & Co kein zweites Mal gibt: Die Materialauswahl erstklassig, die Verarbeitung piekfein und das Layout innovativ – so lässt die Löwenmarke selbst den Platzhirsch Passat verdammt alt aussehen. Und selbst wer mit dem kleinen Lenkrad und den hoch gesetzten Instrumenten im weiterentwickelten iCockpit fremdelt, der wird auf jeden Fall seinen Spaß an der Schalterleiste haben, die unter dem Touchscreen in der Mittelkonsole montiert ist. Sie sieht aus wie eine Klaviertastatur und fühlt sich unter dem glänzenden Lack auch ganz so an. Viel schöner kann man der analogen Bedienung in Zeiten der Digitalisierung kaum die Treue halten.
Hinter dem Lenkrad hat man für solche Fingerübungen aber vergleichsweise wenig Zeit. Denn zumindest in der etwas dynamischer ausgelegten GT-Version ist der 508 endlich mal wieder ein Franzose, der zum Fahren gemacht ist und nicht nur zum Ankommen. Spätestens wenn man ins sportlichste Profil der elektronischen Charakterregelung wechselt, das adaptive Fahrwerk spürbar die Muskeln anspannt und die Achtgang-Automatik später hoch und früher runter schaltet, zeigt der 508 ein Engagement, das man diesseits von GTi & Co bei der Löwenmarke lange nicht mehr gesehen hat. Von wegen Salonlöwe auf Samtpfoten!
Treibende Kraft ist dabei ein Motor, der aus mäßigen 1,6 Litern Hubraum mächtige 225 PS schöpft und mit bis zu 300 Nm zu Werke geht. Das reicht für einen Sprintwert von 7,3 Sekunden und bringt den 508 auch auf der Überholspur auf Augenhöhe mit der Konkurrenz aus der Premium-Liga. Denn als einer der wenigen Franzosen erreicht zumindest das Topmodell des 508 damit 250 km/h.
Zwar ist dieser Motor wichtig für Image und Prestige. Doch wissen die Franzosen selbst, dass die Masse in dieser Klasse etwas bescheidener unterwegs ist – zumindest bei einer Importmarke. Schließlich kostet das Topmodell stolze 45.600 Euro. Deshalb gibt es den 1,6-Liter nicht nur in einer zweiten Leistungsstufe mit immer noch soliden 180 PS und 230 km/h Spitze, sondern parallel dazu bietet Peugeot auch noch einen 1,5-Liter-Diesel mit 130 sowie einen 2,0-Liter-HDI mit 163 oder 177 PS an. Die Selbstzünder schaffen ebenfalls zwischen 208 und 235 km/h und machen das, was ihnen an Tempo fehlt, mit Durchhaltevermögen wett. Denn wo die Benziner schon auf dem Papier 5,4 und 5,7 Liter brauchen, stehen sie mit 3,7 bis 4,7 Litern in der Liste und laufen entsprechend länger ohne Boxenstopp.
Aber nicht nur beim Antrieb lässt sich Peugeot nicht lumpen: Wie es sich für ein Flaggschiff gehört, gehen die Franzosen auch bei der Ausstattung in die vollen und spendieren dem 508 ein paar für die Marke neue Technologien – darunter zum Beispiel ein Nachtsichtsystem, das man in dieser Klasse sonst vergeblich sucht. Dazu gibt es ein pralles Paket mit Assistenzsystemen wie den Tempomaten mit Abstandsregelung oder die automatischen Notbremse bis 140 km/h und Scheinwerfer mit LED-Technik.
Er sieht klasse aus und fährt engagierter als die meisten anderen Importmodelle in dieser Klasse, er hat ambitionierte Motoren und eine vorbildliche Ausstattung – so macht Peugeot mit dem 508 tatsächlich wieder einmal Lust auf eine Limousine und lässt einen die Sehnsucht nach dem SUV vorübergehend vergessen. Doch so ganz trauen die Franzosen der Strahlkraft des Stufenhecks offenbar nicht. Anfang nächsten Jahres stellen sie ihm deshalb für alle Praktiker unter den SUV-Abtrünnigen, denen 487 Liter Kofferraum nicht reichen, auch wieder einen Kombi zur Seite.