Unglaublich, aber wahr: Der Mercedes G ist genauso alt wie der WIENER. Und wird wohl auch im Jahr 2059 noch immer den (fast) teuersten Benz geben, den man sich kaufen kann.
Text: Franz J. Sauer
Die äußere Form eines Schuhkartons, dazu zwei auf die vorderen Kotflügel aufgepappte Froschaugen-Blinker, die nicht mal mehr der gute alte Käfer stylisch fand, als er in die letzte Generation ging. Vier Türen, die, wenn man sie zuhaut, auch heute noch mehr nach Müllraumtür denn nach Luxuswagen-Verschlag klingen. Vorne zwei Glubschaugen, hinten zwei Lieferwagenlamperln, immerhin neuerdings mit LED. Und fertig ist der Geländewagen für die Ewigkeit.
Als Daimler-Benz (übrigens auf Zuruf des damaligen 18 %-Aktieneigentümers Schah Reza Pahlevi, der dann bekanntlich nicht mehr an der Macht war, als das Auto letztlich rauskam) 1972 den Bau eines Geländewagens, hauptsächlich fürs Militär und Konsorten, plante, war man sicherlich nicht der Meinung, einen der beständigsten Dauerbrenner der Automobilgeschichte zu entwerfen. Die Fertigung des G materialisierte in Graz, wo Daimler auf das Allrad-Know-how von Steyr Daimler Puch setzte.
Bis 2000 gab es den G in bestimmten Exportmärkten bekanntlich auch als Puch G, was den Nationalstolz der heimischen Autoindustrie ordentlich pushte. Die Vertriebsvereinbarung lief 2000 aus, seither heißen alle G Mercedes. Dennoch kann man sich bei Steyr-Nachfolgefirma Magna auch heute noch ein entsprechendes Set Puch-Emblems zur Selbstmontage bestellen – dies nur nebenbei bemerkt.
Schon oft hörte man vom bevorstehenden Ende des Puch, Verzeihung, Mercedes G, jedes Mal brach die Kiste aus Graz zu einer neuen Runde auf, mit stetigen Weiterentwicklungen unterm Blech und unter der Haube. Seit 1999 gibt es bärenstarke AMG-Modelle, seit 2014 Überdrüber-Derivate wie den 4×4, den 6×6 oder das Maybach G 650 Landaulet mit Cabriodach hinterwärts.
Ein weiteres Mal Ende G-Lände sahen die Branchen-Cassandras für 2018 voraus, ein weiteres Mal überraschte Benz mit einer Neuauflage. Diesmal allerdings tatsächlich tiefgreifend verändert. Sogar in Breite und Länge wuchs der G an, was man mit freiem Auge von außen kaum wahrnimmt. Erst wenn man sich reinsetzt als großer Mensch, kommt man drauf, dass hier ordentlich nachgearbeitet wurde. Nichts mehr beengt hier, endlich herrscht im G jener Platz vor, den er von außen verspricht. Auch das Armaturenbrett ist endlich in der Jetztzeit angekommen, die drei Taster für die Diff-Sperren ganz genau in der Mitte sind ein liebliches Zitat an dereinst.
585 PS leistet der Mercedes-AMG G 63 nun in seiner jüngsten Ausbaustufe, und genauso sperrig wie sein Name tritt dieses Ungetüm von Auto auch auf. Der Motor klingt räudig wie böse, die Windwand, die man zwangsläufig vor sich herschiebt, hört man förmlich jaulen, wenn man schneller als mit 150 km/h in sie eintaucht. Wenigstens kein Diesel, denkt sich der umweltbewusste Geländegänger und gibt sich zu Recht verblüfft über neuerdings zumindest vertretbare Verbrauchswerte, wenn man nicht die ganze Zeit wie ein Depperter dahinbolzt.
Telematik, Entertainment, alles auf der Höhe der Zeit, auch die Sicherheitsagenden werden zeitgemäß abgehandelt. Sogar die Froschi-Blinker ducken sich in den Kotflügel, wenn Feindberührung mit Fußgängern droht.
Der WIENER widmete sich dem Phänomen G übrigens erstmals 1983 – und das gleich mit tragischem Ausgang. Bei einem 4×4-Test auf der Kitzbühler Streif kam Steyr-Puch-Testfahrer und Ex-Rallye-Staatsmeister Georg Kaufmann mit dem Puch auf einem eigentlich unspektakulären Teil der Strecke ins Rutschen und stürzte über eine Böschung ab. Der Fahrer wurde aus dem sich mehrfach überschlagenden Wagen geschleudert und war auf der Stelle tot. Mit den Helferleins des aktuellen G wäre derlei vermutlich nicht passiert. (Aus der Printausgabe WIENER W435)