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WayRay Holograktor: Metaverse auf Rädern

Eine Hochhausschlucht in irgend einer Großstadt in einer gar nicht so fernen Zukunft: Während andere sich gelangweilt dem Feierabend entgegen stauen, sitzt Vitaly Ponomarev auf einer Art Gaming-Thron im Fond eines futuristischen Kleinwagens und halt die Welt um sich herum vergessen. Denn während seine Hände auf zwei integrierten Joysticks liegen, verschmelzen vor seinen Augen holographische Animationen mit der Wirklichkeit und entführen ihn in ferne Sphären. Egal in welche Richtung er schaut – überall fliegen Phantasiefiguren, die er einfangen muss, um den nächsten Level zu erreichen. Auch für seine beiden Mitfahrer in der ersten Reihe ist Langeweile ein Fremdwort – obwohl der Verkehr längst mal wieder zum Erliegen gekommen ist. Denn der eine studiert die kulinarischen Agebote der Restaurants am Wegesrand, die immer dann aufpoppen, wenn er seinen Blick auf eine entsprechende Leuchtreklame richtet, und der andere lässt sich darüber informieren, wer das entsprechende Haus gebaut hat, wie hoch dort gerade die Mieten sind und welche Aussicht man vom Penthouse hat. Nur ums Fahren kümmert sich keiner. Erstens, weil es gerade ohenehin nicht vorangeht. Und zweitens, weil der Wagen längst alleine fährt oder zumindest von einem Operator ferngesteuert wird. 

Natürlich klingt das alles noch ein bisschen nach Zukunft. Doch wenn es nach Ponomarev geht, wird dieses Szenario schon in wenigen Jahren wahr. Denn der Selfmade-Wissenschaftler aus Russland ist der Kopf des Deeptech-Unternehmens WayRay, das von der Schweiz aus die von Facebook-Chef Marc Zuckerberg berühmt gemachte Vision vom Metaverse ins Auto bringen will – und zwar eher früher als später. Während der Autopilot oder der Operator irgendwo im vernetzten Office das Steuern übernehmen, tauchen die Insassen in seiner Vision ab in holographische 3D-Animationen, die in Echtzeit über alle Fenster flimmern. Und weil dieses Konzept die Vorstellungskraft vieler konservativer Zeitgenossen übersteigt, hat er seine Technik in ein spektakuläres Showcar eingebaut, das niemand geringerer gezeichnet hat als der Chefdesigner der Sportwagenschmiede Koenigsegg

So verspielt und abgehoben dieser elektrisch angetriebene und auf eine Reichweite von mehr als 600 Kilometer ausgelegte „Holograktor“ auch sein mag, so viel Bodenhaftung hat die Technologie, um die sie herum gebaut wurde. Denn als Head-Up-Display der Zukunft soll sie schon in drei, vier Jahren in Serie gehen, stellt Ponomarev in Aussicht und rühmt zahlreiche Vorteile. Verglichen mit dem Head-Up-Display der neuen S-Klasse, aktuell wohl das Beste, was an Projektionstechnik zu bekommen ist, braucht sein System nicht einmal ein Viertel des Bauraums und passt deshalb bei nahezu jedem Fahrzeug hinter das Lenkrad. Statt nur in wenigen Metern Entfernung, schweben die Grafiken bei WayRay bei Bedarf auch viele hundert Meter vor dem Betrachter und während aktuelle Systeme nur Teile der Frontscheibe bespielen können, setzt WayRay statt des Projektors auf eine Leverkusener Spezialfolie, mit der alle Scheiben im Auto gleichzeitig zur Bühne für eine neue Erlebnisdimension werden. „Und das ganze schaffen wir zu vergleichbaren Preisen“, verspricht der Entwickler.

An Inhalten hat Ponomarev ebenfalls mehr zu bieten als alle vor ihm. Schließlich will er auch aus der Bereitstellung von Content ein Geschäft machen, und so bei Streamingdiensten, Spieleanbietern oder Werbetreibenden kassieren: Wo bislang nur Zahlen oder einfache Grafiken ins Blickfeld projiziert werden konnten, spiegelt die WayRay-Technologie deshalb künftig komplexe Animationen auf die Scheiben, die auch ohne spezielle Brille als dreidimensional wahrgenommen werden können. Sie bewegen sich analog zum Fahrzeug, werden von der Blickrichtung gesteuert und passend zur Umgebung positioniert. Der Fahrer werde damit besser über die Routenführung oder die Funktionsweise seiner Assistenzsysteme informiert, und für die Insassen könnten unterhaltsame Inhalte wie Spiele oder Reisehinweise eingeblendet werden. Selbst Werbung könne auf diese Weise ortsspezifisch angezeigt werden.

Der Mann hinter der Studie gilt in der Branche als so etwas wie der Mate Rimac des Infotainments. Denn genau wie der kroatische Elektropionier die PS-Welt gerade mit seinem Nevera aufschreckt und selbst von Giganten wie Porsche oder VW zum Entwicklungspartner geadelt wurde, will Ponomarev die Interaktion mit dem Auto revolutionieren. Und hat dabei ganz ähnliche Partner. Denn wie bei Rimac sind auch bei ihm bereits Porsche und der Hyundai-Konzern eingestiegen. Und weil Infotainment nirgendwo wichtiger ist als im fernen Osten, hat sich auch der chinesische Tech-Gigant Alibaba längst bei ihm eingekauft. 

Mit dem Geld dieser Investoren will er jetzt die letzten Hürden zur Serienreife nehmen und stellt die ersten Anwendungen bis 2025 in Aussicht. Und dabei geht es offenbar nicht allein um ein paar Premieren bei Porsche, Hyundai oder einer China-Marke. „Sondern wir haben aktuell über 40 Projekte in der Pipeline“, sagt der Russe voller Stolz. 

Dass es jetzt noch einmal vier Jahre dauert, bis die Technik auf der Straße ist, ist zwar für einen so ungeduldigen Menschen wie Ponomarev eine schwere Prüfung. Doch im Grunde spielt ihm die Zeit nur in die Hände. Denn je länger es dauert, desto besser werden die Autopiloten und desto mehr von seinen Hologrammen können die Insassen ohne Ablenkung durch leidige Nebensächlichkeiten wie das Fahren genießen. 

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