Der VW Golf ist so ausgereift und perfekt, dass er schon fast fad ist. Gut, dass die Wolfsburger Generation 8 einen spektakulären Innenraum mit auf ihren Weg geben.
Text: Maximilian Barcelli
Denn der Weg einer Golf-Generation kann ja durchwegs langwierig ausfallen. Mit neun Jahren Amtszeit ist der Golf 1 der, wie man in der Politik so schön sagt (insbesondere der unsrigen), Sesselkleber unter den kompakten Wolfsburgern. Auf der anderen Seite des Spektrums befindet sich die sechste Generation: sie wurde nur vier Jahre lang gebaut und von Golf 7 – oder auch: dem ersten MQB-Golf – abgelöst. Auf eben dieser Plattform baut auch der Golf 8 auf. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten.
Eine weitere: das Exterieur-Design. Was aber echt kein Drama ist – aus zweierlei Gründen. Erstens war der Golf ja noch die der große Revoluzzer beim Design. Zwar war eine neue Generation immer als solche erkennbar, dennoch wurde sein Aussehen eher behutsam evolviert anstatt radikal revolutioniert. Und selbiges gilt auch für den Wechsel von der siebten in die achte Generation. So verändern sich die Abmessungen nur geringfügig – mit freiem Auge ist das ungefähr so sichtbar wie Pluto. Außerdem steht die C-Säule steiler. Die größten Auffrischungen gibt es bei den Leuchten, eh klar. Wobei die Verlängerung der Front-LEDs an den Seiten (oder in einem Wort: der Lidstrich) unserer Meinung nach nicht hätte sein müssen (klar, Geschmackssache). Wirkt ein wenig so, als hätte VW da noch unbedingt was Neues designen wollen, damit er dem Vorgänger ja nicht zu ähnlich sieht. Dabei ist der 7er-Golf ja eh ein fescher Kampel! Was übrigens der zweite Grund ist, warum das verwandte Design überhaupt nicht stört.
Außerdem: Oberflächlichkeiten sind sowieso out, die inneren Werte zählen – und das ist nach #bodypositivity und #Co. nicht mehr nur eine leere Floskel. Oh ja, das Interieur haben die Wolfsburger wirklich auf den Kopf gestellt. Quasi alle Knöpfe und Schalter mussten abdanken, auf der Mittelkonsole ist nur noch die Warnblinkanlage analog. Trotzdem ist der Golf 8 viel intuitiver bedienbar, als andere Fahrzeuge, die auf große Screens und wenig bis gar keine Knöpfe setzten.
Der Grund: Jede Menge berührungssensitive Oberflächen, mit denen etwa die Temperatur der Klimaanlage oder die Radio-Lautstärke verändert wird oder die direkt zu den Assistenzsystemen oder den Fahrmodi weiterleiten. In weiterer Folge können diese dann am Infotainment-Touchscreen gesteuert werden.
Den gibt es in zwei Ausführungen: Entweder 8,25- oder 10-Zoll groß. Optisch verschmilzt er mit dem digitalen Armaturendisplay. So radikal fugenlos wie das Widescreen-Cockpit von Mercedes gibt sich das Layout aber nicht. Eher erinnern Instrumenten- und Infotainment-Display an das Interieur vom 3er BMW (und zwar ziemlich stark, so bei genauerer Betrachtung). Übrigens; Mega uncoole, super altbackene analoge Armaturen gibt’s im neuen VW Golf gar nicht mehr. Bedeutet im Umkehrschluss, dass das zehn Zoll große Instrumentendisplay serienmäßig mit an Bord ist.
Ein persönlicher Wehrmutstropfen; die Wolfsburger bieten auch weiterhin keine alternativen Bedienelemente fürs Infotainmentsystem an. Erst wieder im BMW X1 gemerkt: der verfügt natürlich über einen Touchscreen, trotzdem habe ich quasi ausschließlich den iDrive-Controller benutzt – insbesondere während der Fahrt. Wobei; so ganz korrekt ist das freilich nicht. Der VW Golf 8 verfügt nämlich über eine verbesserte Sprachsteuerung. Die kann mit den Worten „Hallo Volkswagen“ aktiviert werden und versteht auch Umgangssprache. Beispiel: Auf „meinem Hintern ist kalt“ aktiviert der Golf 8 die Sitzheizung. So ganz auf dem Niveau von BMW und Mercedes ist die Sprachsteuerung zwar nicht, allerdings nur sehr knapp nicht.
Und ja, der immer wiederkehrende Vergleich mit den Premium-Marken ist berechtigt! Egal ob bei der Materialienauswahl (viel Leder, Softtouch und wertige Stoffe, wenig Hartplastik), dem Ambientenlicht (bis zu über 30 Farben), der Verarbeitung (hier gilt es den ultrafeinen Startknopf am Mitteltunnel hervorzuheben), kurzum; der gesamten Atmosphäre, die im Innenraum herrscht, steht der Golf 8 der A-Klasse oder dem 1er BMW in kaum etwas nach. Vom Audi A3 wollen wir gar nicht anfangen …
Was besonders verwundert, ist, wie fahrerorientiert das Cockpit gestaltet wurde. Hält der Golf das dieses Versprechen, das der Innenraum gibt?
Denn auch, wenn die achte Generation punkto Digitalisierung und Vernetzung (Golfs kommunizieren nun miteinander und können sich beispielsweise gegenseitig von einem heranfahrenden Einsatzfahrzeug mit Blaulicht warnen) wirklich Maßstäbe setzt, so muss sie vor allem auf der Straße abliefern – und das tut sie. Selbst auf nasser und suboptimal präparierter Fahrbahn verhält sich der Golf 8 völlig neutral, sehr präzise und schiebt verblüffend spät über die Vorderräder. Und wenn er dann einmal im Grenzbereich untersteuert, meldet er das stets an und ist niemals heimtückisch.
Außerdem ist die Lenkung direkt, wird im Sportmodus sogar richtig schwergängig (im positiven Sinne) und das Fahrwerk findet nicht nur den Kompromiss zwischen Dynamik und Komfort, sondern beherrscht beides erstaunlich gut. Lange Rede, kurzer Sinn: VW Golf 8 fahren macht Spaß. Und das, obwohl wir maximal „nur“ 150 PS, sowohl als TDI, als auch als TSI, unterm gewärmten Hintern hatten – was in Wirklichkeit eh mehr als ausreichend ist.
Grundsätzlich gibt es einstweilen nicht viel über die Motorisierungen zu erzählen. Die Triebwerke machen einen soliden Job und ziehen sauber an. Der Verbrauch ist kein Quantensprung, aber doch sehr gut (okay, zugegeben; wir sind nicht besonders ökologisch gefahren). Sowohl das 7-Gang-DSG als auch die manuelle 6-Gangschaltung überzeugen. Richtig pulsbeschleunigend werden dann Golf GTI und R. Punkto Verbrauch sollen später die Plug-in-Hybride elektrisieren und die Erdgas-Variante Gas geben. Einen E-Golf wird es ob es ID.3 natürlich nicht mehr geben.
Ach, und weil wir ja irgendetwas kritisieren müssen; als der Golf 8 bei der Testfahrt etwas forcierter bewegt wurde, auf Untersteuern Übersteuern folgte und er sich auf eine Kollision vorbereitete, zu der es natürlich nicht kam, lockerte der Wolfsburger die Gurte anschließend nicht von selbst. Zumindest nicht in den ersten zehn Sekunden, bis es dem gewürgten Fahrer zu blöd wurde und sich dieser ab- und wieder anschnallte. Einen zweiten Grund zum Nörgeln könnte uns VW auch noch liefern: die Preise wurden nämlich noch nicht verraten. Allerdings sollen sie sich an denen des Vorgängers orientieren. Also vermutlich doch nur ein Kritikpunkt – und seien wir uns ehrlich: der ist ziemlich substanzlos.