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Dacia Sandero: Günstig, aber nicht billig

Drei Sorten Lachs bei Hofer, Jahrgangssekt bei Penny und Bio-Müsli im Lidl-Regal – genau wie die Discounter in den letzten Jahren aufgerüstet haben und zum Paradies für Smartshopper aufgestiegen sind, schüttelt jetzt auch Dacia das Image vom Billigsdorfer ab. Wenn die rumänische Renault-Tochter Mitte Januar den neuen Sandero und seinen aufgebockten Bruder Stepway in den Handel bringt, gibt es deshalb nicht nur ungewöhnlich viel Lack und Leder und erstmals bei Dacia sogar ein elektrisches Schiebedach, sondern auch überraschend viel Hightech für Assistenz und Infotainment. Doch keine Sorge: Genau wie der Lachs von Hofer oder das Bio-Müsli von Lidl bleibt auch der Sandero in der dritten Generation trotzdem ein Schnäppchen: Ein Grundpreis von 8.490 Euro (D) stempelt ihn weiterhin zu einem der günstigsten Kleinwagen im Land und lässt den Clio für mindestens 13.744  Euro (D) plötzlich ziemlich überteuert wirken. 

Das Discounter-Image schüttelt Dacia bereits mit dem Design ab. Denn außen gibt es plötzlich mehr Chrom, Konturen und Charakter, neue Bügelgriffe an den Türen, ein zeitgemäßes Schloss am Kofferraum und in den Scheinwerfern sogar LED-Technik. Und als Sandero wird er für 1.000 Euro Aufpreis und einen Grundtarif von 11.390 Euro (D) gar zum Lifestyle-Auto, das mit etwas mehr Bodenfreiheit, Unterfahrschutz und robusten Planken auf der SUV-Welle reitet. 

Auch innen sieht der Sandero nun deutlich besser aus: Ja, die Türtafeln sind aus Hartplastik, das Sitzgestell ist nur mit labberigem Stoff verkleidet und im Kofferraum sieht man bisweilen blankes Blech. Doch wo man den Sandero häufig anfasst, fühlt er sich gut an, und wo man oft hinschaut, sieht er gut aus. Nicht umsonst flimmert im Cockpit zwischen den Rundinstrumenten ein kleiner Bildschirm und daneben ein großer Touchscreen samt Integration für das in einer pfiffigen Klemme befestigte Smartphone und Rückfahrkamera mit dynamischen Hilfslinien. Selbst die Klimaregelung protokolliert ihr Wirken mit digitalen Anzeigen, wie man sie sonst von Audi kennt.

Vor allem aber punktet der Sandero neben seinem Preis mit einem üppigen Platzangebot. Leicht gewachsene Abmessungen, wenig Chichi und dünne Sitze führen bei 4,09 Metern Länge und 2,60 Metern Radstand zu üppigen Freiheiten für Schultern und Knie in beiden Reihen und der Kofferraum ist mit 328 statt bislang 310 Litern am oberen Ende der Konkurrenz – lediglich die tiefe Stufe hinter der hohen Ladekante dürfte so manch einem Kunden schwer zu schaffen machen. Als Trost gibt’s ein paar pfiffige Extras, die man eher bei Skoda erwartet hätte: Den Taschenhaken im Fußraum des Beifahrers zum Beispiel oder die Dachreling beim Sandero, die mit vier Handgriffen und einem kleinen Werkzeug zum Gepäckträger wird. 

Möglich macht den Aufstieg die enge Verwandtschaft zum Clio. Denn wo der Sandero zuletzt die alte Technik auftragen musste, wechselt er nun auf die neueste Plattform des Konzerns. Das bringt nicht nur die paar zusätzlichen Zentimeter und die moderne Elektronik im Cockpit, sondern auch ein paar zeitgemäße Assistenten von der automatischen Notbremse bis hin zum Parkhelfer mit Rückfahrkamera oder der Überwachung des Toten Winkels. Und auch auf Komfort müssen Knauser nicht mehr gänzlich verzichten: Auf Wunsch baut Dacia eine Klimaautomatik ein und zum ersten Mal sogar ein elektrisches Glasdach. Außerdem gibt es vornehme Extras wie eine Karte statt Schlüssel und eine elektrische Handbremse sowie für Schaltmuffel eine stufenlose Automatik. 

Assistenzsysteme, Komfortextras und obendrein ein deutlich aufgewertetes Design – so probt der Sandero den Aufstand und kommt dem Clio gefährlich nahe. Nur an einem Punkt bleiben die Rumänen dem Rotstift treu und sparen sich moderne Technik: Bei den Motoren. Denn wo der Clio mittlerweile dem Trend zur Elektrifizierung folgt und deshalb auch mit Hybrid-Technik angeboten wird, gibt es den Sandero ausschließlich als reinen Verbrenner: Unter der Haube steckt einzig ein 1,0 Liter großen Dreizylinder-Benziner, den Dacia in zwei Leistungsstufen anbietet: Als Sauger mit etwa 67 und als Turbo mit 91 PS. Und statt eines Diesels bieten die Rumänen noch eine bivalente Version mit Flüssiggas-Umrüstung an, die dann sogar auf 100 PS kommt und trotzdem rund zehn Prozent weniger CO2-Ausstößt. 

Das reicht für nicht viel mehr als Basis-Mobilität: Unter dem bei Dreizylinder üblichen Schnattern arbeitet sich der Sandero deshalb eher mühsam binnen bestenfalls 11,6 Sekunden auf Tempo 100 und danach weiter auf Werte zwischen 158 und 183 km/h. Einen Geschwindigkeitsrausch bekommt da keiner. Entsprechend wenig haben sich die Entwickler auf ein besonders präzises Fahrwerk fokussiert. Stattdessen unterstützt eine sehr weichgängige Lenkung das Gefühl von Handlichkeit und entspannt so das Fahren in der Stadt, während die Federung mit ihren langen Wegen sanft über Bodenwellen oder Schlaglöcher hinwegbügelt. 

Natürlich tut sich der Sandero so gleich in zwei Kategorien schwer und ist weder besonders sparsam, noch bietet er besonders viel Spaß. Doch erstens kann man sich bei so einem niedrigen Preis ein bisschen mehr Sprit locker leisten und hat dann trotzdem noch Geld für andere Vergnügungen übrig. Und zweitens nehmen die Rumänen Kritikern den Wind bald mit dem neuen Spring aus den Segeln. Denn ebenfalls noch im nächsten Jahr wird der zum ersten Stromer einer Billigmarke und erweitert so das Sortiment der Schnäppchenjäger. Denn dann gibt’s erstmals auch E-Mobilität zum Discount-Tarif.

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