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Porsche Taycan Cross Turismo: Stolzer Dreckskerl

Wüstensand aus Kalifornien, die Spuren geschmolzenen Schnees aus Norwegen, Schlamm aus Schottland, Watt von der holländischen Nordseeküste und jetzt noch die Salzkrusten aus dem Schwarzwald – dieser Porsche Taycan ist ein echter Dreckskerl. Doch der kaum mehr getarnte Prototyp trägt die Spuren seiner weltweiten Erprobung mit Stolz und gibt bereitwillig den Schmutzfinken unter den Stromern.

Schließlich erzählen all die Schlieren und Spritzer auf dem matten Lack jenes Marketing-Märchen von Freizeit und Abenteuer, für das Porsche dem Taycan jetzt den Cross Turismo zur Seite stellt. Um Lichtjahre eleganter und obendrein natürlich sehr viel sportlicher als elektrische SUV wie der Audi e-tron, der Mercedes EQC und vor allem das Tesla Model X, aber eben etwas praktischer und abenteuerlustiger als der gewöhnliche Taycan kommt er noch in diesem Frühjahr im den Handel. Und obwohl der Umbau gründlicher war als beim Panamera und dem Sport Turismo, verspricht Porsche, bei den Preisen Maß zu halten: Viel mehr als die 3.000 Euro beim Panamera wird der Aufpreis für den Cross Turismo deshalb wohl nicht betragen. Und wenn sie wirklich auf einen Anteil von etwa einem Drittel kommen wollen, machen sie es vielleicht sogar noch billiger. 

Dafür spendieren die Schwaben den Taycan ein markantes Trekking-Outfit: Denn anders als der Panamera bekommt der elektrische Erstling nicht nur eine steilere Kofferraumklappe, die das Heck besonders breit und knackig wirken lässt. Sondern ringsum schrauben sie dem Taycan auch noch rustikale Plastikplanken ans Blech, verbreitern die Kotflügel mit einer Kunststoffleiste, montieren einen Unterfahrschutz an Bug und Heck und packen sogar eine Reling aufs Dach. Und weil die Luftfederung bei allen Cross Turismo Standard ist, heben sie Wagen gleich auch noch um zwei Zentimeter an. 

Wer kurz vor der – digitalen – Weltpremiere im Prototypen Platz nimmt, merkt als Fahrer trotzdem keinen Unterschied. Weder spürt man die höhere Bodenfreiheit oder die erhabene Sitzposition, noch den dezent verrückten Schwerpunkt oder das etwas größere Gewicht. Erst recht nicht, wenn der Testwagen im schmutzigen Tarnkleid ein Turbo S ist, der schon im Standardbetrieb auf 625 PS kommt und bei einem Kickdown kurzfristig 761 PS mobilisiert. Und selbst wenn der Cross Turismo den schlechteren cw-Wert hat, ist die Reichweite beim obligatorischen Performance Plus Akku mit brutto 93,4 kWh noch immer mehr als ausreichend. 370 Kilometer zeigt der Bordcomputer beim Start und auf dem Prüfstand sollten es im besten Fall locker über 450 sein.

Nur eines ist tatsächlich neu: Ganz unten in Touchscreen auf der Mittelkonsole leuchtet vorlaut „Gravel“ und lockt den Porsche-Kunden als zusätzliches Farbprofil in die Pampa. Dort bringen den Taycan eine neu programmierte Traktionskontrolle und der Allradantrieb weiter, als sich die meisten Besserverdiener in unseren Breiten je wagen werden, erst recht wenn sie umweltbewegt sind und deshalb ein Elektroauto fahren. Noch abenteuerlicher wird es mit dem Offroad-Paket, das neben besonders rustikalen Plastikplanken auch noch eine weitere Niveaustufe für die Luftfederung bringt: Ein Kopfdruck genüg, dann stemmen die Blasebälge den 2,5-Tonner noch einmal drei Zentimeter nach oben und lupfen ihn so über tief ausgefahrene Feldwege, helfen im durch Schlaglöcher oder nehmen Schneewehen en Schrecken. Kein Wunder, dass der Prototyp noch den Schmutz aus aller Herren Länder trägt.

Während sich der Cross Turismo zumindest auf Asphalt für den Fahrer anfühlt wie jeder andere Taycan, merkt man den Unterschied hinten auf Anhieb. Ja, die Beinfreiheit bleibt eingeschränkt für ein Auto von fünf Metern, und trotz der Fußgaragen im Akku wird es ab Schuhgröße 43 knapp für die Hinterbänkler. Doch mit dem länger nach hinten gezogenen Dach gibt es spürbar mehr Kopffreiheit. Den größeren Scheiben sei Dank wirkt das Auto buchstäblich lichter. Und wer bei der Sitzprobe über die Schulter schaut, der erkennt einen großen, offenen Kofferraum, der auch für den Besuch bei Ikea taugt. Damit wird der Taycan als Cross Turismo nicht nur zum Abenteurer, sondern auch zu einem Alltagsauto. Nur sauber machen müsste man ihn dann halt mal.

Aber der Dampfstrahler heizt schon vor und lange wird der Cross Turismo nicht mehr vor Dreck starren. Denn nächste Woche ist die offizielle Premiere, zwar nicht im Genf, sondern stattdessen im Studio. Doch weil es auch in der digitalen Welt ein  bisschen Glanz und Gloria braucht, ist die nächste Waschanlage nicht mehr weit.

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