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Ford Mustang Mach-E GT: E-Powerpony

Er scharrt mit den Hufen, reißt an seinem Zaumzeug und kennt nur eine Richtung: Nach vorn, und das möglichst schnell. So kennen und so mögen wir den Mustang – egal, ob er nun vier Beine hat oder vier Räder, und gleichgültig, ob er mit Benzin rennt oder mit Batterien. Denn seit Ford der Mutter aller Muscle Cars mit dem Mach-E ein elektrisches Crossover zur Seite gestellt hat, lebt der American Dream auch an der Ladesäule weiter. Da ist es nur konsequent, dass der Mustang der neuen Zeit jetzt noch mehr die Muskeln spielen lässt und genau wie in der alten Welt als GT angeboten wird.

Das elektrische Äquivalent zum fünf Liter großen V8-Motor sind je eine E-Maschine pro Achse, die auf zusammen 487 PS und vor allem 860 Nm kommen und den Mach-E GT zum stärksten Ford diesseits des legendären und längst ausverkauften GT machen. Und das ist nicht der einzige Superlativ, mit dem der Stromer antritt. Sondern auch sein Sprintwert von 3,7 Sekunden ist bei den zivilen Ford-Modellen unerreicht. Nur das Spitzentempo ist wie bei allen E-Modellen etwas ernüchternd, selbst wenn Ford dem heißesten Hengst im Stall immerhin bis 200 km/h Auslauf gewährt. Und auch beim Design halten sich die Amerikaner vornehm zurück. Während der konventionelle Mustang schon im Serientrimm wunderbar hemdsärmelig auftritt und in den Sportversionen so pubertär mit seiner Power protzt wie die Bodybuilder in Gold’s Gym am Strand von Venice Beach, sind das einzig provozierende am elektrischen GT die knalligen Kommunikationsfarben Grabber Blue und Cyber Orange. Der Rest ist schicker SUV-Standard – nicht mehr und nicht weniger.

Doch die Rechnung geht auf und selbst benzintriefende Petrolheads können sich der Faszination für diesen Ford nur schwer entziehen. Zu verführerisch ist der Kick beim Kickdown, als dass man melancholisch werden und dem V8 nachtrauern wollte. Wo sonst schließlich in einem Ford diesseits des GT kann man selbst Supersportwagen im Rückspiegel verschwinden sehen.

Allerdings hat dieser Reiz nur eine kurze Halbwertszeit – und die liegt nicht an den Akkus, die mit einer imposanten Netto-Kapazität solide 500 Kilometer Reichweite ermöglichen. Sondern auch wenn der Mach-E einen mächtigen Punch hat, nervös mit den Hufen scharrt wie ein Rennpferd beim Start und nach dem Kickdown förmlich in Vortrieb explodiert, nutzt sich der Reiz des Rasens hier schneller ab als anderswo: Da kann der künstliche V8-Sound noch so laut und schmutzig durch die Kabine wabern und es einen noch so tief in die eher weichen Sitze drücken – es bleibt das synthetische Gefühl das so vielen Stromern eigen ist, und echte Emotionen mögen so recht nicht aufkommen.

Zumal der Spaß am Ende der Geraden merklich nachlässt: Ja, der GT hat Allradantrieb und ist strammer abgestimmt. Die Lenkung ist etwas direkter und die Bremsen packen fester zu. Doch so richtig wohl fühlt sich der elektrische Reiter in Kurven trotzdem nicht. Die hohe Sitzposition und ein tendenziell etwas amerikanisches und damit nonchalantes Set-up erlauben eine Distanz zwischen Fahrer und Fahrbahn, wie sie beim Mustang nach alter Machart zuletzt nicht mehr zu spüren war. Während der über die Jahre zum ernsthaften Sportwagen wurde und an der kurzen Kandare präzise auch durch einen engen Parcours stürmt, ist der GT allen elektronischen Regelmöglichkeiten zum Trotz eher der König des Dragstrips und vor allem für die Viertelmeile gemacht. Erst wer in den Tiefen des großen Tablets auf der Mittelkonsole die unterschiedlichen Fahrmodi ausprobiert und irgendwann bei „untamed plus“ landet, kommt dem echten Mustang-Gefühl spürbar näher, wenn plötzlich die Hinterachse den Ton angibt und die elektronischen Assistenten sich merklich zurückhalten. Wenn jetzt noch jemand den Sitz um zehn Zentimter nach unten bringt und ein paar Zentner aus dem Auto nimmt, wird die Sache doch noch spannend. 

Zumindest in einem Punkt ist der neue Mustang dem alten aber voraus: Beim Alltagsnutzen: Vor allem die Hinterbänkler sitzen im Crossover natürlich besser als im klassischen Coupé, vom größeren Kofferraum und vor allem dem puristischen Frunk im Bug ganz zu schweigen. Dumm nur, dass das bei einem Sportwagen eben kaum jemanden interessiert. Genau wie Gimmicks wie das Smartphone als Türöffner oder Zündschlüssel. 

Und gemessen am klassischen Mustang hat der Mach-E noch ein Problem. Wo das Muscle-Car auch wegen seiner konkurrenzlosen Preise so erfolgreich war, ist der elektrische Reiter ein vergleichsweise teures Vergnügen. Das gilt für die mindestens 48.900 Euro teurer Standard-Version genau wie für den Mach-E: Zwar ist der Mustang-Käufer sicher nicht der durchschnittliche Ford-Kunde und bei einem Elektroauto sieht die Sache nochmal ganz anders aus. Doch auch an der Kasse nimmt der neue GT eine Spitzenposition ein – und wird mit einem Grundpreis von 73.000 Euro zum teuersten Modell im Programm der Kölner. Beinahe zumindest. Denn der Explorer ist noch einmal einen Ticken teurer. Der ist zwar nicht minder amerikanisch und genauso typisch wie der Mustang – macht aber nicht einmal halb so viel Spaß. 

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