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Hyundai Ioniq 5: Knackiger Konter aus Korea

Er sieht cooler und cleaner aus als ein Audi zu seinen besten Bauhaus-Zeiten, er bietet Platz und ohne Ende und lädt so schnell wie ein Porsche Taycan – wenn Hyundai im Mai die ersten Exemplare des mindestens 39.990 Euro teuren Ioniq 5 ausliefert, dann bringen die Koreaner die Rangordnung unter den elektrischen Familienautos gehörig durcheinander und lassen selbst Neuerscheinungen wie den VW ID.4, den Skoda Enyaq oder den Audi Q4 e-tron schon wieder alt aussehen – von Telsas Model Y ganz zu schweigen. 

Dabei setzt Hyundai nicht nur auf die Strahlkraft einer neuen Submarke und auf ein ziemlich spektakuläres Design mit fast schon klassischen Formen, die kombiniert sind mit futuristischen Leuchten. Sondern vor allem auf eine neue, modulare und extra um den Elektroantrieb herum konstruierte Plattform, die eine schlagfertige Antwort ist auf den Wolfsburger MEB und die vielen Autos, die VW und seine Töchter darauf bauen wollen. Nur dass Hyundai damit bereits einen Schritt weiter ist und wie sonst nur der Porsche Taycan und Audi e-tron GT auf 800 Volt-Technik setzt. 

Dabei muss man dem Ioniq 5 auf seinen imposanten 20 Zoll-Rädern gar nicht erst unters Blech schauen, um ihn als besonderes Auto zu erkennen. Sondern viel mutiger als VW bei ihren ID-Modellen haben die Koreaner ihren ersten dezidierten Stromer vollkommen neu eingekleidet und vom neuen Gesicht über die Flanken ohne Türgriffe eine besonders cleane und coole Designsprache entwickelt. Selbst ein Tesla Model 3 sieht dagegen alt und verstaubt aus. Und obwohl er naturgemäß etwas höher aufragt und sich als Crossover geriert, fehlt ihm der robuste, aggressive und trutzige Auftritt, der den SUV so viel Kritik eingebracht hat. Nur das Kolossale hat er von e-Tron & Co übernommen. Denn so zierlich der Ioniq 5 auf Fotos erscheinen mag, so wuchtig wirkt er, wenn man ihn auf der Fahrbahn sieht. Ein Audi Q7 sieht gegen den 4,64 Meter langen und 1,89 Meter breiten Ioniq 5 fast zierlich aus. 

Auch innen geht Hyundai weiter als die meisten Konkurrenten: Dass Elektroautos geräumiger sind als konventionelle Fahrzeuge, ist nicht neu. Er recht, wenn die Koreaner den Radstand auf glatte drei Meter strecken. Und dass die Entwickler dort mehr Freiheiten bei der Materialauswahl haben, mit veganem Leder und recycelten Kunststoffen experimentieren dürfen, auch nicht. Aber dass ein Serienauto wie sonst nur Studien bis hin zu den Liegesitzen, dem topfebenen Boden und der Bildschirmgalerie und einer magnetischen Pinwand daneben eher nach Wohnzimmer aussieht als nach Wagen, das ist insbesondere in dieser Klasse relativ selten. 

Dazu gibt es jede Menge Variabilität und vor allem viel Platz: Nicht nur die Rückbank lässt sich – erstmals übrigens elektrisch – verschieben. Sondern es gibt auch eine verschiebbare Mittelkonsole zwischen den Sitzen und zu dem mit 527 Litern ohnehin schon üppigen Kofferraum auch einen Frunk mit nochmal fast 100 Litern Stauraum im Bug.

Vom Start weg bietet Hyundai den Ioniq 5 in mehreren Konfigurationen mit bis zu zwei Elektromotoren für Heck- oder Allradantrieb sowie zwei Akkus mit 58 kWh oder 72,6kWh an. Damit sind im besten Fall bis zu 485 WLTP-Kilometer möglich. Auf Wunsch gibt’s dazu noch ein Solardach, das bei gutem Wetter den Strom für bis zu 2.000 Kilometer pro Jahr beisteuert. Daraus ergeben sich Systemleistungen von bis zu 306 PS und Normreichweiten von etwa 500 Kilometern. Und auch der Fahrspaß kommt nicht zu kurz. Denn im besten Fall erreicht der elektrische Fünfer Tempo 100 schon nach 5,2 Sekunden und den Stecker ziehen die Koreaner erst bei progressiven 185 km/h. 

Das Fahren selbst ist bei Elektroautos im Allgemeinen zwar bis auf die ebenso explosive wie lautlose Beschleunigung eher unspektakulär. Aber auch da hinterlässt der Ioniq 5 zumindest mit zwei Eigenschaften einen bleibenden Eindruck: Sein Wendekreis ist für die Größe fast schon winzig, weil die Vorderräder sehr weit eingeschlagen werden können. Zusammen mit der 360 Grad-Kamera samt virtueller Auto-Projektion auf den Bildschirm wird rangieren so zum Kinderspiel. Und die Rekuperation haben die Koreaner sehr gut geregelt. Zu den üblichen Stufen, die wahlweise kilometerweites Segeln oder eine vergleichsweise starke Verzögerung auch ohne Nutzung der mechanischen Bremse erlauben, gibt es auch einen Automatik-Modus, der dem One-Pedal-Fahren erfreulich nahekommt, ohne Umsteiger aus dem Verbrenner zu erschrecken. Und wer ein ganz neues Erlebnis genießen will, der regelt die Rekuperation mit den einstigen Schaltwippen am Lenkrad und kann den Wagen so sogar per Fingerzeig zum Stehen bringen. Da bekommt der Begriff Handbremse eine ganz neue Bedeutung. 

Punkten will Hyundai auch an der Ladesäule: Der 800 Volt-Technik sei Dank lädt der Akku des Ioniq 5 an der 350-kW-Säule die Akkus in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent und zieht binnen fünf Minuten den Strom für 100 Kilometer. Und auch sonst haben die Koreaner viel Hirnschmalz für das Energiemanagement verbraten. Wo andere Fahrzeuge nur USB- und 12 Volt-Buchsen oder allenfalls mal eine 220 Volt-Dose für den Laptop haben, führt Hyundai mit dem Ioniq 5 die Vehicle-to-Load-Technologie ein: Über einen speziellen Adapter kann dann auch von außen der Akku angezapft werden. So kann der Hyundai-Fahrer vom Auto aus seinen E-Scooter laden, bei der Grillparty am Baggersee das Bier kühlen oder zur Not auch einem anderen Stromer mit leerer Batterie Starthilfe geben. 

Zwar bringt Hyundai mit dem Ioniq 5 tatsächlich die Rangfolge unter den Stromern gehörig durcheinander. Doch gilt das nicht nur für Auftritt, Antrieb und Akkus – sondern auch für den Preis. Denn mit ihrem Grundpreis von 39.990 Euro überbieten die Koreaner nicht nur Skoda deutlich, sondern sind sogar teurer als der ID.4 und liegen auf einem Level mit dem Audi Q4 e-tron. Das hat es so bislang auch noch nicht gegeben.

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