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Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio: Gipfelstürmer

Gipfelstürmer

Der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio

Sie ist knapp 20 Kilometer lang, hat drei Dutzend Kehren und führt auf den höchsten Gipfel der Vereinigten Arabischen Emirate: Eine viel passendere Straße als die Panoramaroute hinauf auf den 1.934 Meter hohen Jebel Jais in Dubai kann es für die Jungfernfahrt des neuen Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio kaum geben. Nicht nur, weil der Sportler unter den SUV hier seine Talente am besten ausspielen und man die in den Emiraten sonst eher strengen Verkehrsregeln hier für ein kleines Bakschisch – nun ja – etwas großzügiger auslegen kann. Und auch nicht, weil daheim am Stilfser Joch, das dem ersten SUV von Alfa Romeo seinen Namen gegeben hat, längst Wintersperre herrscht. Sondern vor allem, weil die Italiener ihr neues Top-Modell, das im Januar zu Preisen ab 89.000 Euro in den Handel kommt, als den perfekten Gipfelstürmer verstehen: Mit verführerischem Design und leidenschaftlichem Antrieb soll er Autos wie dem GLC 63 von AMG, dem BMW X4M und dem Porsche Macan ordentlich Angst einjagen.

Von Thomas Geiger
Das wichtigste Argument bei diesem Angriff auf das Lustzentrum der Vielfahrer ist der schon aus der Giulia bekannte V6-Motor, den die feinen Herren bei Ferrari für ihre bürgerliche Schwester-Marke entwickelt haben: Dank zweier mächtiger Turbos reichen ihm 2,9 Liter Hubraum für imposante 510 PS und 600 Nm, mit denen er gierig am Asphalt scharrt wie ein Rennpferd vor dem Start. Kein Wunder, dass er – im Sportmodus begleitet von einer großen italienischen Oper aus zwei mächtigen Endrohren – nur 3,8 Sekunden bis auf Tempo 100 braucht und bei Vollgas auf der Geraden 283 km/h schafft – da hat die Konkurrenz bereits die Segel gestrichen. Und er Rest der Modellfamilie auch. Nicht umsonst war bislang schon bei 280 PS Schluss.
Dazu gibt es einen Allradantrieb, wie ihn so konsequent keine andere Marke auf Fahrfreude getrimmt hat. Schließlich fährt der Stelvio QV die allermeiste Zeit als reiner Hecktriebler. Nur wenn die Traktion nachlässt und die Elektronik Schlupf befürchtet, leitet die Kupplung bis zu 50 Prozent der Kraft nach vorn. Das hält den QV zwar sicher in der Spur. Doch bis es soweit kommt, ist der Alfa der leidenschaftlichste, engagierteste und auch agilste Vertreter seiner Art – selbst wenn das Heck bisweilen fast schon zu viel Eigendynamik entwickelt und man den Wildfang manchmal etwas fester an die Zügel nehmen möchte als es bei dem viel zu dünnen Lenkrad gelingen mag. Und diese Agilität ist nicht nur eine subjektive Empfindung. Sondern Alfa hat auch objektiv beweisen, dass der Stelvio besser ums Eck geht als jedes andere SUV – nicht umsonst haben sich die Italiener bei der Entwicklung mit einer Zeit von 7:51,7 Minuten in der Eifel den Nordschleifen-Rekord für Geländewagen gesichert.
So einen guten Job Alfa beim Antrieb gemacht hat, so sehr enttäuscht der Stelvio allerdings in vielen anderen Disziplinen. Das gilt zwar nicht nur für den Quadrifoglio, sondern für die ganze Modellreihe, tut aber bei der sündhaft teuren Top-Version doppelt weh. Dass sich die Designer außen noch Zurückhaltung auferlegt haben und man den Sportler eigentlich nur an den Nüstern auf der Haube, der neuen Schürze am Heck und natürlich dem Kleeblatt auf dem Kotflügel erkennt, mag dabei noch angehen. Schließlich ist schon das Grundmodell einer der schönsten SUV im Segment und muss für mehr Sportlichkeit nicht mehr groß überzeichnet werden. Doch drinnen hat Alfa danebengegriffen und ist im Versuch, Audi zu kopieren, in die Kostenfalle getappt. Denn das Cockpit komplett leer zu räumen, sind nur dann gut aus, wenn die wenigen verbleibenden Teile um so edler sind. Und davon kann bei billigen Plastikschaltern, altbackenen Instrumenten und großen Kunststofflandschaften keine Rede sein. Selbst das Karbon sieht nach billigem Plastik aus, dabei ist es tatsächlich aus Kohlefaser, beteuern die Italiener. Immerhin sind die Sitze erste Sahne und bieten genügend halt, was nicht schlecht ist bei einem Auto, das Querkräfte aufbaut wie ein Supersportwagen und dabei auf Stelzen steht.
Und auch bei der Ausstattung gibt es ein paar eklatante Lücken in der Liste: Nur Xenon statt LED für die Scheinwerfer, keine digitalen Instrumente und bei den Assistenzsystemen kaum mehr als die Minimalanforderungen erfüllt – das ist allein ist mit dem attraktiveren Preis und der huldvollen Bewunderung für die „bella macchina“ eigentlich nicht zu rechtfertigen.
Doch wer fragt schon nach dem „Eigentlich“? Wenn einen eine derart heiße Diva aus Italien zum Tanz bittet, dann hat die Vernunft Pause und der Gasfuß übernimmt das Kommando. Und plötzlich ist das Kleeblatt auf dem Kotflügel eben nicht nur der Ausweis für einen besonders starken Motor – sondern es wird tatsächlich zu einem Symbol des Glücks. Und das erscheint einem mit jeder Kurve hinauf auf den Jebel Jais ein wenig größer.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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