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Audi RS4 und RS5: Aufreizend statt reizend

Der eine ist der Traumwagen aller Firmenfahrer und Familienväter und der andere ein Designerstück, das zwar jedem gefällt, aber keinem mehr auffällt. Mit beinahe übertriebener Finesse und unterkühlter Perfektion zählen Audi A4 und A5 zu den vernünftigsten und wahrscheinlich besten Modellen in der Mittelklasse. Doch mit ihrer Verführungskunst ist es nicht sonderlich weit her. Das galt bislang sogar für die Sportversionen. Aber damit ist jetzt Schluss. Denn wenn die Bayern RS4 Avant und RS5 in diesen Tagen zu Preisen ab 81.400 Euro für den Kombi und 83.500 Euro (D) für Coupé und Sportback aus dem Trainingslager entlassen, dann haben Kombi, Coupé und Sportback die Leidenschaft entdeckt und gehen als heißblütige Herzensbrecher ins Rennen gegen die AMG-Modelle der Mercedes C-Klasse und die M-Versionen von BMW Dreier und Vierer.

Von Thomas Geiger

Dafür hat die Sportabteilung der Bayern vor allem kräftig am Design gefeilt und den drei Sportlern eine dicke Tube Botox unters Blech gedrückt. Die Kotflügel stehen jeweils knapp zwei Zentimeter weiter aus den Flanken und der ewige Single-Frame-Grill wird nicht nur breiter, sondern auch flacher und macht so Platz für ein paar Lüftungsschlitze am Fuß der Haube, mit denen Audi an die alten Quattro-Modelle erinnert. Dazu größere Lufteinlässe und ein neuer Diffusor – schon sehen die sonst so schnörkellosen Schönlinge plötzlich ziemlich aufreizend und provozierend aus.

Dass es innen jetzt einen größeren Bildschirm gibt, auf dem man touchen kann, wo man früher noch am MMI-Rädchen drehen musste, mag Familienväter und Dienstreisende freuen, ist dem RS-Piloten aber herzlich egal: Denn der behält besser beide Hände am Lenkrad.

Nichts geändert haben die Bayern dagegen an der Technik. Warum auch? Schon das sportliche Standard-Fahrwerk ist tadellos und mit dem optionalen Wank- und Nickausgleich wird die Fahrt noch forscher. Dann schnürt der RS ein enges Band zwischen Pilot und Piste und bietet trotzdem genügend Restkomfort für die Pampers-Fraktion, der Allradantrieb spannt ein vertrauenswürdiges Sicherheitsnetz und mindert wirkungsvoll den Reifenverschleiß, während das Sportdifferential an der Hinterachse dem Allradantrieb zur Seite steht und den Spaß in den Kurven steigert,  und die Lenkung ist so präzise, dass man der Ideallinie verblüffend nahe bleibt. Und der Antrieb ist ja auch nicht von schlechten Eltern. Ja, der C 63 hat zwei Zylinder mehr und kommt auf bestenfalls 510 PS, und dem nächsten M3/M4 und seinem neuen Reihensechszylinder werden ebenfalls mehr als 500 PS nachgesagt. Aber mal ehrlich: Mit 450 PS aus einem 2,9 Liter großen V6 ist man auch nicht gerade untermotorisiert, 600 Nm sind eine solide Bank und der Sound macht die Investition in die Bang & Olufsen-Anlage überflüssig. So kernig und kräftig, so leidenschaftlich und lustvoll tönt es selten aus Ingolstadt.

Während aus dem tiefen Bass erst ein wütendes Brüllen und dann ein heiseres Kreischen wird, beschleunigt der RS in 3,9 Sekunden auf Tempo 100 und nimmt es dabei sogar mit einem Elfer auf, Überholen wird zum Kinderspiel, wenn der Sportler mit jedem Winkelgrad mehr im rechten Fuß einen gewaltigen Satz nach vorne macht und mit läppischen 250 km/h muss sich hier auch niemand bescheiden. Sondern auf Wunsch lässt Audi den RS-Modellen auch Auslauf bis 280 km/h. die gibt’s zwar nur im RS Dynamik Paket, für das die Bayern fast schon freche 5.900 Euro verlangen. Aber erstens gibt’s dann auch die strammere Lenkung und das agilere Fahrwerk, zweitens kommt es darauf bei Preisen jenseits von 80.000 Euro ohnehin nicht mehr an, und drittens gehört die gewisse Portion Luxus und Verschwendungsgeist zu jener Unvernunft, die den Reiz der RS-Modelle ausmacht. Erbsenzähler, Kaltblütler und andere Spaßbremsen können ja bei der Großserie bleiben.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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