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Rolls-Royce Spectre: Gespenstische Stille

Charles Rolls hat es offenbar schon immer gewusst: „Ein Elektroauto ist absolut geräuschlos und sauber. Es gibt keine Gerüche oder Vibrationen“, hat er später seinem Compagnon Henry Royce vorgeschwärmt und den E-Motor als optimalen Antrieb für das komfortabelste Automobil der Welt ausgelobt. Doch dummerweise hat der Mitbegründer von Rolls-Royce auch erkannt, dass es dazu mehr braucht als den Antrieb selbst: „Es sollte funktionieren, sofern es feste Ladestationen gibt“, hat Rolls konstatiert und kommt zu einem ernüchternden Fazit: „Im Moment gehe ich nicht davon aus, dass es praktikabel ist – zumindest nicht für eine lange Zeit.“ 

Doch mittlerweile ist diese „lange Zeit“ ins Land gegangen, denn Rolls’ Analysen stammen aus dem Jahr 1900 – und der jüngste seiner Nachfolger nimmt ihn nun endlich beim Wort: „Wir stellen heute die Weichen für die Zukunft“, sagt Torsten Müller-Ötvös und kündigt 121 Jahre nach Rolls’ Analyse und 117 Jahre nach der Gründung des Unternehmens den ersten elektrischen Rolls-Royce an. In diesen Tagen soll die Erprobung beginnen und im letzten Quartal 2023 sollen die ersten Kunden damit auf die Reise in eine neue Zeit gehen. Und bis 2030 wollen die Briten den Verbrenner gar vollends aus ihrem Programm streichen. Ganz neu ist das Thema für die Briten freilich nicht. Schon 2011 haben sie einen Phantom zum E-Auto umgerüstet und der 103EX fünf Jahre später war von Anfang an als Elektroauto gedacht. 

Ganz im Geiste von Rolls’ Analyse gilt der E-Motor schließlich auch Müller-Ötvös als idealer Antrieb für seine Luxusliner – denn selbst der ohnehin schon flüsterleise V12-Motor klingt laut und ungehobelt verglichen mit dem Surren eines Stromers, und das sofort verfügbare Drehmoment wird die mühelose, fast geisterhafte Art, mit der selbst ein tonnenschweres Dickschiff im Smoking Fahrt aufnimmt, nur noch unterstreichen. Nicht umsonst haben die Briten für ihr erstes E-Modell den Namen „Spectre“ reserviert – ein Gespenst, von großer Macht unter allen Jenseitigen, das die Welt bewegt und gleichermaßen zwingt zum Innehalten. 

Während sie darum schon viele Worte machen in Goodwood, gibt sich die BMW-Tochter bei der Technik noch eher schmallippig und verweist lediglich auf die vor fünf Jahren beim Phantom eingeführte, eigene Architektur, die auch einen E-Antrieb tragen kann. Und wenn man nach den schemenhaften Fotos der ersten Prototypen urteilt, dürfte der Spectre ein Coupé im Stil des Wraith werden, das lediglich ein wenig windschnittiger gezeichnet wurde. Dazu zum Beispiel den Triebstrang des BMW iX in seiner stärksten Version, und schon sticht der Stromer den V12 lässig aus: Leistungen weit jenseits von 700 PS sind dann ein Kinderspiel, Tempo 250 zumindest theoretisch möglich, und weil der gemeine Rolls-Royce-Kunde gerne auch einen Helikopter oder einen Privatjet hat, verlieren Reichweiten jenseits von 400, vielleicht 500 Kilometern an Bedeutung.

Anders als sonst will Rolls-Royce den Spectre übrigens nicht im Geheimen testen, sondern das mit 2,5 Millionen Kilometern aufwändigste Erprobungsprogramm in der Geschichte der Briten ist darauf eine gewisse Publikumswirkung ausgelegt. Und weil man den gespenstischen Gleiter dabei nicht hören wird, soll man ihn zumindest sehen können, haben sich offenbar die Designer gedacht – und eine für Erlkönige ungewöhnlich auffällige Robe geschneidert.

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