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VW Golf GTE, eHybrid und eTSI: Avantgarde im Alltag

Zwar feiern sie in Wolfsburg den ID.3 schon als Golf einer neuen Ära und lassen keine Gelegenheit aus, ihren ersten designierten Stromer als Leuchtturm und Hoffnungsträger zu preisen. Doch schreibt VW den aktuellen Golf deshalb noch lange nicht ab. Wie auch, wenn sie erst vor ein paar Monaten die Generation Acht auf den Markt gebracht haben? Sondern im Gegenteil setzt der Dauerbrenner jetzt zum Sturm unter Strom an und will sich gegen den ID.3 mit dessen eigenen Waffen behaupten – als Elektroauto, wenn auch nur in Teilzeit.

Von Thomas Geiger

Denn wenn es den strauchelnden König der Kompakten ab September in gleich zwei Leistungsstufen als Plug-In-Hybrid gibt, dann werden dank größerer Batterie und entsprechend gewachsener Reichweite auch die allermeisten Golf-Fahrer elektrisch durch den Alltag kommen. Nur beim Preis geht die Rechnung nicht so richtig auf: Weil eHybrid und GTE in beiden Welten zu Hause sind und deshalb die doppelte Technik mitschleppen, gehören sie mit 39.781 und 41.667 Euro (D) zu den teuersten Mitgliedern der Golf-Familie und liegen zumindest nach Abzug der Förderung sogar über dem ID.3.

Da der vernünftige und vergleichsweise zurückhaltende eHybrid, dort der etwas vorlautere und lustvollere GTE als smarte und saubere Alternative zum GTI – obwohl VW die beiden Teilzeitstromer ganz unterschiedlich positioniert, nutzen sie die identische Hardware:  Hier wie dort bauen die Niedersachsen ihren 1,4-Liter-Benziner mit 150 PS sowie eine E-Maschine mit maximal 110 PS und den auf 13 kWh vergrößerten Akku ein. Nur bei der Software gibt es deutliche Unterschiede: Wo beim eHybrid die Systemleistung auf 204 PS limitiert ist, geben die Chips für den GTE bis zu 245 PS und damit genau soviel wie im GTI frei. Daraus ergibt sich zwar bei der Reichweite eine deutliche Differenz von immerhin 25 Prozent, weil dem GTE schon nach 62 und dem eHybrid erst nach 80 Kilometern der Strom ausgeht. Und entsprechend sieht es mit 1,2 oder 1,7 Litern beim Normverbrauch aus. Doch die Fahrleistungen sind eng beisammen: Von 0 auf 100 km/h 7,4 oder 6,7 Sekunden und Schluss ist bei 220 oder 225 km/h.

Warum also 2.000 Euro mehr für den GTE bezahlen und nicht den eHybrid nehmen? Weil so ein bisschen Lust und Leidenschaft auch in der neuen Zeit nicht schaden kann und der GTE zumindest auf den ersten Blick durchaus eine würdige Alternative zum GTI ist: Wie der Breitensportler aus dem Benzin-Zeitalter bekommt er die markante LED-Leiste über den gesamten Kühler und das Wabenmuster darunter, und natürlich sitzt man drinnen auf tiefer ausgeschnittenen Sesseln, die sogar das Karo-Muster des GTI übernehmen – nur dass die Designer das Grau eben mit elektrischem Blau und nicht mit einem feurigen Rot aufpeppen.

Beim Fahren allerdings ist es mit den Parallelen schnell vorbei – und zwar nicht nur, weil der GTE zwar ebenfalls mit adaptivem Fahrwerk und einem knochentrockenen Sportmodus daherkommt, ihm zum maximalen Kurvenspaß aber das Vorderachs-Differential fehlt. Sondern vor allem, weil der Antrieb trotz vielversprechender Eckdaten lange nicht so leidenschaftlich ist: Ja, der GTE ist flott bei der Sache, beschleunigt fast linear und wirkt selbst ohne den Verbrenner quicklebendig. Nicht umsonst lassen die Entwickler den Stromer schon alleine bis 140 km/h laufen. Doch es ist, als würde man auf einem E-Bike lässig in einem Trupp engagierter Rennradler mitfahren – das ist zwar lange nicht so anstrengend, aber eben auch nicht so befriedigend. Und spätestens im direkten Vergleich fällt auf, dass Motorsound zwar von Anwohnern bisweilen zurecht als überflüssiger Lärm empfunden werden mag, dass er aber – zumindest so dezent dargeboten wie im GTI – dem Fahrerlebnis durchaus dienlich ist.

Mit den beiden Plug-In-Hybriden macht VW den Wechsel in die neue Zeit zwar leicht, weil beide Autos zur Not auch über 700 Kilometer weit fahren können und weil der Akku selbst ohne Schnellladung im besten Fall in 3 Stunden und 40 Minuten voll ist. Und zugleich sichern die Niedersachsen dem Golf so vielleicht noch einmal die Führungsposition in der Familie. Doch wissen sie in Wolfsburg auch, dass sie längst nicht jedem Golf-Fahrer mit einem Stecker kommen dürfen. Weil sie trotzdem um jedes Gramm CO2 ringen müssen, gibt’s den E-Motor für den Golf auch ohne großen Pufferakku und die Benziner werden bald zu Mild-Hybriden. Die können zwar keinen Meter rein elektrisch fahren, ermöglichen aber mit ihrem elektrischen Starter-Generator zumindest längere Start-Stopp-Phasen, können mehr Bremsenergie zurückgewinnen und schieben beim Anfahren ein bisschen besser an. Das Ergebnis sind bis zu zehn Prozent weniger Alltagsverbrauch – und zwar ganz ohne Zutun des Fahrers. Kein Wunder also, dass die Technik bald zum Standard werden soll. Denn beim 1,0 eTSI mit drei Zylindern und 110 PS oder dem 1,5 eTSI-Vierzylinder mit 150 PS wird es nicht bleiben. Sondern noch im Lauf des Jahres kommt auch ein Mildhybrid mit 132 PS und bis der Rest umgestellt wird, ist es nur noch eine Frage der Zeit.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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