„Hey BMW, erzähl mir einen Witz.“ „Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden.“ Eh klar. Scheiß Vorführeffekt.
Text: Maximilian Barcelli
Wir sitzen im neuen 1er. Also dem 1er, der erstmals auf BMW’s Frontantriebsplattform steht, so wie die biederen Tourer-Modelle, der X1 und diverse Minis. Und bis jetzt, bis zu diesem Moment, als der BMW einfach nicht verstehen wollte, waren wir trotz Frontantrieb auf Du und Du miteinander. Aber der Reihe nach.
Verlängertes Wochenende, es geht Familienfeier-bedingt in die Alpen, wo sich kurvige Landstraßen durch die Täler schlingen. Der Partner in Crime: der brandneue 1er BMW als 118d. Jetzt war es aber so, dass es sich beim freien Freitag nicht um einen – wie Bundeskanzler Sebastian Kurz sagen würde – persönlichen Feiertag handelte, sondern einen allgemeinen. Dementsprechend auch der Verkehr am Donnerstagabend. Wurscht. Kann sich wenigstens der adaptive Automat bewähren, während man sich über die Wiener Südosttangente gen Osten staut, nur um sich eine Stunde später wieder gen Süden zu stauen. Weil: Wehe dir die Freundin muss samt Gepäck in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen.
Das Assistenzsystem verzögert jedenfalls bis zum absoluten Nullpunkt und startet dann auch nach einem kurzen Gasbefehl wieder oder gar von selbst, wenn man nicht allzu lange stehen geblieben ist. Funktioniert einwandfrei. Einen ironischen Beigeschmack hat es aber schon: das einstige Nonplusultra-Fahrerauto in der Kompaktklasse chauffiert uns nun durch den Stau. Gut, für die Verkehrsbedingungen kann der Bayer nichts dafür. Und die Landstraße kommt schon noch.
Neben der Fahrassistenz greift auch die Sprachassistentin gewaltig unter die Arme. Gestensteuerung gibt’s zwar auch, aber wir sind nach wie vor der Meinung, dass die mehr witzige Spielerei denn sinnvolles Bedienelement ist. Im Gegenteil zur Sprachsteuerung: Mit „Hey BMW“ ins Leben gerufen, wählt sie Ziele für die Navigation aus, verändert die Farbe der Ambientebeleuchtung, heizt ein und erzählt hervorragende Flachwitze. Hätten Sie gewusst, was Autos am liebsten essen? Es sind Parkplätzchen. Parkplätzchen.
Jedenfalls erlaubt sich die Sprachassistentin quasi keine Fehler, das funktioniert wirklich fabelhaft. Selten, doch hie und da, versteht der Münchner aber schon was nicht. Wie eben gerade, als der Auto-Enthusiast aus der Familie die Sprachassistentin vorgeführt bekommt und der BMW es genau dieses Mal nicht begreift. Dabei hätten wir verdammt gerne gewusst, was der Türsteher zum Neutron sagt (Nur für geladene Gäste.). Na gut, kann passieren. Eine zweite Chance bekommt der Münchner schon noch. Die hat er aber gar nicht gebraucht. Denn gerade als ich zu einem zweiten Mal „Hey BMW, erzähl mir einen Witz“ ansetze, meldet sich die Sprachassistentin ungefragt zu Wort. „Ha ha. Nur ein Scherz.“ Arsch. Hat uns beinhart veräppelt. Arsch – aber ein gar nicht so unlustiger. Themenwechsel.
Fast 500 Wörter – und noch keines zum Fahrverhalten des 1er BMW. Klar ist er auf dem neusten Stand der Technik, bringt Assistenten der Ober- in die Kompaktklasse. Das tun Mercedes A-Klasse und sogar der neue VW Golf aber auch. Was den 1er immer abgehoben hat von den anderen: Fahrspaß. Und – sorry – das tut er jetzt nicht mehr. Obwohl er sicherlich zu den präzisesten Geräten im Segment gehört. Das bekommen die Münchner wirklich fein hin, diese Verbundenheit mit dem Auto. Lenkbefehle werden punktgenau ausgeführt, die Bremsen sind gut dosierbar, die 8-Gang-Automatik liest Gedanken und verwaltet die Gänge geschmeidig und als 118d mit dem selbstzündenden, 150 PS starken Vierzylinder fehlt es einem auch dank bulligen 350 NM Drehmoment an nichts – und das bei soliden Verbräuchen von um die fünf, sechs Liter.
Doch spätestens, wenn die Landstraße dann nass (oder gar verschneit) ist und der 1er nicht mehr seine stoische Ruhe bewahrt und wie auf Schienen durch die Kurven pflügt, trauert man als Freund der Fahrfreude, der Autos nicht lediglich als Statussymbol sieht, den Hinterradantrieblern nach. BMW meint: der Kunde wollte es so – und das glauben wir auch. Außerdem: so ein 118d war ja auch in der Generation zuvor kein Quertreiber vor dem Herrn. Die stärkeren Modelle hingegen schon – womit sich der Kreis wieder schließt: denn wie viele 1er gingen wohl als 125i oder gar M135i raus? Eben. Der Kunde wollte es so.
Alles in allem schmerzt Puristen zwar der Wechsel der Antriebsachse, aber für geschätzt 90 Prozent der Kunden (oder mehr) ist der neue BMW 1er das bessere Auto. Er bietet mehr Platz sowie hochmoderne Assistenz- und Infotainmentsystem. Und wer auf die hinteren Türen verzichten kann, greift einfach auf das BMW 2er Coupé zurück: das wird auch in der nächsten Generation mit Hinterradantrieb kommen! „Immerhin“ die Preispolitik gleich geblieben: Für unseren – zugegeben: vollausgestatteten – Testwagen werden 55.505 Euro fällig.