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Renault Clio: Charme-Offensive



Charme-Offensive

Der neue Renault Clio V auf Jungfernfahrt

Gestrafft ist das Exterieur des Renault Clio V, dabei auf Wunsch nach wie vor fröhlich bunt. Neu eingerichtet, unter Ausräumung der bisherigen Plastik-Landschaft, ist das Interieur. Der Vier-Meter-Franzose fährt mit – sportlichen – Benzinern und – sparsamen – Dieseln in die fünfte Generation. Ein Elektrifizierter folgt 2020.

Von Beatrix Keckeis-Hiller
Eigentlich müsste es ja DIE Clio heißen. Schließlich ist die namensspendende Muse (die der Geschichtsschreibung) weiblich. Das ist im Französischen auch das Auto – „la voiture“. Im Deutschen ist es genderseitig ein Neutrum. Trotzdem ist es zutiefst männlich besetzt. Weshalb es bei uns DER Clio heißt. Sei’s drum: Renaults Volumens-Star macht sich, ob feminin oder maskulin, gar nicht neutral in der Kleinwagenklasse von neuem stark.

Dafür, dass der knapp mehr als vier Meter lange Pariser nicht unbeachtet in der Menge untergeht, hatte Chef-Designer Laurens van den Acker schon in der vierten Generation gesorgt. Der Niederländer liebt starke Farben und sinnliche Formen. Und starke Worte. Die Weltpremiere des Clio Nummer fünf auf dem Autosalon von Genf hat er mit dem Statement – sinngemäß – „mit der Qualität, da mussten wir etwas machen“ kommentiert. Seine Exterieur-Interpretation des Vorgängers, die den Kleinen aus seiner vorher verhältnismäßigen Biederkeit geholt und ihm offensiven Charme verpasst hat, hatte sich bezahlt gemacht.
Evolution statt Revolution

Deshalb hat er das Außendesign kaum angetastet, es ist evolutioniert, sprich gestrafft, statt revolutioniert, sprich signifikant verändert: mit akzentuierter Front, markantem Heck und charakteristisch gekerbter Seitenlinie. Kaschierte Fondtür-Griffe suggerieren ein Dreitür-Coupé. Doch gibt’s den Clio ab sofort nur noch fünftürig. Auch eine Kombi-Version – Grandtour – ist jetzt obsolet. Ebenso die Stufenheck-Variante (Thalia) die hierzulande kaum, jenseits der südöstlichen Landesgrenzen Österreich jedoch hoch beliebt ist.

Die bisher häufig geübte Praxis des Längen-, Breiten- und Höhenwachstums beim Eintritt in eine neue Generation trifft auf den kleinen Pariser nicht zu. Er steht auf einer neuen Plattform. Damit sind einskommazwölf Zentimeter abgeknapst, er überragt die Vier-Meter-Marke aber noch um eine Idee (4,050 Meter sind’s). Auch in der Höhe misst er ein paar Millimeter weniger (1,440 Meter). Trotzdem kann der Kofferraum jetzt mit 340 statt 300 Liter Gepäck zurechtkommen, klappt man die Fondlehnen um, können es bis zu 1.069 Liter sein.
Elegant und schlank

Neue Geräumigkeit offerieren jetzt die Sessel in der ersten Reihe. Die Sitzfläche ist breiter, die Rückenlehne höher, die Oberschenkelauflage länger – man darf nun auch überdurchschnittlich groß sein, um sich hinterm Volant fahraktiv zu positionieren. Zum verfeinerten Wohngefühl trägt die neu arrangierte Cockpit-Einrichtung ein. Offensichtliches Hartplastik: adieu! Die Oberflächen sind soft & grifffreundlich. Das Armaturenbord schmiegt sich in einer sanften Welle über die gesamte Breits, die durchgehenden horizontalen Lüftungsschlitze vermitteln Eleganz und auch Schlankheit, die man mit Kontrast-Dekors aufpeppen kann. Der Schalthebel sitzt knackig kurz auf der hohen und breiten Mittelkonsole.

Die Kombi-Instrumentierung ist in den höheren Ausstattungsstufen auf einem kofigurierbare TFT-Display angelegt, je nachdem in Sieben- oder Zehn-Zoll-Dimension. Das Multimediasystem ist neu, der dazugehörige Touchscreen misst
entweder sieben oder im Kleinen doch schon recht großflächig wirkenden 9,3 Zoll. Garniert sind die digitalen Bedienelemente mit einer wohl dosierten Auswahl an Tasten, Reglern und Schaltern auf dem Lenkrad, der Mittelkonsole und unterhalb des Zentral-Bildschirms, für die Klimaautomatik zum Beispiel muss man nicht in einem Untermenu wühlen. Die Lautstärke des Soundsystems – das kann in der Top-Version von Bose sein – wird über den gewohnten Lenkstockhebel rechts am Volant geregelt.
Benziner und Diesel

Soweit die periphere Mitgift. Unter die Hauben gepflanzt hat Renault zeitgemäß kleinvolumige Antriebe. Die Benziner sind ein Einliter-Dreizylinder, mit 75 oder – via Turbo aufgeladen – 100 PS, sowie ein Dreiliter-Vierzylinder mit 130 PS. Die kleinen Ottos sind mit Fünfgangschaltung kombiniert, der größere mit siebenstufigem Doppelkupplungsgetriebe. Nachgereicht wird eine CVT-Automatik für den 100-PS-Benziner. Der Diesel – er bleibt in Österreich im Programm – ist ein 1,5-Liter mit 85 respektive 115 PS, gekoppelt an ein manuelles Sechsganggetriebe.

Zum ersten Fahr-Auftritt ist der Neo-Clio in Portugal angetreten. Auf dem abwechslungsreichen Verkehrswege-Angebot zwischen Lissabon – inklusive Vasco da Gama-Brücke – und Evora im Alentejo wurden der 100-PS- (mit Handschaltung!) und der 130-PS-Benziner durch die Stadt und übers Land geschickt, jeweils ausgerüstet mit fast allem, was das Zutaten-Programm offeriert.
Flitzig und spritzig

Was neben der Drehfreude am Dreizylinder bereits auf den ersten Metern angenehm auffällt, das ist die gelungene Geräuschdämmung. Der Mini-Otto schnattert bei offenem Fenster gedämpft, schließt man alle Scheiben ist er kaum mehr hörbar. Antriebstemperament entwickelt das Triebwerk, ohne das man es allzu sehr melken muss. Anfangs ist man geneigt, einen sechsten Gang zu suchen, dann stellt sich heraus, dass es auch ohne geht, die Anschlüsse passen, die Drehzahl bleibt in der höchsten Fahrstufe im Rahmen. Zum flotten Überholen von Lkws reicht die Power alleweil aus. Auf kurvigem Terrain ist es auch nicht notwendig, auf Schwungsnutz-Automatik zurückzugreifen, aber allzu heftige Steigungen waren an der Atlantikküste nicht zu überwinden.

In punkto Fahrwerksabstimmung hat das Entwickler-Team ganze Arbeit geleistet: Es knistert, knastert, poltert oder stößt gar nichts, ob im Eco- oder im Sport-Modus. Schlaglöcher und Querrillen quittiert der Clio staubtrocken und völlig unschaukelig. Dazu addiert sich die ziemlich gefühlvolle und vor allem präzise Lenkung. Die Bremsanlage zeigt keinerlei Bissigkeit. Noch einmal eins drauf legt der 1,3-Liter mit 130 PS, diese Kombination hat ernsthafte Talente zur echten Sportlichkeit (wer weiß, vielleicht kommt ja bald ein R.S.). Es ist auch das Gewicht nicht überbordend, der Einliter wiegt ab 1.178, der 1,3-Liter ab 1.248 Kilo.
Assistenten und Helfer

Ohne elektronische Vernetzung und Zähmung kommt gar kein Auto mehr aus. Auch Kleinwagen wird längst eine umfassende Mitgift an Permanent-Konnektivität („Easy Link“-Infotainment mit over-the-air-Updates) und aktiven Unterstützern verpasst – sie sollen von der für nächstens angekündigten Fahr-Automatisierung nicht ausgenommen sein. Somit hat der Clio zu einer strengen Traktionskontrolle – Reifenquietschen wird tunlichst unterbunden – jede Menge Fahrhelfer an Bord, teils serienmäßig, teils gegen Aufpreis. Top-Feature ist neben dem sogenannten Multisense-System (zwei Fahrmodi programmiert, einer konfigurierbar) ein Autobahn- und Stauassistent.

Dessen Funktion erfordert Fahrbahnmarkierungen, also Autobahn oder Schnellstraße. Das System fasst adaptiven Abstandsregeltempomat, Stop & Go-Funktion und Querführ-Assistent zur Zentrierung auf der Fahrspur zusammen. Es kommt ohne vorausfahrendes Fahrzeug aus und ist bis zu 160 km/h aktiv. Damit kann der Clio auf Level 2 automatisiert unterwegs sein. Die Finger vom Lenkrad darf man aber trotzdem nicht lassen, ohne dass ein Piepskonzert losbricht. Für kurviges Landstraßenrevier ist das Ganze noch nicht programmiert, da darf man noch unbepiepst die Kurvenradien anschneiden.
Alternative am Horizont

Das sind Erfahrungen, die sich auf die Benziner beziehen. Nicht anders wird es sein in den Dieseln. Die standen in noch nicht zur Erprobung parat. Darüber hinaus folgt Renault in bezug auf die Antriebe dem Zug der Zeit. Soll heißen, dass auf die konventionellen Verbrenner in allen Modellreihen Elektrifizierte folgen. Der Clio macht da keine Ausnahme. 2020 wird er das in einer Voll-Hybrid-Version tun. In einem neu entwickelten System kooperieren ein 1,6-Liter-Benziner und zwei E-Aggregate, gekoppelt an ein stufenloses sogenanntes Multi-Mode-Getriebe. Stromenergie liefert eine 1,2 kWh starke Batterie. Renault verspricht, dass man angesichts forcierter Rekuperation im Stadtverkehr mit dem E-Tech bis zu achtzig Prozent aller Wege rein elektrisch fahren wird können.

Zu den Händlern kommt der neue Clio im September. Die Einstiegsversion kostet 12.490 Euro, das ist der 75-PS-Benziner im Basis-Migiftniveau „Life“, und der hat schon Voll-LED-Scheinwerfer sowie Notbrems- und Spurhalteassistent, Verkehrszeichenerkennung sowie Lichteinschaltsensor an Bord. Den Peak stellt die Version „Initiale Paris“ dar. Die kommt, mit 130-PS-Otto, auf ab 26.290 Euro, mit 115-PS-Selbstzünder auf 25.790 Euro. Dann ist nicht nur Bose-Sound an Bord. Auch unter anderem die volle Ausbaustufe des Multimediasystems, Ledermöblierung, 360-Grad-Kamera, 17-Zoll-Alus etc.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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