Noch trägt dieser VW die kunterbunte Robe der Erlkönige und steht ganz unscheinbar auf einem gut verschlossenen Parkplatz im Hinterland der Costa Blanca. Doch was sich hier gute neun Monate vor dem Verkaufsstart Ende des Jahres warm läuft und den wenigen Touristen noch reichlich spanisch vorkommen mag, hat das Zeug, nicht nur die Riege der bislang etablierten Elektroautos durcheinander zu bringen, sondern auch das VW-Portfolio ordentlich aufzumischen. Denn wenn die Prototypen Mitte April parallel zur Messe in Shanghai ihre Tarnung ablegen, wird daraus der lange erwartete ID.7. Und während das elektrische Flaggschiff der Niedersachsen draußen im Markt mit seinen knapp fünf Metern eine charmante Position besetzt, weil es ähnlich groß ist wie ein Mercedes EQE oder ein Nio ET7, aber bei einem Grundpreis „deutlich unter 60.000 Euro“ lange nicht so viel kosten wird, ist die interne Positionierung um so problematischer. Schließlich wirkt ein Passat neben dem ID.7 wie blank poliertes Altmetall – selbst wenn das große Duo aus Emden in diesem Jahr sogar noch einmal neu aufgelegt wird.
Für seine Rolle als Flaggschiff ist der ID.7 dabei schon vor dem finalen Segen der Chefs gut gerüstet – so gelassen und gediegen rollt er durchs kurvige Hinterland der Küste. Er ist flott und flüsterleise und lässt sich dabei von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen. Zwar taugt er trotz seines flotten Antritts nicht zum Pulsbeschleuniger, weil Lenkung und Fahrwerk dafür auch im Sportmodus der Biss fehlen und weil es auch für Geld und gute Worte keine Hinterradlenkung gibt. Aber das wird von so einer Limousine auch niemand erwarten. Sondern stattdessen gibt der ID.7 den großen Gleiter, mit dem man entspannt bis zur Ebbe im Akku fahren möchte – und das kann in diesem Fall dauern.
Dass der ID.7 fährt wie ein Souverän, liegt zum einen am großen Format mit jetzt knapp drei Metern Radstand, an der vom Elektroantrieb und dem geringen Luftwiderstand begünstigten Stille an Bord und dem ausgefuchsten System der variablen Dämpfer, die den gut zwei Tonnen schweren Stromer auf Knopfdruck auf Samtpfoten stellen. Aber es liegt natürlich auch am neuen Motor, der kräftiger ist als alle Wolfsburger E-Maschinen vorher. Wo bislang bei 150 kW/204 PS Schluss gewesen ist, lassen sich die Kupferleitungen nun 210 kW/286 PS entlocken und der ID.7 kommt schon mit einem Motor im Heck ausgesprochen flott voran. Nicht umsonst haben die Niedersachsen das Spitzentempo von den im MEB bislang üblichen 160 auf immerhin 180 km/h angehoben. Kaum vorzustellen, wie potent irgendwann eine mögliche Allradversion mit einer zweiten Maschine im Bug würde. Spätestens da wäre dann vielleicht doch ein bisschen Nervenkitzel angebracht.
Aber VW hat nicht nur beim Antrieb nachgelegt, sondern auch beim Akku: Weil der größere Radstand auch mehr Platz für die Batterien schafft, gibt es nun neben dem 77 kWh-Block aus den anderen ID-Modellen erstmals auch eine Batterie mit einer Kapazität von 85 kWh, die für etwa 700 statt sonst rund 600 Kilometer reichen soll. Und damit das Laden da nicht zur Geduldsprobe wird, hat VW auch die Leistung an der DC-Säule von 170 auf 200 kW angehoben – und kommt so am Ende auf ganz ähnliche Standzeiten.
Fortschritte vermelden die Niedersachsen auch beim Innenleben. Da reagiert VW auf die heftige Kritik am bisherigen MEB-Cockpit und montiert serienmäßig neben dem Head-Up-Display mit AR-Technik jetzt einen auf 15 Zoll vergrößerten Touchscreen, der wie ein Tablet vor der Mittelkonsole schwebt. Und auch wenn der leidige Slider für Temperatur und Gebläse leider noch immer nicht ausgemustert wurde, bekommt er jetzt zumindest eine Beleuchtung und ist damit wenigstens nächtens nicht mehr völlig unbedienbar.
Dazu gibt es – der selige Phaeton lässt grüßen – eine neuartige Klimaanlage mit, wenn schon nicht vollständig versteckten, so doch ziemlich gut integrierten Ausströmern und einer smarten Steuerung, die auf Wunsch eine weitgehend zugfreie Belüftung ermöglicht. Und es gibt noch eine Parallele zu Ferdinand Piechs Prunkschiff – selbst wenn der Phaeton noch ein bisschen länger war und natürlich sehr viel luxuriöser, geht es im ID.7 fast so geräumig zu. Der lange Radstand, die platzsparende Skateboardarchitektur und die schlanken Sitze schaffen eine imposante Beinfreiheit. Da wird sich der neue Passat buchstäblich strecken müssen, wenn er in dieser Disziplin mithalten will.
Und wer zu dessen Ehrenrettung jetzt den Variant anführt, dem nimmt die elektrische Fraktion gleich wieder alle Illusionen. Denn auch der Kombi wird den Klassiker nicht retten. Sondern für alle, denen die gut 500 Liter Kofferraum unter dem Fließheck nicht genug sind, wird VW den ID.7 als erstes Elektroauto in dieser Liga tatsächlich auch als Lademeister im alt hergebrachten Sinne bringen.