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Mercedes GLE 350 de: So sparsam können 2,7 Tonnen sein

Hätte sich die E-Mobilitätsförderung echt verdient: der Mercedes GLE 350 de. Was bei so einem Mordstrumm von Auto schon seltsam klingt.

Ein schwarzer Mercedes GLE 350 de steht auf Asphalt vor blauem Himmel.

Der Abgasskandal hat für viele Verlierer gesorgt – unter anderem dem Dieselmotor selbst. Tenor seit einigen Jahren: Dreckig sei dieser, und gefährlich sowieso. Dass moderne Diesel, der Normen Euro 6d-TEMP und vor allem 6d, auch im Realbetrieb um die 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer emittieren, während man da vor wenigen Jahren noch im teils vierstellige Bereich war? Interessiert niemanden.

Ein von der Seite fotografierter, schwarzer Mercedes GLE 350 de steht auf einem Parkdeck unter teils bewölktem Himmel.
Schon ein ordentliches Schiff, das GLE Coupé.

Die Auswirkungen des – teils berechtigten, teils unberechtigten – Diesel-Bashings sowie der (drohenden) Restriktionen lassen sich an den Zulassungszahlen ablesen. Noch 2017 waren fast die Hälfte aller in Österreich neuzugelassenen Fahrzeuge Selbstzünder. 2021: 24,3 Prozent. Dass das Schade ist, zeigt das Mercedes GLE 350 de Coupé auf. Ein Diesel-Plug-in-Hybrid der Superlative.

Die Ingredienzien des Antriebsstranges: ein 136 PS starker Elektromotor, der seine Energie von einer 31,2 kWh großen Batterie bezieht. 31,2 kWh! So viel Kapazität hatten reine E-Autos noch vor wenigen Jahren. Die Reichweite: dementsprechend Benchmark. 83 bis 94 Kilometer gibt Mercedes offiziell an, real waren es bei uns im Winter um die 70. Geladen wird optional übrigens sogar mit Gleichstrom: 60 kW fließen dann maximal.

Die Typ 2-Ladebuchse eines Mercedes GLE 350 de.
Auch mit Gleichstrom lässt sich der GLE 350 de laden. Kostet aber extra.

Der Clou am 350 de ist aber der Verbrennungsmotor: Dabei handelt es sich um einen 2-Liter-Vierzylinder mit Turboaufladung, der in Kombination mit der E-Maschine für eine Systemleistung von 320 PS sorgt. Beeindruckend aber ist, wie genügsam der Turbodiesel ist. Bei leerer Batterie sind hohe, einstellige Verbräuche machbar, was ob der schieren Masse dieses Automobils einem Wunder gleicht. Der GLE 350 de wiegt als Coupé fast 2,7 Tonnen.

Der Vierzylindermotor des Mercedes GLE 350 de bei geöffneter Motorhaube.
Der Zweiliter-Turbodiesel kommt auch alleine mit den 2,7 Tonnen überraschend gut zurecht.

Nachteil des Diesels: Er wird nicht gefördert. Im konkreten Fall ist das zwar egal, weil so ein GLE 350 de mit einem Basispreis von 92.560 Euro die Förder-Obergrenze von 60.000 Euro sowieso pulverisiert. Andere Autos aus dem Hause Mercedes könnte das zukünftig hingegen schon treffen. Etwa die neue C-Klasse, die auch als Diesel-PHEV kommt.

Die Seite und das Heck eines Mercedes GLE 350 de Coupés, das auf einem Parkdeck steht.

Die restlichen finanziellen Zuckerln, die so ein Plug-in-Hybrid mit sich bringt, darf der Mercedes GLE 350 de behalten. Bei der Motorbezogenen-Versicherungssteuer etwa müssen nur die 194 Pferdchen des Verbrennungsmotors bezahlt werden. Dass mittlerweile auch der CO2-Ausstoss bei der Berechnung eine Rolle spielt, kommt dem Mercedes GLE 350 de freilich ebenso zugute. Dank des Normverbrauchs ist außerdem keine Nova zu entrichten. Das wirbelt das Brutto-Netto-Verhältnis mit den unelektrifizierten Diesel-Modellen ordentlich durcheinander.

Die Front eines Mercedes GLE 350 de Coupés, das auf einem Parkdeck steht.
„Sinnliche Klarheit“ lautet die Designphilosophie von Mercedes. Der GLE blickt aber eher so drein, als würd er uns gleich auffressen.

So kosten 300 d und 400 d Coupé netto ca. 69.700 respektive 73.200 Euro. Brutto werden 93.800 oder 102.600 Euro fällig. Der 350 de als Coupé hingegen kostet exklusive Steuern 77.100 Euro, inklusive werden die bereits erwähnten 92.560 Euro fällig. Er ist also günstiger, als der unelektrifizierte und schwächere GLE-Dieselvierzylinder. Im Gegenzug muss man ein Zehntel bei der Beschleunigung abgeben, 16 km/h bei der Spitzengeschwindigkeit und 145 Liter Kofferraumvolumen. 6,9 Sekunden von 0 auf Landstraßentempo, 210 km/h Spitzengeschwindigkeit und 510 Liter Kofferraumvolumen lassen jetzt aber auch nicht wirklich große Wünsche offen.

Für alle Modelle gilt: Der Einstiegspreis ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Unser Testwagen etwa hüpfte mit Leichtigkeit über die 100.000 Euro-Marke. Eine edle Lederausstattung beispielsweise darf man sich hierfür nicht erwarten. Keine Sorge: Auch so sind die Materialien fein, zum Einsatz kommen viel Softtouch und Kunstleder. Und auch so ist die Verarbeitung auf höchstem Niveau. Weiterhin eine echte Show: der Widescreen, der Infotainment- und Instrumentendisplay zu einer Einheit verschmelzen lässt.

Das Cockpit eines Mercedes GLE 350 de mit einem schwarzen Lederlenkrad und zwei Displays, die optisch miteinander verschmelzen.
Immer noch eine Show: der Widescreen. Angenehm: Die echten Knöpfe am Lenkrad.

Immer noch nicht optimal ist das Touchpad am Mitteltunnel, durch das die Bedienung unter anderem erfolgt. Der Dreh-Drück-Regler war da intuitiver. Gut gefällt uns wiederum, dass der Testwagen mit einem Lenkrad der alten Generation bestückt war. Da gibt’s nämlich zwar auch schon zwei Touchflächen, aber so platziert, dass man nicht ständig was versehentlich verstellt.

Der Mitteltunnel einer Mercedes GLE 350 de mit einem Touchpad, um das sich Knöpfe befinden.
Das Touchpad ist eine von vier Bedienmöglichkeiten für das Infotainmentsystem.

Ansonsten fährt sich der Mercedes GLE 350 de so, wie man es erwartet. Ein wenig behäbig, aber erstklassig komfortabel. Der Vierzylinder arbeitet angenehm zurückhaltend, zumindest, wenn man ihn nicht ständig fordert. Zum Hetzen lädt dieses Schiff aber sowieso nicht ein. Zwei zusätzliche Zylinder? Vermisst man (fast) nie.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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