Das Herz von Opel schlägt künftig elektrisch. Denn nachdem die Hessen mit den E-Versionen Corsa & Co bereits kräftig vorgeglüht haben, erreicht die Mobilitätswende in Rüsselsheim jetzt auch den Kern der Marke: Noch vor den Sommerferien fährt deshalb der Astra an die Ladesäule und Opel macht damit zu Preisen ab 45.060 Euro (D) den nächsten großen Schritt zum Vollsortimenter für die Generation E.
Der Schritt mag zwar mächtig sein, aber er ist alles andere als mutig. Denn gefangen in der Konzernstruktur des Kostenkillers Carlos Tavares bleibt der deutschen Stellantis-Tochter nur der Griff in das Teileregal der Familie und der Umbau der konventionellen Plattform. Immerhin ist der Astra Electric dabei der erste Opel, der den jüngsten Komponentensatz nutzen und deshalb mit etwas mehr Power und längerem Atem locken kann: Die Batteriekapazität steigt auf brutto 54 kW und der im Bug montierte Motor hat künftig 156 PS und 270 Nm.
Zwar wirkt der Astra damit auf dem Papier wie aus der zweiten Liga. Aber in der Praxis hat er allemal das Zeug zum Aufsteiger. Denn er fährt mit einer Normreichweite von 418 Kilometern nicht nur ähnlich weit wie viele Skateboard-Autos der Konkurrenz, sondern er fährt mit bis zu 170 km/h auch etwas schneller. Und vor allem fühlt er sich spürbar sportlicher, engagierter an: Obwohl natürlich auch der Astra mit der Batterie etwas höher steht, ist die Sitzposition nicht ganz so abgehoben und vor allem fühlt sich der Fahrer nicht so weit vom Geschehen entrückt wie in vielen reinen Elektroautos: Stattdessen greift man engagiert ins Lenkrad und spürt einen Fahrspaß den viele Stromer so nicht bieten können. Dass man dafür auch im so genannten B-Modus nicht ganz mit einem Pedal fahren kann und dass man beim Parken einmal mehr rangieren muss, lässt sich da leicht verschmerzen.
Schickt man den Astra ins ewige Duell mit seinem Wolfsburger Pendant und vergleicht ihn deshalb mit dem ID.3, kommt Opel deshalb erstmals wieder in Schlagdistanz. Denn auch wenn der VW auf einer Skateboard-Plattform steht, entsprechend geräumiger ist und wendiger, macht der Astra eine überraschend gute Figur. Wegen des geringeren Gewichts und der serienmäßigen Wärmepumpe sinkt der Verbrauch auf 14,8 kWh für 100 Kilometer und der VW kommt meinen seinen acht kWh mehr Brutto-Batteriekapazität gerade mal elf Kilometer weiter. Und während das Design natürlich eine Frage des Geschmacks ist, hat der Opel auch bei der Bedienung die Nase weit vor: Wo keine Slider, da kein Ärger – und em Ende geht eben nichts über ein paar klassische Knöpfe. Dafür allerdings mangelt es dem Opel an elektrischer Intelligenz und dem nötigen Appetit beim Laden: Die geeignete Strategie für die Langstrecke überlässt die Navigation dem Fahrer und an der Steckdose reicht die Zeit bei maximal 100 kW Ladeleistung für längere Pausen.
Und dennoch wissen die Hessen, dass sie mit dem Astra einen ordentlichen Wurf gemacht haben und erlauben sich deshalb einen selbstbewussten Preis, der stolze 5.000 Euro (D) über dem Basis-Modell des ID.3 liegt- Ja, dafür gibt’s auch mehr Finesse und die bessere Ausstattung, doch so stolz ist Opel schon lange nicht mehr ins Duell mit VW gegangen. Und einen Trumpf haben die Hessen ja noch in der Hinterhand: Als erstes Elektroauto aus deutscher Produktion gibt es den Astra im Herbst auch als Kombi – und damit dann mit 516 bis 1.553 Litern Kofferraum doch noch als Lademeister.
Nachdem sie mit Corsa, Mokka und den Nutzfahrzeugen den Anfang gemacht und mit Astra jetzt nachgelegt haben, sind die Hessen dem großen Ziel vom elektrischen Vollsortimenter wieder ein Stück näher. Denn jetzt fehlen nur noch die Geländewagen Grandland und Crossland und der Nachfolger des Insignia. Weil sie dafür keine fünf Jahre mehr brauchen, haben sie sogar noch Luft für eine elektrische Extratour – und die Konzernzentrale in Paris erlaubt ihnen als Imageträger für die Generation E einen Nachfolger für den Manta.