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BMW 2er Active Tourer: Muskelvan

Er ist der Bausparvertrag unter den Anlageformen oder der Sparkassen-Lehrling unter den Schwiegersöhnen – denn kaum eine Fahrzeuggattung hat so wenig Sex-Appeal wie der Van. Kein Wunder, dass immer mehr Hersteller aus der bemannten Raumfahrt aussteigen und die Kunden bereitwillig ins SUV wechseln. Doch ausgerechnet BMW, sonst eher der Provokation anhängend als dem Pragmatismus, steht in Treue fest zum Tourer und schickt in diesem Frühjahr zu Preisen ab 36.100 Euro als einzig ernstzunehmenden Konkurrenten für die Mercedes B-Klasse einen neuen Großraum-Zweier ins Rennen. Allerdings muss auch das vielleicht untypischste Modell im BMW-Portfolio Federn lassen – und zumindest der Grand Tourer, von dem mit rund 200.000 Exemplaren nur halb so viele verkauft wurden wie von seinem kleinen Bruder, bleibt auf der Strecke. 

Um dem Spießer im BMW-Portfolio wenigstens ein bisschen Sex-Appeal zu geben, haben die Bayern den Zweier beim Generationswechsel zum Bodybuilding geschickt. Er wächst deshalb nicht nur in jeder Dimension ein paar Zentimeter und streckt sich nun auf 4,39 Meter, sondern er riskiert auch eine dicke Lippe, leistet sich eine Niere groß wie eine stolz geschwellte Brust und lässt am Heck mächtig die Muskeln spielen.

Mehr noch als außen wirkt die Image-Pflege aber innen. Denn auch wenn man höher sitzt und mehr variieren kann als in jedem anderen kompakten BMW und die Klappe zu dem zwischen 406 und 1.455 Liter großen Kofferraum sehr zur Freude der Praktiker nun serienmäßig elektrisch aufschwingt, will dieser Zweier alles sein, nur kein Rentner-Auto oder eine Familienkutsche. Deshalb flirtet er aufs heftigste mit den Digital Natives und übernimmt als erster kompakter BMW das futuristische Bedienkonzept aus dem iX.

Hinter dem Lenkrad spannt sich deshalb flach und breit eine riesige Bildschirmlandschaft, von der aus eine kunterbunte Grafikflut auf den Fahrer einströmt wie auf einem LSD-Trip. Nur gut, dass sich in den Tiefen der Menüs auch ruhigere Szenarien für konservativere Gemüter finden. Die meisten Schalter und Knöpfe sind inklusive des iDrives verschwunden und werden von Touch- und Sprachbedienung verdrängt. Und statt des Schalthebels gibt es nur noch eine kleine Wippe auf dem Mitteltunnel, der nun wie ein Bügelbrett zwischen den Sitzen zu schweben scheint und Platz macht für eine große Ablage darunter. Was dazu nur so gar nicht passen will, das ist die altbackene Kunststoffscheibe für das halbgare Head-Up-Display, die mittlerweile selbst bei sehr viel weniger anspruchsvollen Marken ausgemustert wurde. Aber für ein vollwertiges System Display hat offenbar der Bauraum nicht gereicht – oder das Budget. 

Ebenfalls mit einer kräftigen Dosis Vitamin i bittet BMW zum Powerplay an der Pampersfront. Zwar verbietet sich die Raserei in so einer Familienkutsche mit Rücksicht auf die Bezüge der Rücksitze fast von selbst. Vom etwas höheren Schwerpunkt und den Lenkeinflüssen beim Frontantrieb ganz zu schweigen. Und wäre da nicht die Förderung aus Berlin, würden wohl die meisten Kunden ohnehin zu den konventionellen und vergleichsweise vernünftigen Verbrennern greifen, von denen BMW immerhin noch vier Varianten vom Dreizylinder-Benziner mit 136 PS im 218i über den 150 PS starken Diesel im 218d bis zum Vierzylinder mit 218 PS im 223i im Programm lässt. Doch wer partout mit den Muskeln spielen will, dem verkaufen die Bayern im Sommer einen ziemlich konkurrenzlosen Plug-In-Hybriden.

Er kombiniert einen 150 PS starken Dreizylinder mit einer E-Maschine von 177 PS und kommt in der Teamwertung unter Zuhilfenahme der Boost-Funktion am linken Lenkrad-Paddel auf die gleichen 326 PS wie einst der selige M3 aus den 1990ern. Entsprechend flott geht es damit zur Sache: Begleitet von einem ziemlich künstlichen und deshalb eher albernen Synthie-Sound aus der Jukebox von Captain Future schießt der Van in 5,5 Sekunden auf Tempo 100 und verleitet auf der Landstraße zu Fahrmanövern, die Power-Papis besser erst auf dem Rückweg vom Kindergarten absolvieren. Denn so flink und behände, wie der Active Tourer durch die Kurven wirbelt, möchte man das keinem Hinterbänkler zumuten. Erst recht nicht direkt nach dem Frühstück. Dann schon lieber Vollgas auf der Autobahn, wobei dort bereits bei 205 km/h Schluss ist. Mehr als genug für einen Van, aber ziemlich ernüchternd für einen BMW von der Spitze seiner Modellreihe. 

Natürlich geht’s auch vernünftiger: Neben dem 230e verkauft BMW auch einen abgespeckten 225e, in dem der Benziner nur auf 136 und der Stromer auf 109 PS kommt, die Systemleistung bei 245 PS, der Sprintwert bei 7,0 Sekunden und das Spitzentempo bei 195 km/h liegt.

Was in beiden Fällen gleich ist, das ist der neue Akku. Er hat jetzt 14,9 kWh, liefert Strom für 90 statt 55 Kilometer und ist dank doppelter Ladeleistung trotzdem im besten Fall nach 2,5 Stunden wieder voll. Und weil er nun im Wagenboden montiert ist, reicht der Platz unter der Rückbank für einen deutlich größeren Tank, mit dem die lästigen Zwischenstopps noch seltener werden. 

Es gibt neben den sportlichen Fahrleistungen allerdings noch einen anderen Grund für den Teilzeitstomer. Weil der E-Motor nicht wie üblich im Getriebe integriert ist, sondern an der Hinterachse – fährt der Active Tourer zumindest im E-Modus wie es sich für einen BMW gehört mit Heckantrieb. Und wenn es mit vereinten Kräften vorwärtsgeht, dann hat der Zweier plötzlich Allradantrieb und wird so durch die Hintertür sogar auch noch zum SUV.

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