Die ersten 30 Kilometer seines Arbeitstages hat Mario Grellmann schon hinter sich. Doch vom Motor ist noch nichts zu hören. Denn Grellmann ist Entwickler bei Porsche und sitzt wenige Wochen vor der Markteinführung auf einer Testfahrt im überarbeiten Panamera. Und wo den aktuellen Hybrid-Modellen des Luxusliners jetzt so langsam der Saft ausgehen würde, schwimmt er weiter elektrisch mit im dichten Verkehr auf der A8 Richtung Karlsruhe und verschwendet nicht mal einen Blick auf die Reichweitenanzeige.
Von Thomas Geiger
Muss er auch nicht. Erstens, weil ja vor der E-Maschine noch ein V6-Motor unter der Haube steckt. Und zweitens, weil Porsche beim Taycan so viel gelernt hat, dass davon jetzt auch der Panamera profitiert: Bessere Zellen und ein effizienteres Packaging lassen die Kapazität des Akkus bei gleichem Bauraum von 14,1 auf 17,9 kWh wachsen. Und weil Grellmann und seine Kollegen zugleich die Betriebsstrategie verbessert haben, wächst die elektrische Reichweite um rund 30 Prozent. Kein Wunder also, dass der Protptyp so leise ist und Grellmann die erste Etappe seiner Testfahrt ohne Verbrenner schafft.
Doch spätestens nach der Ausfahrt ist es Schluss mit der Stille. Selbst wenn der Akku noch Strom hergäbe, will sich der Entwickler hier im Norden des Schwarzwaldes den Spaß nicht nehmen lassen und lässt deshalb beide Motoren im Team arbeiten. Schließlich will er beweisen, dass der Panamera bei der Modellpflege nicht nur komfortabler geworden ist, sondern dass auch seine sportlichen Qualitäten noch einmal verbessert wurden: Haben das neues Set-Up für Dämpfer und Federn, die Wankstabilisierung und die neu programmierte Lenkung den langen Lulatsch eben noch ganz gelassen über die Autobahn gleiten lassen, verbeißt er sich jetzt vehement in die engen Kehren, stürmt gierig den Gipfeln entgegen und beweist mit jedem Meter mehr, dass er bei allem Luxus und Komfort auch ein paar Gene des 911 mitbekommen hat.
Und Grellmann ist froh, dass er bei der Schlüsselausgabe am Morgen den rechten Griff getan hat. Nein, ob nun Standard-Version, der gestreckte Executive oder der schräge Kombi Sport Turismo – das macht für ihn keinen Unterschied. Der Motor dagegen schon. Und da hat der Ingenieur ein gutes Händchen bewiesen und sich den neuen 4S E-Hybrid gegriffen, der als dritter Steckdosen-Stromer die Lücke zwischen dem etwas behäbigen Basis-Modell und dem überzüchteten Turbo S E-Hybrid schließt.
Grellmanns Antrieb mag zwar in die Zeit passen und politisch noch am korrektesten sein. Doch einer seiner Kollegen hatte noch mehr Glück und darf jetzt im ebenfalls neue Turbo S durch den Schwarzwald fliegen. Denn während der Basis-Benziner mit seinen 330 PS unverändert in die zweite Halbzeit geht und der GTS lediglich 20 PS mehr bekommt, so dass er nun mit 480 PS verkauft wird, macht das Top-Modell einen Satz von 550 auf 630 PS und verdient sich damit allemal das S am Heckdeckel. „Damit unterstreichen wir unseren hohen Anspruch auf Best-in-class-Performance“, sagt Baureihenleiter Thomas Friemuth und stürmt mit dem Top-Modell durch den Schwarzwald, dass man noch zwei Täler weiter den Sound seines Achtzylinders hört. Von 0 auf 100 in kaum mehr als drei Sekunden, da reichen auch die kurzen Geraden im Pforzheimer Hinterland zum Überholen. Nur die weit über 300 km/h Topspeed kann Friemuth hier und heute nicht unter Beweis stellen, weil dafür die A8 auch auf dem Rückweg mal wieder zu voll ist.
Angst um die Tarnfolie müssten Friemuth und seine Kollegen dabei kaum haben. Denn wo die Prototypen sonst oft noch eine umfangreiche Camouflage tragen und entsprechend empfindlich auf allzu viel Fahrtwind reagieren, reichen beim Panamera ein paar wenige Meter Klebeband. Schließlich ändert sich außen abgesehen vom Leuchtenband am Heck nicht viel und innen ist das neue Lenkrad auch kein Geheimnis mehr – immerhin baut Porsche das ja schon in Elfer und Cayenne ein.
Als der Tross zurück im Werk ist, teilt sich die Truppe: Die eine Hälfte geht Tanken, die andere lädt erst mal die Plug-In-Hybriden nach. Das ist allerdings eine Arbeit, die sich womöglich in Zukunft erledigt hat. Denn weil sie auch bei Porsche wissen, dass der Plug-in nur dann wirklich sauber ist, wenn man ihn tatsächlich einstöpselt, arbeiten sie mit Hochdruck am induktiven Laden, sagt Grellmann . Und mit ein bisschen Glück ist die Technik bis zum Start den nächsten Panamera schon so weit. Eine halbe Laufzeit haben sie dafür ja noch Luft.