Zwar geht er bei jedem Einsatz zu Bruch und hat beim Happy End oft genug nicht einmal mehr Schrottwert. Doch spätestens wenn ein neuer Bond in die Kinos kommt, glänzt auch sein Aston Martin wieder wie neu. Denn neben Moneypenny, Q, und natürlich dem geschüttelten Martini zählt er zu den wenigen Konstanten im unsteten Leben des James Bond, ohne die seine Filme nur austauschbare Action-Streifen wären. Und daran hat sich seit 24 Filmen und 58 Jahren nichts geändert. Seit 1964 gehört auf diese Liste auch der Aston Martin DB5. Der hatte damals seinen ersten Auftritt in Goldfinger, fuhr seitdem in sieben weiteren Filmen mit und jagt auch jetzt wieder über die Leinwand, wenn 007 „keine Zeit zu Sterben“ hat.
Doch diesmal ist die Ausfahrt nicht auf den Film und sein Set beschränkt und man muss nicht beim britischen Geheimdienst MI5 anheuern, braucht keine Lizenz zum Töten und muss nicht Sean Connery heißen, Pierce Brosnan oder Daniel Craig, um einmal hinter das Steuer des wahrscheinlich berühmtesten Filmautos der Welt zu kommen. Sondern fast schon bescheidene vier Millionen Euro genügen, um sich dieses Privileg auch ohne Agenten- oder Kino-Karriere zu erkaufen. So viel verlangt Aston Martin für eines der 25 so genannten Continuation Cars, mit denen die Briten ihre Liaison mit 007 und das Debüt des neuen Films jetzt feiern: Binnen 4.500 Stunden von Hand gefertigt und mit allem bestückt, was Bonds Waffenmeister Q dem Sportwagen an Gimmicks für den Kampf gegen Gerd Fröbe alias Auric Goldfinger mit auf den Weg gegeben hat, sollen sie demnächst die illustren Sammlungen betuchter Kunden krönen. An Bord hat das Coupé alles, was ein echtes Bond Car ausmacht, sagt Paul Spires, der als Leiter der Abteilung Aston Martin Works für die Auto-Afficionados so etwas ist wie Q für Bond: Einer, der das Unmögliche möglich macht und dabei mit seinen Aufgaben wächst.
Mit diebischer Freude haben er und sein Team deshalb wochenlang getüftelt, wie sie einen Nebelwerfer in den Kofferraum gepackt bekommen, wie zwei Maschinengewehr-Attrappen hinter die vorderen Blinker passen und wie auf Knopfdruck das kugelsichere Schutzschild aus dem Heck fahren könnte. Und zwar nicht nur einmal wie im Kino, sondern immer und immer wieder. Dazu gibt’s vorne und hinten die beiden Rammböcke, die aus der Stoßstange ausfahren und drinnen ein frühzeitliches Autotelefon, den Radarschirm zur Positionsbestimmung sowie den legendären Schleudersitz, mit dem Bond einen ungeliebten Beifahrer nach draußen katapultiert – wenngleich der anders als all die anderen Gadgets nur eine Illusion ist. Zwar haben die Briten tatsächlich eine Luke ins Dach geschnitten und im spindeldürren Schaltknauf den Auslöser integriert. Doch so lange man auch auf den roten Knopf drückt, wird man leidige Passagiere partout nicht los.
Dafür hat das Continuation Car sogar ein Gadget, auf das Bond noch verzichten musste: Weil Spires weiß, dass die stolzen Besitzer die ganzen Gimmicks wahrscheinlich hundertfach vorführen müssen, hat er für sie eine Fernbedienung gebaut. Stilecht in Leder gehüllt und nur mit einem Schlüssel zu starten, aktiviert das kleine Kästchen die ganzen Gadgets auch von der Tafelrunde aus und macht den DB5 so gar vollends zum wohl größten, vor allem aber teuersten Spielzeugauto der Welt. Nur eines hat Spires nicht geschafft: die Straßenzulassung bleibt dem DB5 verwehrt. Und dass, obwohl gleich drei Kennzeichen in seinen Stoßstangen rotieren – eines aus Großbritannien, eines aus der Schweiz und eines aus Frankreich.
Aber 007 wäre nicht 007, wenn er sich um Regularien scheren würde. Bevor die Autos vermutlich auf Nimmerwiedersehen in klimatisieren Garagen verschwinden, entlässt Spires deshalb einen Prototypen ins echte Leben und bittet zu einer kurzen Ausfahrt. Schließlich hat er auf die Fahrzeugtechnik mindestens genauso viel Mühe verwandt wie auf die Filmausstattung. Rahmen und Karosserie wurden mit neuen Methoden nach alten Plänen gefertigt, die Innenausstattung haben die gleichen Sattler genäht, die auch die Oldtimer der Kunden restaurieren, und um den vier Liter großen Reihensechszylinder nachzubauen, haben sie sogar ein Original in den Computertomographen geschoben und aus dem Scan die Daten für einen neuen Guss generiert. Einzig das Fünfganggetriebe wurde nicht von Hand gefertigt, sondern kommt von ZF aus Friedrichshafen.
Die Testfahrt beginnt im Stoke Park vor den Toren Londons, wo Bond und Auric Goldfinger noch höflich gegeneinander Golf gespielt haben. Nur kurz fällt der Blick auf das ehrwürdige Haupthaus und die weißen Marmorstatuen, von denen Goldfingers Butler Oddjob eine mit der stählernen Krempe seines Hutes enthauptet hat, dann heftet er sich an das leidenschaftlich geformte Blech eines der schönsten Sportwagen aller Zeiten, folgt der langen Motorhaube, schweift über das Dach und bleibt hängen am Türgriff, der sich auf sanften Druck öffnet. Beim Einsteigen sieht man im Spiegel die Mechaniker und man meint das gleichen Flehen auf ihren Lippen lesen zu können, das Q auch immer für Bond hatte. „Bringen sie ihn heil zurück!“
Dann meldet sich der Motor, die Speichenräder knirschen im weißen Kies und langsam wird die filmische Fiktion zur Wirklichkeit: Das Bond-Auto fährt nicht nur auf der Leinwand, sondern auch im richtigen Leben. Und wie! Als fabrikneuer Oldtimer besser im Schuss als jedes Original, sind es allein der Respekt vor den Wochen der Handarbeit und dem Wert des Wagens, die den Fahrer zur Zurückhaltung zwingen. Am Motor mit seinen knapp 300 PS jedenfalls liegt es nicht und auch nicht am erstaunlich souveränen Fahrwerk und den Bremsen, die für ein Auto dieser Zeit ziemlich kräftig zubeißen. Ein beherzter Tritt genügt deshalb, dann lässt der Sechszylinder unter dem Alu-Smoking die Muskeln spielen, beschleunigt in gut sieben Sekunden auf Tempo 100 und fährt mit knapp 230 Sachen der Konkurrenz von einst wieder davon.
Zwar hat auch der berühmteste Aston Martin der Welt keine Lizenz zum Rasen. Doch Angst vor der Polizei muss man bei dieser Testfahrt wohl keine haben. Denn welcher Bobby würde sich schon mit James Bond anlegen? Und falls es sich doch einer wagen sollte, ist das Drehbuch für diese Verfolgungsfahrt längst geschrieben. Das Ende allerdings wird sich von dem in allen Bond-Filmen wahrscheinlich gravierend unterscheiden: Während der DB5 auf der Leinwand auch in „Keine Zeit zum Sterben“ wieder arg in Mitleidenschaft gezogen wird, werden die Besitzer ihn im echten Leben wie ihren Augapfel hüten. Denn bei einem Preis von vier Millionen Euro ist selbst die brenzligste Situation „Keine Zeit zum Schrotten“.