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Mercedes S-Klasse Cabrio und Coupé: Savoir Vivre

Savoir Vivre im Smoking

Mercedes S-Klasse Cabrio und Coupé

Die Krawatte lässt er die meiste Zeit im Schrank, er trägt mittlerweile selbst auf der Bühne am liebsten Jeans und der oberste Knopf am Kragen ist in der Regel offen – obwohl Dieter Zetsche eines der größten Industrieunternehmen im Land führt, pflegt der Daimler-Chef einen lässigen Auftritt. Das färbt offenbar auch auf die Entwickler ab. Denn wenn Baureihenleiter Hermann-Joseph Storp als seinen letzten Job vor der Rente nun die überarbeiteten Zweitürer der S-Klasse auf die Bühne rollt, kommt er ebenfalls ohne Schlips und Kragen. Aber das passt. Schließlich macht sich selbst die Mutter aller deutschen Luxuslimousinen mittlerweile locker, lässt den verknöcherten Luxus von früher hinter sich und predigt eine neue Form vornehmen Genusses.

Von Thomas Geiger
Das gilt bereits für die Limousinen bis hin zum feudalen Maybach, aber mehr noch für Coupé und Cabrio. Und spätestens wenn zu Preisen ab 106.665 Euro im Januar erst das Coupé und im April dann für knapp 10.000 Euro mehr das Cabrio ihr großes Update bekommen, beherrschen sie das Savoir Vivre im Smoking in Reinkultur.
Dabei appelliert Mercedes vor allem an Sinn und Sinnlichkeit. Denn während sich am Auftritt der eleganten Zweitürer bis auf den Panamericana-Grill der AMG-Varianten und die OLED-Rückleuchten für alle Modelle nur wenig tut, haben die Schwaben die Ausstattung deutlich erweitert. Die Assistenzsysteme haben mehr Weitblick und kommen dem autonomen Fahren wie in der Limousine wieder ein Stückchen näher und vor allem bringt Mercedes den so genannten Energizing-Comfort nun auch in die Zweitürer: Klimaanlage, Beduftung, Massage, das jetzt in 64 Farben changierende Ambientelicht und die Musikanlage spulen damit auf Knopfdruck sechs fein orchestrierte Wellness-Programme für alle Stimmungslagen ab und lassen die Sorgen des Alltags gar vollends in weite Ferne rücken.
Mit der schnöden Welt da draußen hat man in einer S-Klasse ohnehin nicht mehr viel zu schaffen. In der Limousine nicht, im Coupé nicht und selbst im Cabrio fährt man in seiner eigenen Welt. Wenn das Dach geschlossen ist, weil Mercedes die fingerdicken Stofflagen besser gedämmt hat als manche Hersteller ihre Blechmütze. Und wenn sich die Haube binnen 20 Sekunden nach dem Druck auf dem ziemlich versteckten Verdeckschalter majestätisch in den Kofferraum gefaltet hat, auch nicht. Denn dann surren auch die Windabweiser über dem Scheibenrahmen und hinter den Rücksitzen nach oben, es glühen die Heizdrähte in den Sitzen, den Armauflagen und im neuen Lenkrad vor dem Kombiinstrument mit der jetzt durchgehenden Hochglanz-Abdeckung, der Nackenföhn legt einem einen Schal aus warmer Luft um den kühlen Hals und egal wie streng es draußen nach der Wirklichkeit riecht, fächert aus dem Flacon im Handschuhfach der Duft von Luxus, Reichtum und Erfolg und überdeckt auch den strengsten Gout der gemeinen Welt.
Doch die Freiheit ist selbst in der S-Klasse nur einen Gasstoss entfernt. Schließlich gibt es mit der Modellpflege auch ein Update für das Motorenprogramm. Aus dem 500er wird mit einem neuen V8 der 560er, der nun mit 469 PS, 700 Nm und einem Sprintwert von 4,6 die Wirkungskraft des Windschotts auf die Probe stellt. Und wer sich darauf nicht verlassen will, der nimmt am besten gleich den S 63, der jetzt mit dem famosen V8 aus dem AMG GT daherkommt und mit 612 PS und 900 Nm zum Reality Check bittet. Und selbst wenn der Sportler hier einen Smoking trägt und die S-Klasse weder ihre fünf Meter noch ihre zwei Tonnen abschütteln kann, hat das von 5,5 auf 4,0 Liter geschrumpfte Triebwerk allemal genügend Dampf, um den Fahrer aus seiner Traumwelt zu holen und ins Hier und Heute zu katapultieren. Denn wenn man in 3,5 Sekunden von 0 auf 100 fliegt und die Luxusyacht wie ein Rennboot durch die engen Radien zirkelt, dann ist man besser hellwach.
Für Knauser im Coupé hat Mercedes zur Preiskorrektur noch einen V6-Motor mit 367 PS und 500 Nm im S 450 im Angebot. Und wer so richtig auf den Putz hauen will, der bekommt als ultimative Luxus-Lösung für beide Karosserievarianten auch noch den V12 im S65. Aber der ist mit seinen 6,0 Litern Hubraum, seinem 630 PS und seinen 1000 Nm so dekadent, dass er gar nicht zu den lässigen Luxuslinern passen möchte. Und bei Preisen von 257.457 Euro für das Cabrio ist es selbst beim entspanntesten Mercedes-Kunden mit dem Laissez Faire vorbei. Wer über so viel Geld redet, der trägt doch besser Schlips und Kragen.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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