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Hyundai Ioniq 5 N: Es lebe der Sport

Sie mögen extrem stark sein und bisweilen auch saumäßig schnell – aber egal ob sie ein AMG-Badge tragen oder GTX heißen – die allermeisten Elektroautos fühlen sich erschreckend steril. Denn wo nichts brummt und nichts vibriert und ja: nicht manchmal auch was stinkt, die gibt es auch keinen Charakter. Strom und Seele wollen bislang partout nicht zusammen passen. 

Doch damit will sich Albert Biermann nicht länger abfinden. Zwar weiß auch der Chef des sportlichen Hyundai Ablegers „N“, dass am Akku-Antrieb in Zukunft kein Weg vorbeiführen wird. Schließlich hat er als erster ausländischer Entwicklungschef des Konzerns auch die viel gelobte 800-Volt-Plattform E-GMP mit aus der Taufe gehoben und Modelle wie den Hyundai Ioniq 5 oder den Kia EV6 auf den Weg gebracht. Aber nur, weil sie eine Batterie haben statt eines Benzintanks, müssen seine Breitensportler nicht zu Biedermännern werden. Um das zu beweisen, hat er eigens seinen Ruhestand verschoben, seinen Vertrag verlängert und als Entwarnung für alle Vollgas-Enthusiasten die N-Division mit einem aufgebretzeltn Ioniq 5 noch schnell in die neue Zeit gehoben. Weil der jetzt dann bald fertig ist und kurz nach dem Jahreswechsel zu Schätzpreisen um die 75.000 Euro in den Handel kommt, kann Biermann künftig getrost den PS-Pensionär geben und sich aufs Fahren konzentrieren. Und wenn er das mit dem elektrischen Heißsporn tut, dann stehen ihm bewegte Zeiten ins Haus. 

Denn der Ioniq 5 N ist mit kurzfristig 650 statt bislang bestenfalls 350 PS nicht nur deutlich stärker als das Serienmodell und mit 260 statt 180 km/h entsprechend schneller. Sondern vor allem ist er viel sinnlicher als jeder andere Stromer – egal, ob die nun von bürgerlichen Konkurrenten wie VW oder MG kommen oder von Porsche. 

Dafür hat die N-Truppe nicht nur einen überraschend authentischen Motorsound komponiert, der einen durch zehn Lautsprecher vom zu Ende gegeben Benzin-Zeitalter träumen lässt – zumindest solange man nicht auf Albernheiten wie Evolution oder Supersonic wechselt. Sondern das N-Modell simuliert sogar ein achtstufiges Doppelkupplungsgetriebe – Drehzahlmesser, Schaltpaddel, Zugkraftunterbrechung, Schubbrabbeln und Begrenzer inklusive. 

Damit gibt Hyundai dem Fahrer nicht nur das Gefühl für Geschwindigkeit zurück und ein bisschen mehr Kontrolle über sein Auto. Sondern so kitzeln die Koreaner auch mehr Sinne als die meisten anderen Stromer, weil es im Bauch plötzlich wieder kribbelt und sich am Trommelfell die feinen Härchen aufstellen. Deshalb ist der Ioniq 5 N einem klassischen Hot-Hatch wie dem i30 N näher als jedem heiß gemachten E-Modell und wird so zum ersten elektrischen Enkel des seligen Golf GTI – genauso wild, genauso unkonventionell und genauso rebellisch. 

Gierig schnellt der Ioniq 5 deshalb nach vorn und zaubert dem Fahrer spätestens beim Abrufen des kurzzeitigen PS-Nachschlags jenes Grinsen ins Gesicht, das dem N-Grin-Boost seinen Namen gegeben hat. Ganz eng hält er sich an der Ideallinie und radiert so lustvoll durch die engsten Radien, dass die Ingeieure eigens die Verkehrszeichenerkennung neu programmiert haben: Kaum erkennt die Software das Warnschild für eine Schikane, aktiviert sie automatisch das sportlichste Setup und verspricht so besonders viel Spaß

Zwar bedient Hyundai damit die alten Ideale der ewig gestrigen Petrolheads. Doch verschließen sich die Koreaner nicht der Zukunft und nehmen deshalb auch die Generation Playstation mit auf die Reise – nicht umsonst kann man auf dem Touchscreen bald tiefer in die Menüs einsteigen und mehr Eigenschaften des Elektroantriebs verstellen als bei einem Rennwagen der Formel E. Wer dort nur lange genug sucht, der findet zum Beispiel das „N-Pedal“, mit dem das Heck ein laszives Eigenleben entwickelt, die nahezu flexible Verteilung der Kraft zwischen beiden Achsen oder den Drift-Mode, mit dem selbst PS-Laien perfekte Pirouetten auf den Asphalt zaubern. 

Aber natürlich beschränkt sich das Bodybuilding nicht nur auf eine besonders kräftige Konfiguration des Antriebs, ein paar fingierte Finessen aus den Tiefen der Software und einer ausgesprochen straffen Fahrwerksabstimmung sowie einer messerscharfen Lenkung. Sondern im Gegenteil hat Hyundai viel dafür getan, dass sich das N-Modell tatsächlich auf der Rennstrecke behauptet – und dort mehr als eine Hotlap schafft. Deshalb hat der Ioniq 5 die größten Bremsen, die Hyundai je verbaut, die immer dann erbarmungslos zupacken, wenn die deutlich verstärkte Rekuperationsleistung vom 0,6 statt 0,4 g nicht mehr ausreicht. Es gibt eine besondere Kühlung für den Akku, der sich nicht nur zum Laden konditionieren lässt, sondern auch für besonders flotte Runden, und es gibt ein paar neue Fahrprogramme für schnelles Qualifying mit maximalem Tempo oder für Langstreckenrennen mit entsprechend Leistungsreserven.

Damit dem Sportler nicht wie so vielen Stromern allzu schnell die Puste ausgeht, hat Hyundai sogar noch einmal bei der Batterie aufgesattelt: Statt bislang 74 hat der Akku jetzt eine Kapazität von 85 kWh und reicht auf der Straße im Normzyklus wohl immerhin noch für 450 Kilometer. Viel wichtiger ist Biermann und seinem Team allerdings auf der Rennstrecke: Zweimal die Nordschleife mit Vollgas sind machbar, so lautet das Versprechen der N-twickler. Und mehr sollte sich auch der Fahrer kaum zutrauen. Denn weil der Ioniq 5 N weder steril ist noch unterkühlt, wird einem schon nach einer Runde auf der Rennstrecke so warm, dass einem jede Pause willkommen ist. 

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