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VW Amarok: Halbblut-Amerikaner

Leidenschaftliche Cabrios, heißblütige Sportwagen oder streng geheime Prototypen – wenn die PS-Branche zur Testfahrt nach Südafrika bittet, stehen meist ganz besondere Autos am Start. Doch diesmal hat ausgerechnet VW Nutzfahrzeuge ans Kap der Guten Hoffnung geladen und zur Jungfernfahrt ein Auto bereitgestellt, das hier sogar noch besser her passt: Den neuen Amarok. Erstens, weil Südafrika einer der größten Pick-Up-Märkte ist und zweitens, weil der Pritschenwagen auch am Südzipfel des Kontinents produziert und von hier in die großen Märkte auf der südlichen Halbkugel der Erde verschifft wird. Nicht umsonst sind von den gut 830.000 Exemplaren des Vorgängers kaum mehr als zehn Prozent in Europa gelandet. Während er in Südafrika deshalb auch schon bald zu den Händlern rollt, können deutsche Kunden den Wagen erst im neuen Jahr zu Preisen ab etwa 48.000 Euro (D) bestellen und werden ihn frühestens im Mai fahren können.

Doch das Warten dürfte sich lohnen. Und zwar nicht nur, weil der erste Wurf der Wolfsburger mittlerweile arg in die Jahre gekommen war. Sondern, weil der Amarok in jeder Hinsicht eine bessere Figur macht – als Laster und als Lifestyle-Auto: Von Stoßstange zu Stoßstange um zehn Zentimeter auf 5,37 Meter und zwischen den Achsen um 17 Zentimeter auf 3,27 Meter gestreckt, ist die Pritsche gewachsen, die Nutzlast gestiegen und die Anhängelast hat auch noch einmal zugelegt. Deshalb schultert der Wagen nun problemlos eine Euro-Palette, lässt sich bis zu 1,19 Tonnen aufbürden und kann im besten Fall 3,5 Tonnen an den Haken nehmen. 

Dass er sich auch diesseits der Laderampe sehen lassen kann, liegt am Auftritt, am Ambiente und an der Ausstattung: So gibt der Amarok zwar von außen das Raubein, wahrt aber trotz seines stattlichen Formats und der feisten Front zum Beispiel bei den filigranen Scheinwerfern eine gewisse Finesse, leistet sich bis zu 21 Zoll großer Räder und schmückt sich mit jeder Menge Accessoires und Anbauteilen. Und innen steht er aktuellen MQB-Modellen wie einem Tiguan in nichts nach. Im Gegenteil: Dass die Platzverhältnisse in der bei uns immer viertürigen Kabine viel großzügiger sind, ist natürlich kein Wunder, genauso wenig wie die bessere Übersicht so hoch oben über dem Asphalt. Und das die Lehnen hinten jetzt nicht mehr ganz so steil sind, war überfällig. Aber dass ausgerechnet ein Nutzfahrzeug der erste VW der Neuzeit mit einer eingängigen Bedienung, mit echten Tasten am Lenkrad und über dem Mitteltunnel sowie mit einem vernünftigen Touchscreen im Tablet-Style ist, dessen Software auch noch eingängig ist und reibungslos läuft – das hätte man vielleicht nicht erwartet. Und auch die zwei Dutzend Assistenzsysteme von der automatischen Abstandsregelung bis zum Stillstand bis zur 360 Grad-Kamera und den LED-Matrixleuchten sind in dieser Klasse wahrlich kein Standard.

Wobei sich VW diese Lorbeeren nicht alleine anheften darf. Denn war der erste Amarok noch eine Eigenentwicklung, haben sich die Niedersachsen diesmal mit Ford zusammengetan und ihren Pritschenwagen von deren Ranger abgeleitet: „Alleine hätten wir es nicht noch einmal geschafft,“ räumt Vertriebschef Lars Krause ein und säht ungewöhnliche Zweifel am ansonsten unerschütterlichen Selbstbewusstsein des Konzerns. Nicht, dass sie sich die Entwicklung nicht zutrauen würden. Schließlich planen sie mit dem Revival der US-Marke Scout sogar gerade einen eigenen Rivalen für Teslas Cybertruck. „Doch mit der Rendite hätten wir uns schwer getan“, räumt Krause ein. Statt alles selbst zu machen, haben die Niedersachsen deshalb nur dort etwas geändert, wo es vor Verwechslungen schützt oder dem Charakter dient. 

Deshalb teilt sich der Amarok von außen kein Blechteil außer den Türgriffen mit dem Ranger und deshalb fährt sich der große Pritschenwagen wie ein typischer VW – mit einer angenehm präzisen und schnell ansprechenden Lenkung und mit einem Fahrwerk, das für den rustikalen Aufbau, für die hohen Lasten und für die Blattfedern erstaunlich viel Komfort bietet. 

Das gilt natürlich besonders für den im Segment ziemlich konkurrenzlosen V6-Diesel, der die Rolle als Lifestyle-Laster geschickt unterstreicht und zur stilvollen Alternative für den vorlauten Raptor an der Spitze der Ranger-Palette wird. Zwar fahren einem die 600 Nm des 3,0-Liters weniger schmerzhaft in den Magen, als man das vielleicht erwarten würde. Doch ist der Amarok mit 240 PS flott unterwegs, die amerikanische Zehngang-Automatik sortiert die Gänge sauber und wer den Fuß mal ein bisschen länger stehen lässt, der traut dem Amarok locker ein Spitzentempo von runden 200 Sachen zu – selbst wenn die Spitzenmotorisierung beim Vorgänger stärker war. Alternativ gibt’s für Deutschland noch zwei Vierzylinder-Diesel mit 2,0 Litern Hubraum und 170 oder 205 PS und für den Rest der Welt noch einen 150 PS starken Einsteiger sowie in manchen Märkten einen Benziner mit 2,3 Litern Hubraum und imposanten 302 PS. 

Weil der Amarok für alles gerüstet sein will, fährt er bei uns zudem serienmäßig mit Allradantrieb und bietet in machen Versionen außerdem noch eine Geländeuntersetzung, eine Differentialsperre sowie ein paar spezielle Fahrprogramme für die üblichen Abwege – von denen es hier unten am Kap mehr als genug gibt. Einer davon führt an ein Zwischenziel, das fast schon symbolisch ist für die zweite Auflage des Amarok, den Cape Point, an dem sich der atlantische und der indische Ozean treffen. Im ferne Hannover allerdings nutzen sie dafür lieber den gebräuchlicheren Namen. Denn jetzt, wo sie die Kosten mit Ford teilen konnten und die US-Kollegen zudem noch die Produktion übernehmen, sind die Niedersachen auch für ihren Helden in Hemdsärmeln wieder buchstäblich guter Hoffnung.

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