Gib Gas, bitte!
Die Seat CNG-Modelle
Es ist noch nicht so lange her, da wurde Erdgas und nicht Strom als Zukunft der Mobilität angepriesen. Jetzt sind jedoch alle, Hersteller wie Kunden, ganz versessen auf Elektroautos und vom Erdgas redet quasi niemand mehr. Wir haben uns die CNG-Palette von Seat gegeben, ein paar Hintergrundinfos gesammelt und fragen uns eigentlich nur noch: Warum?!Text: Jakob Stantejsky
Diese Frage stellt sich Seat offenbar ebenso, denn die Spanier knien sich zurzeit richtig in die Thematik rein. Mit Mii, Ibiza, Leon, Leon ST und ab Herbst auch Arona bietet man ganze fünf CNG (Compressed Natural Gas)-Autos an und CEO Luca de Meo gilt sowieso als großer Erdgasfreund. Wenn man mit ein paar Zahlen jongliert, erscheint einem diese Vorliebe für CNG auch absolut logisch, denn es ist deutlich billiger als Benzin und Diesel, kann zumindest teilweise vollkommen grün erzeugt werden (mit Bioabfall und Elektrolyse mit grüner Energie) und der entsprechende Antrieb stößt auch noch viel weniger Emissionen aus, im Vergleich zu den traditionellen Treibstoffen. Der richtige Knüller folgt aber erst jetzt: Denn wenn man die CO2-Emissionen eines Autos von cradle to grave berechnet – also von der Herstellung von Fahrzeug und Treibstoff über Transport, Betrieb und Verschrottung – dann ist ein CNG-Fahrzeug tatsächlich umweltschonender als ein Elektroauto. Dessen Strom kommt schließlich auch nicht aus der Steckdose und die Batterien sind sowohl in der Herstellung als auch der Entsorgung noch recht problematisch.
Der grüne Spaß kostet außerdem nicht mal die Welt, denn mit ca. 2.000 Euro Aufpreis zu einem vergleichbaren Benziner ist der Unterschied nicht dramatisch, Seat bietet noch dazu auch eine Prämie in ebenjener Höhe an, wodurch man schon ab dem ersten Meter spart. Ein Kilogramm CNG kostet in Österreich nämlich zwischen knapp 80 Cent (Tirol) und 1,13 Euro (Wien), doch wo ein Liter Benzin nur 8,8 Kilowattstunden Leistung bringt und ein Liter Diesel 10 kWh, da kauft man sich bei einem Kilo Erdgas ganze 15 kWh Leistung – für weniger Geld!
Na gut, dann ist so ein Erdgasauto eben umweltschonender und billiger im Betrieb, aber dafür lassen die Fahrleistungen doch sicher zu Wünschen übrig, oder? Kurz gesagt: Nein. Klar, zurzeit bietet Seat nur einen 90- und einen 110-PSler an, doch schon bald folgt ein neu entwickelter 130 PS-CNG-Motor, der, so sagt man uns, so gut wie gar keine Laufunterschiede zum Benziner mehr aufweist. Vorstellen kann ich mir das gut, denn sowohl der Seat Leon ST mit 110 als auch der Ibiza mit 90 Pferdchen unter der Haube haben sich im Test sehr brav geschlagen. Wunder können auch Benzinmotoren dieser Leistungsklasse jedenfalls nicht wirken und bei Drehzahlen bis 6.000 und spontanem Ansprechverhalten muss man schon verdammt genau drauf achten, um relevante Unterschiede zu erkennen. Tatsächlich ist der CNG-Antrieb sogar laufruhiger und leiser und falls die derzeit verschwindend geringen Erdgas-Absatzzahlen, die zurzeit wieder eifrig nach oben klettern, einmal ordentliche Werte erreichen, dann kommen sicher auch kräftigere Motoren auf den Markt. Alles nur eine Frage der Investitionen, die natürlich von der Nachfrage bestimmt werden.
So Mythen, wie dass man mit CNG-Fahrzeugen nicht in Garagen fahren dürfe, oder dass Erdgasautos leicht entzündlich oder explosiv wären, gehören natürlich ins Reich der Märchen. Die Tankzeit jedenfalls ist nur geringfügig höher als bei Benzin und Diesel und eine Reichweite von 1.300 Kilometern lacht sogar einen Selbstzünder mitleidig aus.
Faktisch spricht also, ganz besonders für Vielfahrer, rein gar nichts gegen Erdgas und deshalb ist es umso verwunderlicher, weshalb die Technologie sich nicht beim ersten Mal schon durchgesetzt hat. Seat gibt jetzt jedenfalls beim zweiten Angriff die Speerspitze für den VW-Konzern und will den Markt dementsprechend erobern. Letztendlich liegt die Entscheidung natürlich bei uns, den Käufern, doch angesichts der umwelttechnischen Vorteile wäre es eigentlich fahrlässig und egoistisch, CNG weiter zu ignorieren. Auch Erdgas ist natürlich nicht der alleinige Heilsbringer, doch sicher ein großer Schritt in die richtige Richtung. Strom in der Stadt, CNG für die Landstrecke – das klingt doch nach einem guten Konzept. Benzin und Diesel werden sicher auch weiterhin zum Mix dazugehören und das ist auch gut so. Denn Verteufelung bringt garantiert ebenso wenig wie blindes Vorauspreschen ohne Blick nach links und rechts.