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Toyota bZ4X: Die Pioniere ziehen nach

Na das wurde aber auch langsam Zeit: Zwar hat Toyota der Welt den Hybridantrieb schmackhaft gemacht und wie kein anderer die Brennstoffzelle forciert. Doch den Trend zum Elektroauto haben die Japaner irgendwie verschlafen – und so nicht nur Tesla groß werden lassen, sondern auch VW als wichtigstem Rivalen um die automobile Weltherrschaft einen Vorsprung gewährt. Doch jetzt hat der Blitz auch in Tokio eingeschlagen und mit reichlich Verspätung stürmen auch die Japaner in die elektrische Zukunft. Als erstes von über 30 neuen Zero-Emission-Vehikeln und einer ganzen Familie von Batterieelektrikern soll deshalb im Sommer zu Preisen ab 53.210 Euro der bZ4X die Verfolgung von Autos wie dem VW ID.4, dem Tesla Model Y oder dem Mustang Mach-E aufnehmen. 

Während der Name ein wenig erklärungsbedürftig ist, weil „bZ“ für Beyond Zero steht und genau wie EQ bei Mercedes oder e-tron bei Audi zum Signet der Nachhaltigkeit werden soll, die Vier der Hierarchie für das Format und das Segment folgt und das X den Allradantrieb symbolisiert, erklären sich Form und Format von selbst. Denn wie könnte es anders sein, startet die elektrische Aufholjagd bei Toyota mit einem kompakten SUV. 

Rund 4,70 Meter lang und auf einer völlig neuen Plattform mit der üblichen Skateboard-Struktur konstruiert, kommt der bZ4X deshalb daher wie ein neuer RAV4, der beim Generationswechsel etwas zu weit gesprungen ist. Doch selbst wenn die Designer gerne von einer Schnauze wie bei einem Hammerhai sprechen und das Auto immerhin zehn Zentimeter flacher gezeichnet haben als beim konventionellen RAV4, sieht der elektrische Erstling lange nicht so futuristisch aus wie seine Konkurrenten und leistet sich obendrein ein paar markante Ecken und Kanten – selbst wenn die im Windkanal womöglich eher stören.

Auch innen wirbt der Toyota um das Vertrauen der Bestandskunden und lässt sich auf keine Experimente ein. Das Bediensystem ist deshalb vergleichsweise konventionell und die Bildschirmlandschaft buchstäblich überschaubar. Ungewohnt ist nur der weit an die Frontscheibe gerückte Monitor hinter dem Lenkrad, der ein Head-Up-Display nahezu überflüssig macht. Und wer später die neue Steer-by-Wire-Lenkung bestellt, wird sich womöglich über ein eckiges Lenkrad wundern, wie man es von Tesla kennt. 

Am meisten profitieren von der neuen Architektur freilich die Hinterbänkler. Während die Insassen vorn von einer Mauer von wahrhaft Berliner Format getrennt und zumindest gefühlt auch ein wenig bedrängt werden, schwelgen sie im Raum und können die Beine baumeln lassen. Denn bei einem stattlichen Radstand von 2,85 Metern sitzt man im Toyota auch in der zweiten Reihe wie in der ersten Klasse. Und der Kofferraum ist mit 452 Litern nicht minder vorzeigbar. Allerdings wird man den auch brauchen, denn vorne fehlt eine entscheidende Ablage: Zwar gibt es große Taschen in den Türen und die riesige Mittelkonsole fasst mehr als manche Rumpelkammer – aber das Handschuhfach haben die Japaner einer speziellen Klimaanlage geopfert.

Den Antrieb übernimmt im Basismodell ein 204 PS starker Motor im Bug, der mit 265 Nm binnen 7,5 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Gespeist wird er aus einem Akku von knapp 72 kWh. Der soll für gute 450 Kilometer reichen, bevor er an die Ladesäule muss. Wer dort Gleichstrom zapft, kann im besten Fall in 30 Minuten bei 80 Prozent abstöpseln. Und wer auf der Sonnenseite des Lebens fährt, ist noch schneller wieder flott. Denn als einer der ersten Hersteller installiert Toyota auf Wunsch auch ein Solardach und stellt rund 1.800 Sonnen-Kilometer pro Jahr in Aussicht. 

Alternativ gibt’s für 3.000 Euro Aufpreis auch zwei E-Motoren von je 80 kW. Dann steigt die Systemleistung auf 218 PS, das maximale Drehmoment klettert auf 336 Nm und der Sprintwert verkürzt sich auf 6,9 Sekunden. Allerdings schmilzt auch die Reichweite, die in der Norm bei 410 Kilometern liegen sollte, sagen die Entwickler voraus. Egal welche Variante die Kundschaft wählt: Mehr als 160 km/h sind – genau wie für die meisten ID-Modelle aus Wolfsburg – nicht drin. Im Ernstfall auf der deutschen Autobahn fällt der bZ4X damit gewaltig zurück – egal ob vorne dran ein Tesla fährt oder einfach nur ein RAV4.

Und auch wenn der Schwerpunkt mit den Batterien im Bauch wie üblich angenehm niedrig ist und die Straßenlage deshalb auf der souveränen Seite, entwickeln zumindest die Prototypen ohne den finalen Datensatz für Traktions- und Stabilitätskontrolle in engen und schnellen Kurven noch einen gewissen Eigensinn. Für ungebremsten Fahrspaß dürfte der bZ4X ruhig noch etwas folgsamer werden. 

Den Allradantrieb gibt’s übrigens bei Toyota aber nicht nur wegen des Bisschens mehr Leistung, oder gegen das Schlingern auf Schnee. Sondern die Japaner tragen das X mit Würde und haben dem SUV deshalb sogar ein paar Offroad-Skills einprogrammiert: So gibt es nicht nur genügend Bodenfreiheit für eine kleine Kletterpartie und genügend Watttiefe für ein automobiles Fußbad. Sondern auf Knopfdruck wappnet sich der Stromer auch für extreme Steigungen und Gefälle oder fürs Schlammtreten. 

Die Technik ist zwar nur gehobener Durchschnitt und weder bei der Batteriespannung von 355 Volt noch bei der Ladeleistung mit erstmal nur 11 kW an Bord und 150 kW an der DC-Säule können sie ihre Verspätung in einen Vorsprung ummünzen. Doch in einem Punkt macht den Toyota-Ingenieuren keiner etwas vor: Weil niemand mehr Erfahrung mit Elektromotoren und Batterien hat als die Japaner, haben sie auch mehr Zutrauen in ihre Technik. Statt wie sonst üblich nur sechs bis acht Jahre stehen sie deshalb volle zehn Jahre für die Zellen ein und garantieren auch nach einer Dekade oder einer Million Kilometer noch eine Kapazität von 70 Prozent. 

Zwar will der bZ4X der Vorbote einer neuen Zeit sein und wurde mit entsprechend hohen Anspruch entwickelt. Doch zumindest für den Anfang haben die Japaner an den Verlauf nur bescheidene Erwartungen: 16.000 Autos für ganz Europa in diesem und 35.000 im nächsten Jahr klingen zwar erstmal ganz gut. Zumal die Flotte sich mehrheitlich auf Norwegen, die Niederlande und Deutschland verteilen wird. Aber ganz anders wirken die Relationen, wenn man auf den gesamten Absatz blickt. Da liegen die Japaner aktuell bei rund einer Million Auto.

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