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Rolls-Royce Dawn – Millionending im Morgenrot

Rolls Royce Dawn

Eine leicht bekleidete Schönheit vor traumhaftem Panorama und dahinter geht im zarten Rot die Sonne auf – solch kitschige Bilder gab es bislang nur auf Postkarten oder im Playboy. Doch ein auserwählter Kreis von Auto-Afficionados kann diesen Anblick bald jeden Tag genießen, und zwar direkt vom eigenen Lenkrad aus.

Text: Thomas Geiger
Dafür braucht man nur die Kleinigkeit von knapp 400.000 Euro. Denn für diesen stattlichen Betrag verkauft Rolls-Royce zum Start der nächsten Open-Air-Saison den neuen Dawn und rückt damit die vom Winde umwehte Spirit of Ectasy in das wundervolle Zwielicht der Morgenröte, die dem neuen Luftschiff den Namen gibt.

Technisch ist der offene 2+2-Sitzer, der seine Weltpremiere diesen Monat auf der IAA in Frankfurt feiert, natürlich nichts anderes als ein Wraith oben ohne. Doch die Briten wollen von dem schnöden Begriff der „Karosserievariante“ nichts wissen. Wenn sie den Kunden einen Frischluft-Zuschlag von rund 20 Prozent abknöpfen, dann sprechen sie lieber von einem komplett neuen Auto. Deshalb sprechen sie weniger über die bekannte Plattform mit dem gegenüber dem Ghost um knapp 20 Zentimeter gekürzten Radstand oder über den alt hergebrachten V12-Motor, der aus seinen sündigen 6,6 Litern Hubraum stolze 570 PS und noch eindrucksvollere 780 Nm schöpft und deshalb auch über die geschätzten 2,6 Tonnen Leergewicht nur müde lächeln dürfte.
Sondern sie heben lieber ab auf die zu 80 Prozent neuen Karosseriebleche, die mit mehr Lust und Leidenschaft geformt wurden als je zuvor. Die Kotflügel ein paar Millimeter weiter ausgestellt, die Radien etwas weicher gerundet und der tempelgleiche Grill etwas schnittiger in den Wind gestellt: Wer die Marke nicht kennt, muss vielleicht zweimal hinschauen, um darin prickelnde Erotik zu entdecken. Doch für Markenchef Torsten Müller-Ötvös ist der Dawn nicht weniger als der Rolls-Royce mit dem größten Sexappeal aller Zeiten.

… Das Sonnendach ist mit seinen knapp fünf Quadratmetern nicht nur eines der größten, das man für Geld und gute Worte kaufen kann …

Der ganze Stolz der Ingenieure ist allerdings das Verdeck. Das Sonnendach ist mit seinen knapp fünf Quadratmetern nicht nur eines der größten, das man für Geld und gute Worte kaufen kann. Sondern – natürlich – auch eines der besten. Vor allem, wenn es um die Geräuschisolierung geht. Von noch einmal optimierten und deshalb lautlosen Motoren und Hydrauliken bewegt, legt es sich im Zweifel so dicht über das rollende Sonnendeck, dass man drinnen von draußen nicht mehr hört als im Wraith. Das macht den Dawn zum leisesten Cabrio der Welt, schwärmt Designchef Giles Taylor. Allerdings ist es auch eines der langsamsten – zumindest was das Verdeck angeht. Denn es braucht geschlagene 22 Sekunden, bis sich das riesige Tuchwerk zusammenfaltet und so unter der hölzernen Ablage hinter den feudalen Sesseln im Fond verschwindet, dass noch überraschen viel vom stattlichen Kofferraum übrig bleibt. Kein Wunder: Obwohl bald doppelt so groß und deutlich besser isoliert, benötigt das Sandwich aus Stoff zusammengelegt nicht mehr Platz als das Verdeck des Zweiers, erzählen die Ingenieure stolz.
Natürlich ist auch ein Rolls-Royce Dawn am Ende nichts anderes als ein Auto, selbst wenn ihn der Hersteller als das vielleicht beste, auf jeden Fall aber lustvollste Cabrio der Welt rühmt. Doch Rolls-Royce wäre nicht Rolls-Royce, wenn die Briten ihr Luftschiff nicht noch ein bisschen weiter aufladen würden und ihm zu den vielen PS auch ein paar philosophische Botschaften mit auf den Weg geben würden. Deshalb vergleicht Markenchef Müller-Ötvös die Fahrt im Dawn tatsächlich mit dem Beginn eines neuen und natürlich traumhaften Tages, der für den Besitzer nur eine Botschaft hat: „Heute ist alles möglich“.

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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