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Renault Captur: Befreiungsschlag

5 Jahre lang thronte der Renault Captur an der Spitze seines Segments. Durch die erstarkte Konkurrenz hält er mittlerweile „nur“ noch Platz vier. Ist die neue, zweite Generation der Befreiungsschlag, den der Franzose so nötig hätten?

Text: Maximilian Barcelli

Früher war alles besser – zumindest für den Captur. Das B-Segment auf Stelzen war unterbesetzt, eine Nische. Einziger Konkurrent: der Nissan Juke. Heute sieht die Sache anders aus: Über 20 Mitbewerber buhlen um die Gunst potenzieller Kunden. Besonders die geballte Produktionsmacht des VW-Konzerns, der mit T-Roc, Skoda Kamiq und Seat Arona/Ateca mehrfach vertreten ist, macht den Franzosen zu schaffen. Um wieder mithalten zu können, und weil er einfach schon Reif für die Pension war, legt Renault den Captur nun neu auf. Eines vorweg: Mag sein, dass früher manches, vielleicht auch vieles besser war. Der Captur aber nicht.

Einverstanden, das Vor-Facelift-Modell war nicht schlecht, aber: putzig. Und dann noch: knuffig. Verspielt und kindlich. Hat mit wilden Farben vom Hartplastik-Friedhof im Interieur abgelenkt. Das mit den Farben hält er auch die zweite Generation noch so. Nur brauchen sie von nichts mehr ablenken. Der Captur steht nämlich nicht nur auf der CMF-B-Plattform so wie der neue Clio, er hat auch das hochmoderne Cockpit des kleinen Franzosen spendiert bekommen. Heißt konkret:

  • Ein 9,3-Zoll-großer, senkrechter Touch-Bildschirm (nur in der Top-Ausstattungslinie Serie) sowie 10,2-Zoll-große, digitale Armaturen – beide liefern gestochen scharfe Optik, das System selbst reagiert schnell.
  • Ein großartiger Materialienmix: Kaum Hartplastik, viel hochwertiges Soft-Touch und (Falsch-)Leder. Die Kirsche auf der Torte: alles bestens verarbeitet.
  • Und alles auch anständig designt. Nicht mehr knuffig, sondern trockener, wenn auch nicht zu trocken. Einen wesentlichen Anteil daran trägt das Lenkrad; aus dem pummeligen Volant des Vorgängers ist ein hübsches und haptisch feines geworden.

Nicht nur der Innenraum ist erwachsen geworden, Renault hat auch dem Exterieur die Kindlichkeit exorziert. Einerseits physisch: der Captur ist elf Millimeter in die Länge, sieben in die Höhe und satte neunzehn in die Breite gewachsen – was für ein sportiveres Auftreten sowie wohnlichere Platzverhältnisse im Innenraum sorgt. Anderseits optisch: Die LED-Heckleuchten sind messerscharf, ziehen das Auto in die Breite und erinnern ein wenig an Polestar, was als Kompliment zu verstehen ist. Wie bullig die Front geworden ist, lässt sich vor allem im direkten Vergleich mit dem Vorgänger erkennen.

Zum erwachsenen Auftreten spendiert Renault erwachsene Motoren („spendieren“ nicht allzu wörtlich nehmen …): Bis zu 155 PS sorgen im neuen Captur für Schub. Drei Aggregate vertreten die Otto-Fraktion, zwei die Diesel, wobei nur der starke (115 PS) in Österreich angeboten wird. Der 1,3-Liter große TCe 155 ist mit dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe zwangsverheiratet, das manuelle Getriebe ist in Verbindung mit ihm nicht zu haben. Halb so dramatisch; das EDC agiert beim Anfahren zwar etwas ruppig, schnalzt die Gänge auch nicht gerade in Lichtgeschwindigkeit rein, ist dann im Fahrbetrieb aber sehr komfortabel und sanft.

Eigentlich ist der Captur mit 155 Pferdchen sinnlos übermotorisiert. Und ob der Paradesprint jetzt in 8,6 oder 9,6 Sekunden gelingt, ist nicht einmal am Stammtisch erwähnenswert. Der 130 PS starke Vierzylinder-Benziner schiebt den Franzosen gefühlt um nichts weniger an, kann auch mit der Automatik gekoppelt werden, ist an und für sich aber mit dem manuellen 6-Gang-Getriebe verbunden. Für Genügsame bietet sich wohl der 100 PS starke Dreizylinder mit fünfgängigem Getriebe an. Weder dieser Einstiegsmotor, noch der Diesel wurden von uns getestet.

Dafür überraschten die zwei sehrwohl getesteten Motorisierungen mit einem niedrigen Realverbrauch. Etwas über sieben Liter Super pro 100 Kilometer – beim stärkeren Triebwerk eine etwas größere Kommastelle, beim schwächeren eine kleinere – werden Greta nicht vor Freude zum Weinen bringen. Aber nur, weil Greta nicht weiß, wie wir den Captur vor uns hergetrieben haben (rund 6,5 Liter werden’s im normalen Gebrauch wohl werden).

Die Fuhre bleibt trotz komfortabler Abstimmung (die hie und da nur von den großen Felgen eingeschränkt wird, erstmals gibt es 18-Zöller für den Captur) bei forcierter Fahrt erfreulich neutral. Erst sehr spät schiebt man über die Vorderachse, die Elektronik holt einen dann feinfühlig zurück auf die Spur. Nicht, dass der Captur ein Kurvenräuber ist, geschweige denn einer sein müsste, aber die besonders im Sportmodus sehr direkte Lenkung animiert ab und an zu einer engagierteren Fahrweise.

Kleiner Return zu Gretas Freudentränen: Die könnten dank einer fünften Motorisierung, die 2020 nachgereicht wird, doch noch kullern. Den Captur wird es als Plug-in-Hybrid geben. Mit 150 PS, einer 9,8 kWh großen Batterie und einer rein elektrischen Reichweite von immerhin 65 Kilometern in der Stadt. Der PHEV-Captur bleibt aber Fronttriebler, Kostenpunkt noch unbekannt. Anders als bei den jetzt schon erhältlichen Triebwerken: Mindestens 18.340 Euro werden für einen Captur fällig. Die Top-Motorisierung mit der -Ausstattungslinie ist bei 30.890 Euro dotiert und der unserer Meinung nach goldenen Mittelweg bei 24.490 Euro. Für das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe kommen rund 2.000 Euro dazu.

Fazit: Der neue Captur ist ein Befreiungsschlag mit der Härte einer Klitschko-Rechten. Sein ganzes Wesen hat sich mit dem Modellwechsel verändert: Vom knuffigen Captur zum erwachsenen Captur. Etwas Rest-Verspieltheit behält sich der Franzose mit den exzentrischen Farbkombinationen. Ob es so wieder für den obersten Podestplatz reicht? Wohl eher nicht. Zu vielzählig ist mittlerweile die Konkurrenz. Verdient hätte er sich die Goldene aber allemal.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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