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Bentley Bentayga Hybrid Facelift: Das teure gute Gewissen

Natürlich gibt es bessere Autos für die Umwelt als einen Bentley Bentayga. Selbst wenn er zwei ganz dezente Hybrid-Badges an den Flanken trägt und einem großen Puffer-Akku sei dank bis zu 40 Kilometer rein elektrisch fährt. Doch weil auch Besserverdiener ein Klimagewissen haben und das in Tagen wie diesen ein bisschen Balsam vertragen kann, verkaufen die Briten ihren ersten Steckdosen-Stromer wie geschnitten Brot. Und damit das auch so bleibt, gibt’s nun ein Facelift. Wie im Frühjahr schon V8 und W12 fährt deshalb künftig auch der Hybrid mit aufgefrischtem Design und erweiterter Ausstattung vom Hof – und mit einem neuen Preis. Denn natürlich lässt sich Bentley das gute Gewissen teuer bezahlen und verlangt für den großen Sparer selbstbewusste 197.800 Euro (D). 

Zwar funkelt der Bentayga mit den neuen Scheinwerfern und Rückleuchten außen jetzt noch mehr, innen ist das Lametta jetzt noch dicker aufgetragen, die Lüfter sind neu sortiert und das Infotainment auf dem neuesten Stand der Technik. Doch unter der Haube ändert sich nichts. Es bleibt beim Doppel aus einem für Bentley eher bescheidenen V6 mit drei Litern Hubraum und 340 PS sowie einer E-Maschine von 128 PS. Dazu gibt’s einen Akku von 17,3 kWh unter dem Kofferraum, der mit Ladezeiten von 2,5 bis 6,5 Stunden nicht nur reichlich Geduld einfordert, sondern auch den eigentlich üppigen Nutzwert des Bentayga schmälert. Denn wer sich für alle Eventualitäten wappnen will, alle Ladekabel und noch ein Ersatzrad einpackt, der bringt kaum mehr einen weiteren Koffer hinter die große Klappe. 

Statt mit dem sonoren Grollen seines Zwölfzylinders erwacht der Bentayga Hybrid damit in völliger Stille zum Leben und startet seine Fahrt mit einem leisen Surren: Trotz der knapp 2,7 Tonnen hat die in der Automatik integrierte E-Maschine genügend Kraft für emissionsfreien Stadtverkehr. Und wer nur schön sachte beschleunigt, kann den E-Motor sogar auf bis zu 135 km/h ziehen, bevor sich mit einem für Bentley ungewohnt asthmatischen Sound der Verbrenner zuschaltet.

Dabei ist Sanftmut ohnehin die wichtigste Tugend bei dem Teilzeitstromer. Denn nur mit sanftem Gasfuß fährt der Wagen rein elektrisch und nur mit Zurückhaltung erzielt man eine Reichweite, die auch nur halbwegs in die Nähe der Norm kommt – zumal sich der Akku während der Fahrt nicht nachladen lässt. Klar kann auch Bentley rekuperieren und die Bremsenergie in Strom umwandeln. Aber den Benziner etwas höher drehen zu lassen, um nebenbei ein bisschen Strom zu bunkern, das haben sich die Briten verkniffen. Also fährt man langsam oder macht lange Pausen, um den Akku an der Steckdose zu laden. 

So erlebt man die bisherige Vollgas-Marke von einer ganz anderen Seite, entschleunigt wie von selbst und merkt, wie man von innen heraus mit jedem Kilometer unter Strom ein bisschen heller strahlt und sich ein bisschen besser fühlt. Nicht, dass nicht selbst die stärkste Version eines etwas kleineren SUVs, zum Beispiel ein Mercedes GLC 63 AMG unter dem Strich sparsamer und sauberer wäre als der Bentayga Hybrid. Doch diese Erkenntnis kann dem grünen Glorienschein seinen Glanz nicht nehmen. 

Zumal das flüsterleise Gleiten perfekt zu dem piekfeinen Briten passt. Schließlich wirkt kein anderes SUV aus dem VW-Konzern und auch sonst kaum ein Konkurrent derart solide und souverän wie der Bentayga. Als wären nicht nur die pfundschweren Aschenbecher, sondern das gesamte Auto aus dem Vollen gefräst, ruht der Riese förmlich in sich selbst und überträgt dieses Gefühl mit jedem Kilometer stärker auf die Insassen. Als perlten alle Widernisse der Welt einfach von einem ab, wird jede Fahrt so zu einem fast spirituellen Erlebnis. Kein Wunder, dass Bentayga-Kunden – so haben es die Marktforscher bei Bentley herausgefunden – offenbar bevorzugt im EV-Modus fahren und über 90 Prozent ihrer Strecken unter Strom zurück legen. 

Um so größer ist die Enttäuschung, wenn der Akku leer ist und man allein mit der Kraft des Verbrenners fährt. Der hat zwar mit 340 PS und 450 Nm allemal genügend Leistung, wuchtet die Fuhre in 5,5 Sekunden auf Tempo 100 und schafft mit 254 km/h den entscheidenden Tick mehr als die bürgerlichen Verwandten und die gewöhnliche Konkurrenz. Doch weder beim Sound noch in der Souveränität kommt er auch nur ansatzweise an den W12 oder wenigstens den V8 heran. Und selbst wenn man beide Motoren zusammennimmt, macht man mit einer Systemleistung von 449 PS und einem vereinten Drehmoment von 700 Nm gegen die bis zu 659 PS und 900 Nm des Zwölfzylinders keinen Stich. Deshalb darf man sich ruhig als etwas Besseres fühlen, wenn man zugunsten der Umwelt den auf dem Papier schlechteren Motor wählt. 

Zwar wissen sie wahrscheinlich in Crewe selbst am allerbesten, dass sie mit dem Plug-In gefährlich an ihren Markenwerten rütteln, weil damit vom bisher zelebrierten Überfluss zumindest unter der Haube nicht mehr viel übrigbleibt. Doch für eine Kurskorrektur und zum Beispiel die Übernahme des V8-Hybrids aus dem Stuttgarter Schwestermodell dürfte den Briten gerade schlicht die Zeit fehlen. Denn Bentley drängt mit Macht auf die Electric Avenue, will bis 2025 jedes Modell mindestens als Plug-In anbieten und kurz darauf den ersten reinen Stromer bringen.

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