Seit Jahren läuft Audi dem Vorsprung durch Technik hinterher und sieht von Mercedes und BMW nur noch die Rücklichter. Während andere über die Zeit der Transformation stöhnen und eher widerwillig auf die Electric Avenue abbiegen, macht Audi aus der Not eine Tugend. Denn jetzt werden die Karten neu gemischt und die Bayern wittern Morgenluft: Mit einer breit aufgestellten Elektro-Offensive für mehr als 30 Modelle mit Stecker bis 2025 wollen sie endlich wieder vorne mitmischen.
Von Thomas Geiger
Der Ende letzten Jahres lancierte e-tron ist dabei nur das Vorspiel – selbst wenn er in diesem Winter als Sportback noch einen schrägen Ableger bekommt. Und der e-tron GT als bayrische Spielart des Porsche Taycan soll nicht viel mehr sein als ein Prestigeprojekt mit hohen Preisen und niedrigen Stückzahlen. Nicht umsonst wird der – zugegeben – wunderschöne Viertürer quasi in Handarbeit neben dem Audi R8 bei der Sport GmbH in Neckarsulm gebaut.
Doch spätestens danach wird es spannend. Denn in den nächsten 15 Monaten geht als erster Audi auf der so genannten MEB-Plattform der Q4 in Serie. Er nutzt die gleiche Technik wie der VW ID.3 und all die Stromer von Seat oder Skoda und soll über große Stückzahlen zu vertretbaren Preisen kommen. Zwischen Q3 und Q5 einsortiert und wie ein klassisches SUV gezeichnet, misst der Q4 rund 4,70 Meter, bietet aber innen deutlich mehr Platz. Dazu gibt’s ein weiterentwickeltes Cockpit mit 3D-Tiefeneffekt, zwei E-Motoren für den obligatorischen Quattro-Antrieb und Akkus, die im besten Fall wohl für über 500 Kilometer reichen werden. Und Schnellladen kann man natürlich auch.
Die großen Hoffnungen ruhen bei den Bayern aber auf der so genannten PPE-Architektur. Denn während der MEB aus Wolfsburg kommt und naturgemäß etwas argwöhnisch beäugt wird, ist diese Premium Plattform Electric ein Ingolstädter Gewächs, bei dem sonst nur noch Porsche mitzureden hatte. Sie soll Elektromobilität auch in der gehobenen Mittelklasse erschwinglich machen und irgendwann einmal den MLB mit A6 & Co ablösen.
Das erste Auto auf dieser Architektur ist spätestens für das Jahr 2021 geplant und könnte durchaus gegen den Trend fahren. Denn die Plattform ist so konzipiert, dass man auch mal wieder die Bleche flach halten kann und nicht zwingend ein SUV bauen muss. Die erste Studie jedenfalls, die Audi auf dieser Architektur im kleinen Kreis schon mal gezeigt hat, sieht deshalb eher nach A7 aus als nach Q7.
Dumm nur, dass Audi die frohe Botschaft noch im Futur erzählt. Denn auch wenn alles schon sehr konkret klingt, wird es noch ein, zwei Jahre dauern, bis die Akkus bei Audi endlich wieder voll sind und die Aufholjagd mit dem Rückenwind neuer E-Modelle beginnen kann.
Bis die großen Sprünge kommen, gibt’s deshalb jetzt zumindest ein paar kleinere elektrische Hüpfer – und Audi meldet sich auch in der Liga der Plug-in-Hybriden zurück. Gleich vier Modelle mit Stecker stehen da in den Startlöchern, und das nächste halbe Dutzend ist schon in der Pipeline.
Los geht es in diesen Tagen bei A7 und Q5. Dort spannen die Bayern einen Vierzylinder-Benziner von 252 PS mit einer E-Maschine zusammen und montieren im Wagenboden einen Lithium-Ionen-Akku von 14,1 kWh, der für bis zu 40 WLTP-Kilometer genügt. Dabei variieren sie den Stromer und bieten gleich zwei Versionen: Wer mehr Wert auf Effizienz legt, fährt mit einer Systemleistung von 299 PS, wem der Elan wichtiger ist, bekommt einen stärkeren E-Motor und eine Systemleistung von 367 PS.
Kurz darauf bringt Audi die Teilzeitstromer auch in der Oberklasse zurück und legt entsprechende e-Quattros von A8 und Q7 auf. In der zweiten Generation wird allerdings nicht mehr wie früher gekleckert, sondern endlich passend zum Segment und dem Anspruch der Kunden geklotzt. Und zwar in der alten wie in der neuen Welt: Auf der einen Seite gibt’s deshalb endlich wieder Sechszylinder statt Mini-Motoren, die in der Oberklasse niemand fahren will, so dass man nun auf solide drei Liter Hubraum und 340 PS bauen kann. Und auf der anderen Seite gibt es einen Elektroantrieb, der tatsächlich auch eigenständig zur Fortbewegung taugt, weil er die Systemleistung im A8 auf 449 und im Q7 gar auf 456 PS schraubt und eine Reichweite von ebenfalls bis zu 40 Kilometern ermöglicht. Und vor allem, weil man endlich ganz normal durch die Stadt und über Land fahren kann, ohne gleich mit jedem Gasstoß den Benziner aus der Pause zu holen. Der Stromer ist stark und die Elektronik intelligent genug, dass man tatsächlich lange Strecken ohne lokale Emissionen zurücklegen kann.
Für Otto-Normal-Verbraucher kann die Zukunft damit schon beginnen. Denn wenn die Statistik stimmt und der Durchschnittsdeutsche wirklich am Tag nicht mehr als 50, 60 Kilometer fährt, wird er den Verbrenner nicht mehr oft hören – und später umso leichter auf ein Elektroauto umsteigen.