Renault Mégane E-Tech: Vive la E-Volution
Nicht nur wer zu spät kommt, wird vom Leben bestraft. Sondern bisweilen holt die Realität auch all jene ein, die zu früh dran waren. So hat zwar Renault mit dem Zoe über viele Jahre das Geschäft an der Ladesäule dominiert, und keine andere Marke hat in Europa so viele Akku-Autos auf der Straße wie die Franzosen. Doch spätestens seit dem Debüt des Modularen Elektro Baukasten (MEB) im VW-Konzern scheinen die bislang rund 400.000 Zulassungen irgendwie vergessen und von Renault ist bei der Generation E kaum mehr die Rede.
Aber damit soll bald Schluss sein. Denn unter der Führung des neuen Vorstandschefs Luca de Meo wollen die Franzosen sich wieder an die Spitze der E-volution setzen und dafür in den nächsten Jahren mehr als ein halbes Dutzend neuer Akku Autos an den Start bringen. Den Anfang macht dabei der Mégane E-Tech, der seine Premiere jetzt auf der IAA in München feiert und im Frühjahr in den Handel kommen sollen. Preise nennen die Franzosen zwar noch nicht, doch viel mehr als 30.000 Euro darf er nicht kosten, wenn er tatsächlich gegen Autos wie den VW ID.3, den Skoda Enyaq und vor allem gegen die elektrischen Kompakten aus Korea punkten soll.
Zwar trägt er einen traditionellen Namen, hat aber mit dem Mégane, wie wir ihn kennen, außer der Länge von 4,20 Metern nicht mehr viel gemein. Sondern er steht auf einer dezidierten Elektroplattform, wie sie die Schwestermarke Nissan auch für den Ariya nutzt. Und wie alle Akkuautos baut auch der Mégane etwas höher und kaschiert den doppelten Boden mit einer zeitgeistigen modernen Crossover-Karosserie. Weil das Akku Paket aber rekordverdächtige elf Zentimeter dünn ist, ragt der Mégane nicht ganz so hoch auf sie ein ID.3 oder gar ein Enyaq und sieht deshalb etwas schmächtiger aus. Dazu gibt es eine im Windkanal glatt geschnittene Kontur mit großem, geschlossenem Kühler, sinnlich ausgestellten Hüften und einer knackigen Kehrseite.
Innen versprechen die Franzosen wie bei allen um den Elektroantrieb herum konstruierten Modellen mehr Platz als üblich: Zwar sitzt man ungewöhnlich hoch und muss deshalb hinten auch ein wenig den Kopf einziehen, doch für die Kompaktklasse ist die Kniefreieheit in der zweiten Reihe sehr ansehnlich, und der Kofferraum gehört mit 440 Litern zu den größten. Allerdings müssen die Mégane-Fahrer dafür genau wie die Kunden des VW Konzerns auf den bei der Generation E so beliebten Frunk verzichten: Weil Renault auf Frontantrieb setzt und alle Technik unter dem Bug bündelt, bleibt dort kein Platz für einen zweiten Stauraum.
Dass dieser Mégane mindestens eine Generation weiter ist, sieht man auch im Cockpit: Das wurde radikal entrümpelt und mit großen Displays gepflastert, die zum Beispiel nahezu die gesamte Mittelkonsole einnehmen. Und zum ersten Mal setzt Renault dabei auf ein Betriebssystem auf Google-Basis.
Das Design geschickt weiterentwickelt ohne zu erschrecken, den Innenraum wirkungsvoll digitalisiert – da darf die Technik nicht hintanstehen, selbst wenn Akku-Pakete von 40 und 60 kWh eher durchschnittlich sind. Damit ihr Strom trotzdem für 300 oder bis zu 470 Kilometer reicht, zieht Renault Register, wie man sie sonst vor allem aus der Oberklasse kennt: Die Navigation wird nach Topographie und Verkehrsfluss optimiert, die Batterie zum Laden im Voraus einen Gehorsam auf die passende Wohlfühltemperatur gebracht, und das Energiemanagement für Akku, Kühlung und Innenraumklimatisierung gehört zum effizientesten am Markt.
Bei der Motorisierung selbst bewahren Sie erst einmal Bodenhaftung und beschränken sich auf einen Motor für die Vorderachse, der im Basismodell 130 und in der Topversion 220 PS leistet. Erst später und dann wahrscheinlich unter dem Label Alpine wird es auch eine Version mit zwei Motoren, Allradantrieb und entsprechend mehr Leistung geben. Doch schon jetzt soll die Vorfreude nicht zu kurz kommen, stellen die Ingenieure in Aussicht. Zwar wird bei 160 km/h abgeriegelt, aber den Sprint von null auf 100 soll der elektrische Mégane in 7,4 Sekunden schaffen.
Natürlich glaubt Renault fest an die elektrische Revolution und sieht sich mit dem elektrischen Mégane und den vielen anderen Akku-Autos in der Pipeline gut für die neue Zeit gewappnet. Nur wann die tatsächlich beginnt, das wissen auch die Franzosen nicht. Deshalb bauen Sie den konventionellen Mégane lieber erst einmal auf unbestimmte Zeit weiter.