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Hyundai Tucson: Risiko? Risiko!

Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, solide Technik und ein fescher, wenngleich auch zurückhaltender Auftritt. Attribute, die den Hyundai Tucson bis dato auszeichneten. Zumindest von einem dieser hat er sich jetzt aber getrennt.

Sie ahnen es: Die Rede ist vom Auftritt. Nicht, dass der neue Hyundai Tucson nicht mehr fesch wäre. Aber zurückhaltend und unauffällig? Fehlanzeige seit Generation vier. Ein mutiger Schritt, zumindest von der heimischen Perspektive aus betrachtet. Die da wäre: Rund 4.000 neuzugelassene Modelle im Prä-Corona-Jahr 2019, gar 5.700 Modelle 2018 und immerhin noch 3.143 Stück im krisengebeutelten Jahr 2020, in dem noch dazu Generation 3 auslief.

Ja, der Hyundai Tucson ist in Österreich ein echter Bestseller, kein asiatisches Auto verkauft sich besser und in seinem Segment muss er sich nur dem VW Tiguan geschlagen geben. Während der nach seinem Facelift weiterhin gewohnt unauffällig bleibt, haut der Tucson jetzt ordentlich auf den Tisch in Sachen Design. Ein Wagnis, einen Bestseller optisch so radikal zu überarbeiten. Aber eines, das sich auszuzahlen scheint – oder zumindest den Erfolg nicht mindert: 1.711 Tucson wurden im ersten Halbjahr 2021 neuzugelassen, Marktanteil: 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Beim Tiguan sind’s 1.984 Stück.

Neben dem zurückhaltenden Design haben sich die Koreaner auch von etwas anderem getrennt: quasi allen analogen Knöpfen im Innenraum. Stattdessen: Ein 10,25 Zoll großer Touchscreen. Wer jetzt Sorge hat, dass der Tucson somit auch eine andere Tugend aufgegeben hat, nämlich intuitive Bedienbarkeit: mitnichten. Dafür spendieren die Koreaner dem SUV nämlich unter dem Screen diverse sensitive Flächen, mit denen etwa die Klimaanlage gesteuert wird oder die einem mit nur einer Berührung zu essentiellen Menüunterpunkten des Systems bringen. Umrandet ist diese gesamte Einfassung, die die sensitiven Flächen und den Screen beherbergt, von Zierleisten, die sich elegant über die Türen bis zur B-Säule ziehen.

Die Zierleisten, die die Display-Einfassung umrandet, zieht sich über die Türen bis hin zur B-Säule.

Ansonsten ist der Innenraum gut verarbeitet, die Materialienauswahl absolut solide, kurzum: Auch in diesem Punkt ist man sich treu geblieben. Klar gibt’s hier und dort auch Plastik, am ehesten störend ist dabei noch das am grundsätzlich hübsch designten Vierspeichen-Lenkrad, aber in Relation zum Preis (und zum VW Tiguan und sonstigen Mitbewerbern): Mehr als nur okay. Besonders cool sind die digitale Armaturen, was weniger mit ihnen per se zu tun hat, sondern mehr mit dem Toter-Winkel-Warner, den es ab der mittleren der drei Ausstattungslinien gibt. Der liefert beim Aktivieren des Blinkers ein Bild vom Geschehen im toten Winkel auf das Instrumentendisplay.

Statt eines klassischen Hebels gibt’s Knöpfe, um die Automatik zu bedienen.

Ein Kritikpunkt eventuell: Dass es statt einem Wählautomatikhebel lediglich Knöpfe gibt (diesmal: analog). Aber gut, das kann man getrost als Geschmackssache verbuchen. Und außerdem tröstet jene, deren Geschmack es nicht trifft, das üppige Platzangebot darüber hinweg. Und das siebengängige Doppelkupplungsgetriebe, das mit eben diesen Knöpfen bedient wird und seine Arbeit wirklich gut macht. Gekoppelt ist es in unserem Fall an einen 1,6 Liter großen Diesel-Vierzylinder.

Cooles Feature – und um längen intuitiver, als komplett digitalisierte Seitenspiegel: der Tote-Winkel-Warner.

Klar, es gibt ihn auch als Hybriden, den Tucson. Man hat sogar die Wahl zwischen Plug-in- oder normaler Hybrid. Aber so gut wie der Turbodiesel seine Arbeit macht, denken wir vorerst gar nicht darüber nach, vor allem, weil wir lange Strecken absolviert haben. Klar, die 11,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h wirken am Papier nicht gerade atemberaubend, in der Realität fehlt es einem aber selten an Leistung. Übrigens: Die 136 PS und 320 Nm wirken wahlweise nur auf die Vorderräder oder auf alle.

Vor allem aber ist der Selbstzünder im Hyundai Tucson ein genügsamer Kollege: 5,7 bis sechs Liter werden für den Allradler offiziell angegeben – zur Abwechslung mal ein halbwegs realistischer Wert. Zur Motorisierung passend gibt’s eine angenehm leichtgängige Lenkung und vor allem ein wirklich toll dämpfendes Fahrwerk. Auch in der Hinsicht also: weiterhin ein Tucson.

Ist er das auch noch in der vielleicht wichtigsten Frage – der Geldfrage? Wer den Tucson mit Allrad, 136 PS-Diesel und Automatik will, muss mindestens knapp 40.000 Euro auf der hohen Kante haben. Für die höchste Ausstattungslinie werden noch einmal 8.000 Euro fällig, viel mehr Geld kann man dann aber eh nimmer verballern, sodass auch unser Tucson unter der 50.000 Euro-Marke bleibt. Ohne Frage: Nicht wenig Geld. Allerdings kostet ein ähnlich ausgestatteter Tiguan auch nicht weniger – und der kommt ohne 5-Jahres-Garantie daher.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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