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Porsche 718 GTS 4.0: Liebesbeweis

Der Touchscreen ist klein und grafisch veraltet, die Mittelkonsole sehr analog und mit ganz vielen Knöpfen ausgestattet. Und … ist das da echt ein CD-Laufwerk?

Text: Maximilian Barcelli

Das alles ist in etwa so relevant wie der umfallende Sack Reis in China oder, sogar noch etwas irrelevanter, ein etwaiges Liebescomeback von Florian Silbereisen und Helene ­Fischer. Denn eigentlich braucht es in diesem Fahrzeug gar kein Display und auch kein Navi: Der Weg ist das Ziel. Der Mitteltunnel beherbergt so viele Knöpfe, weil ebensolche am Lenkrad, das einfach nur Lenkrad sein darf, fehlen und irgendwo ja sein müssen. Und der CD-Player? Überholt, einverstanden. Aber selbst wenn der Hersteller dieses Automobils einen Spotify-Account springen lassen und den Streamingdienst ins Infotainment integrieren würde, die Musik spielt so oder so wo anders – nämlich direkt hinter uns. Willkommen im Porsche 718 GTS 4.0.

Fokus auf das Wesentliche: An den drei Speichen des Alcantara-Lenkrads befinden sich keine Knöpfe. Der Drehzahlmesser ist, typisch Porsche, prominent in der Mitte platziert.

Die Ironie ist nicht abzustreiten: 1996 brachte Porsche den Boxster quasi als kleinen Bruder des 911ers. Das Mittelmotor-­Sportcabrio wurde schneller als Hausfrauen-Porsche abgestempelt, als ein Turbo S auf Tempo 100 geht. Dass beim letzten 718er-Generationenwechsel der Sechszylinder beschnitten wurde und nur noch vier Kolben durch ebenso viele Zylinder wandern, war auch nicht imagefördernd. Und jetzt soll es ausgerechnet ein Boxster sein, respektive die geschlossene Variante Cayman, der die Markentradi­tion stärker verkörpert als jeder andere Porsche im aktuellen Produktportfolio? Klingt schräg, ist aber so.

Wobei: Schräg klingt da eigentlich gar nix. Eher intensiv, kraftvoll, kernig. Mit einer rauchigen Note. Es tönt eben so, wie ein hub­raumstarker Sechszylinder-Boxermotor, der die Sauerstoff-­Komponente im Benzin-Luft-­Gemisch rein durch Unterdruck ansaugt und nicht gewaltsam von einem Turbolader reingeblasen bekommt, nun mal tönt. Einen solchen verbaut Porsche nun im 718er – und das nicht zum ersten Mal.

Eine der vielen Schokoladenseiten. Aus den zwei dominanten Endrohren kommt nicht nur das, warum Kinder freitags nicht mehr zur Schule gehen, sondern auch ganz viel großartiger Sound, der trotz OPF direkt unter die Haut geht.

Diese Urgewalt von Motor verrichtet seit letztem Jahr bereits in den radikaleren Cayman GT4 und Boxster Spyder ihren Dienst. Dort mit 420 PS, trimmt Porsche die Leistung im GTS 4.0 auf runde 400 PS. Damit die Modellhierarchie gewahrt wird. Auch der von der Kurbelwelle gefeierten Dreh­orgie wird früher der Garaus ­gemacht: 7.800 Maximalumdrehungen anstelle von 8.000 sind noch immer mehr als genug. Und mit den sechs Gängen jongliert man im Übrigen selbst.

Mittelkonsole und -tunnel sehen zwar ein wenig veraltet aus, das ist allerdings komplett unerheblich.

So viel zur verheißungsvollen Theorie. Die Praxis ist besser. Viel besser. Klar, man weiß schon, was auf einen zukommt, versucht zwar, unbefangen an die Sache ranzugehen, aber hey! Ein Vierliter-Sauger in einem handgerissenen Porsche 718? Das kann doch nur gut sein.

Nun, es ist nicht nur gut, es ist grandios. Die 400 Pferde peitschen den 1,4-Tonner (quasi Rollen­tausch) in 4,5 Sekunden nach vorne. Nur eine Zahl, die nichts darüber aussagt, was der Vortrieb mit deinem Dopaminhaushalt anstellt. Ein Fest für die Sinne: der groß­volumige Boxer im Nacken brüllt seine Wut über CO2-Flottengrenz­werte und Partikelfilter hochemotional über die Endrohre hinaus. Die Nadel, die die Drehzahl prominent in der Mitte der Armaturen anzeigt, schnellt hoch, immer höher und höher. Instinktiv will man schon bei 6.500 Touren schalten, doch die vollen 400 PS stehen erst 500 Umdrehungen später an, und der Begrenzer ist sogar noch ferner. Und wenn er dann doch da ist: Kein Grund, traurig zu sein. Kupplung treten und mit dem perfekt in der Hand liegenden Schaltknauf den nächsten Gang reinreißen. Die Wege zwischen diesen sind kurz, knochentrocken und unmissverständlich. Und so geht das dann munter weiter, der 718 GTS 4.0 marschiert und marschiert, erst kurz vor 300 km/h geht ihm die Puste aus. Theoretisch. Praktisch nähert man sich mit 240 km/h ­großen Schritten der ersten Kurve des Autódromo do Estoril.

Dort nämlich lässt sich das wahre Potenzial des 718 GTS 4.0 buchstäblich erfahren. Weil’s auf der Rennstrecke einfach wurscht ist, wenn du mal einen Meter über die Vorderachse schiebst. Was eh nie passiert. Der 718 GTS 4.0 pickt am Asphalt. Er tut das während der gewaltigen Verzögerung genauso wie beim Einlenken, das mit ­einer Präzision und elbischen Leichtfüßigkeit verblüfft, wie sie nur ein Auto mit kompakten Abmessungen und einem Motor, der hinter der Fahrgastzelle residiert, schafft. Trotz dem wirklich beeindruckenden Tempo überfordert der Porsche 718 GTS 4.0 seinen Fahrer niemals, bleibt berechenbar und neutral, zickt niemals herum. Was natürlich auch an der herrlich ­linearen Leistungsentfaltung des Vier-Liter-Kraftlackls liegt.

Runde für Runde wird das Grinsen breiter, der Körper kommt mit der Dopaminproduktion nicht mehr nach, und man überlegt, was denn eigentlich so eine Niere einbringt. Knapp über 100.000 Euro sind wünschenswert. Sie wäre es wohl wert.

Der 718 GTS 4.0 ist ein Liebesbeweis. Ein Liebesbeweis an die großartige Historie der Marke Porsche. An die Werte, für die sie steht. Und nicht zuletzt an die treuen Fans, die sich für Elektrolimousinen und Vierzylinder wenig er­wärmen können. Egal, ob als geschlossener Cayman oder offener Boxster, der Mittelmotor-Sportler bricht den oft tristen Alltag auf. Er bringt Farbe ins Leben – ob Rot, Grün oder Blau ist Geschmackssache. Und er schafft Momente, die einen alles Negative für einen Augenblick vergessen lassen. Motor an, Welt aus. Kompletter Reset der Systeme. Keine Gedanken mehr an den Arsch von Chef verschwenden oder an den undankbaren Nachwuchs, gegen den der faule Willi ein Workaholic ist. Keine Zukunftsangst mehr, kein wehmütiges Zurückdenken an die gute alte Zeit. Da bist nur du, diese sich lasziv schlängelnde Landstraße vor dir, der Porsche 718 GTS 4.0 – und deine Frau am Beifahrersitz, deren Kreischen vom Boxersound übertönt wird.

Porsche 718 GTS 4.0
Hubraum: 3.995 ccm
Leistung: 400 PS
Verbrauch: 10,8 Liter
Drehmoment: 420 NM / 5.000 U/min
Beschleunigung: 0–100: 4,5 s
Spitze: 293 km/h
Gewicht: 1.405 kg
Preis: ab 102.400 Euro

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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