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BMW M3 und M4: Das geht Greta an die Nieren

Er ist nagelneu und trotzdem irgendwie von gestern. Denn wenn BMW in diesen Tagen zu Preisen ab 99.750 Euro die nächste Generation von M3 und M4 von der Leine lässt, ist von Elektroantrieb keine Rede, nicht mal von Mild-Hybrid oder 48 Volt-Technik, und der CO2-Ausstoß ist schon auf dem Prüfstand mehr als doppelt so hoch wie das Flottenziel der Bayern. Und trotzdem sollte man der M GmbH dankbar sein für dieses rasende Relikt aus jener seligen Zeit, in der die Freude am Fahren Grund genug war, Kraftstoff zu verbrennen. Denn so sehr diese Autos den Klimaschützern und Elektrojüngern an die Nieren gehen mögen, so zielgenau treffen sie ins Herz all jener Menschen, für die Fahren mehr ist als schiere Fortbewegung und die Überwindung lästiger Distanzen. 

Vom Design kräftig gedopt, mit weit ausgestellten Radhäusern und zwei riesigen Nüstern auf der Haube bestückt, wirken die beiden Sportler bei der ersten Ausfahrt mit wie frisch aus dem Trainingslager: Denn es ist nicht allein das Plus an Leistung, das den Unterschied macht, obwohl das Grundmodell aus dem kräftig weiterentwickelten Dreiliter-Reihensechszylinder begleitet von einem souveränen Sound und Drehzahlen weit jenseits von 6.000 Touren jetzt schon 480 PS statt bislang 460 PS schöpft und der 7.000 Euro teurere „Competition“ nun auf solide 510 PS kommt. Und es sind auch nicht 550 oder im Top-Modell sogar 650 Nm, die für einen Sprintwert von bestenfalls 3,9 Sekunden gut sind und selbst die 290 km/h des M Driver’s Package wieder zur reinen Formsache machen. Sondern die Entwickler haben dem Sportler vor allem die Sinne geschärft und ihn so noch präziser gemacht. Eine optimierte Fahrwerksgeometrie mit neuer Mischbereifung und veränderter Achskinematik, eine nachjustierte Lenkung, Bremsen mit mehr Biss und eine rundherum deutlich versteifte Karosserie lassen den Wagen mit einem solchen Tempo um den Kurs fliegen, dass man immer wieder verdutzt auf die digitalen Instrumente schaut, mit jeder Runde mehr Vertrauen in die unerschütterliche Geradlinigkeit des Kraftmeiers bekommt und sich dankbar in die Lehnen der tief ausgeschnittenen Sportsitze kuschelt. Scharf, feinfühlig, gutmütig bis ganz nah an den Grenzbereich und danach noch immer absolut berechenbar – so lässt er den Vorgänger buchstäblich alt aussehen. Und schon der galt als Maßstab für Fahrdynamik in der Mittelklasse und wurde so nicht umsonst einer der erfolgreichsten Tourenwagen der Welt.

Erst wenn man alle Systeme deaktiviert und bewusst über die Stränge schlägt, wird der M3 zur reifenmordenden Heckschleuder und geht mit qualmenden Radhäusern quer über den Kurs. Und damit das auch Amateuren am neuen Sportlenkrad mit den verlockend roten M-Knöpfen gelingt, hat BMW dafür eigens eine Trainings-App programmiert, für die den Bayern der ewige Dank aller Reifenhersteller sicher sein wird. 

Wer dagegen auf der sicheren Seite bleiben will, dem macht BMW künftig ein neues Angebot: Zum ersten Mal wird es den M3 auch mit Allradantrieb geben. Während die Bayern damit dem Vorbild von Audi und Mercedes folgen, bewahren sie an anderer Stelle ihren Eigensinn: Als letzten seiner Art gibt es für den M3 als Alternative zur Achtgang-Automatik auch künftig wieder ein Schaltgetriebe, und das ist so knackig abgestimmt, dass man bei jedem Gangwechsel das Hohelied auf die Handarbeit singt. Klar, macht die Achtgang-Automatik einen tollen Job und schaltet schneller als jeder Profi – aber selbst zum Knüppel zu greifen, ist um so befriedigender. 

Natürlich wissen sie auch bei der M GmbH, dass sie dieses Spiel nicht mehr endlos treiben können. Nicht umsonst haben ihre abgespeckten Performance-Modelle bereits Mild-Hybride und später im Jahr kommt sogar ein voll elektrischer i4 mit Vitamin M. „Solche Autos muss man sich auch leisten wollen,“ sagt Produktmanager Hagen Franke und ist froh, dass seine Firma dem Trend zumindest diesmal noch getrotzt hat. 

Aber diese Willensstärke oder – je nach Sicht der Dinge – Sturheit ist den Bayern eigen, und man kann sie an M3 und M4 schon auf den ersten Blick erkennen. Denn obwohl die Fangemeine alles andere als begeistert ist von den riesigen Nieren der jüngsten BMW-Modelle haben sie den XXL-Kühler nicht entschärft, sondern noch einmal betont – und ihn beim M3 sogar erstmals auch an die Limousine geschraubt. 

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