Big ist bei den Geländewagen noch immer beautiful. Gut, im ach so vernünftigen Europa mit seinen klimabesorgten Kfz-Kritikern, liebäugelt man höchstens mit kleinen SUVs, weil die sozial zumindest halbwegs akzeptiert sind. Doch auf den großen Märkten in Amerika und Asien können die Autos nach wie vor nicht groß genug sein. Das hat jetzt auch BMW begriffen und bringt den X7.
Von Thomas Geiger
Der X7 bezieht mit seiner Länge von 5,15 Meter gegen Erfolgsmodelle wie den Mercedes GLS oder den Range Rover Stellung. Er teilt sich seine technische Basis mit dem X5, ist allerdings 25 Zentimeter länger und mit einem Einstiegspreis von 97.550 Euro rund 20.000 Euro teurer als dieser. „Ja, wir sind nicht die ersten“, räumt Sebastian Sauerbrei aus der Entwicklung ein. „Aber dafür kommen wir jetzt mit einem Auto, das wir mit Fug und Recht als echten BMW bezeichnen können und das keine Kompromisse macht.“
Das gilt für die Konstruktion, die zwar die Architektur des neuen X5, aber kein einziges Karosserieteil des kleinen Bruders nutzt. Es gilt für das Design mit der größten Niere, die es je an einem BMW der Neuzeit gegeben hat. Und das gilt erst recht für die Abstimmung. Dabei war das nicht gerade einfach, räumt Sauerbrei ein. Denn auf der einen Seite sollte sich selbst dieser Koloss halbwegs sportlich bewegen lassen und der schwerfälligen Konkurrenz zumindest auf einer kurvigen Straße davonfahren. Zum anderen aber sollte der X7 mit Blick auf die Vielfahrer im Hauptmarkt USA auch zum komfortablen und entspannten Langstreckenauto werden. „Die Sieben im Namen ist für uns auch eine Verpflichtung“, sagt Sauerbrei und beschreibt den X7 als eine Art Luxuslimousine auf Stelzen – zumindest im Geiste eng verwandt mit dem BMW-Flaggschiff.
Ja, der X7 wiegt 2,3 Tonnen und ist alles andere als handlich. Und die Gier zum Gasgeben schlägt hier nicht ganz so durch wie bei anderen Modellen von BMW. Doch mit einem im Sportmodus vernehmlichen Knurren gibt der Koloss durchaus den Dampfhammer und stürmt auf dem Highway davon wie ein Elefant in Eile.
Während die Designer die Brücke zum 7er mit einem betont noblen Ambiente schlagen, steht Fahrwerksexperte Sauerbrei den Spagat zwischen Kurvenfeger und Kilometerfresser mit ein paar technischen Kniffen: die Hinterradlenkung lässt den Wagen handlicher und agiler wirken und verhindert bei schnellen Spurwechseln auf der Autobahn, dass den Hinterbänklern schlecht wird. Die aktive Wankstabilisierung hält den Aufbau im Lot und die an beiden Achsen montierte, adaptive Luftfederung ist mal wolkenweich und mal beinhart – je nachdem, wie es der Kunde gerne hätte. Zugleich bietet sie in fünf Niveaus acht Zentimeter Verstellweg und kann so einen Kniefall zum Aussteigen machen oder den Wagen im Gelände aufbocken. „Damit können wir abseits der Straße weiter als mit jedem anderen X-Modell“, sagt Sauerbrei stolz.
Die Sieben steht aber nicht nur für Prestige und Komfort wie in der Luxuslimousine, sondern ganz trivial auch für die Zahl der Sitzplätze. Schließlich ist der X7 das erste BMW-SUV mit dritter Reihe, die ihren Namen auch verdient. Während die immer an Bord ist und nach dem etwas mühsamen Zustieg überraschend viel Platz bietet, kann man in der Mitte zwischen zwei Einzelsitze oder einer durchgehenden Bank wählen. Egal, wie man sich entscheidet: Dabei ist immer eine voll elektrische Verstellung, wahlweise am Sitz oder an einem Bedienfeld hinter den zweigeteilten und natürlich ebenfalls voll elektrischen Heckklappen. Außerdem kann der Fahrer alle Sitze verstellen. Nur in der zweiten Reihe, wo bisweilen die wichtigsten Insassen saßen, ist man beim Verstellen auf den guten Willen der Vordermänner angewiesen.
Genügend Platz auf allen Plätzen, da muss man nur beim Kofferraum Einschränkungen hinnehmen – zumindest bei voller Bestuhlung. Dann passen hinter der geteilten Klappe nur noch magere 326 Liter. Verschwindet Reihe drei im Wagenboden sind es schon 750 Liter und wenn alle Sitze flachliegen, wird der X7 mit 2.120 Litern zum Lastenträger in Lack und Leder.
In Fahrt bringen ihn dabei zunächst drei Motoren, die alle drei Liter Hubraum und sechs Zylinder in Reih und Glied haben: Einziger Benziner ist der 40i mit 340 PS und 450 Newtonmeter, der in 6,1 Sekunden auf Tempo 100 kommt, 245 km/h erreicht und im Mittel 8,7 Liter verbraucht. Bei uns gebräuchlichste Variante wird wohl der 30d, der mit 265 PS, 620 Newtonmeter, sieben Sekunden, 227 km/h und 6,5 Litern in der Liste steht. Und wer es ernst mein mit Luxus und Leistung, der greift zum M50d, der dann schon auf 400 PS und 760 Newtonmeter kommt, die 2,3 Tonnen in 5,4 Sekunden auf Tempo 100 wuchtet, als einziger 250 km/h schafft und mit 7,0 Litern angegeben wird.
So potent und protzig der X7 auch sein mag, gehen die Bayern den Weg nicht so ganz konsequent zu Ende. Innen fehlen für den maximalen Komfort der Hinterbänkler die Executive-Seats aus dem 7er und unter der Haube hat BMW offenbar Angst vor der eigenen Courage. Denn den gründlich überarbeiteten V8 im 50i bekommen mit seinen 462 PS nur die Amerikaner, die Russen und die Chinesen. Vom Zwölfzylinder, der ein echtes Alleinstellungsmerkmal wäre, ist nicht einmal die Rede.
Während man das mit Blick auf den vornehmen Onkel Cullinan bei Rolls-Royce vielleicht noch verstehen kann, ist eine andere Lücke in der Motorpalette umso unverständlicher: Es fehlt der Plug-in-Hybrid, der erstens den negativen Beitrag zum Flottenverbrauch reduzieren könnte und gerade auf den wichtigsten Märkten in den USA und China schon fast ein „Must have“ ist.