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Citroen Ami: Ente trifft Smartphone

Da schaut der Bentley-Fahrer beleidigt aus der Wäsche und dem coolen Typen im Porsche schläft das Gesicht gar ganz ein. Denn wo sie eben noch im Zentrum des Interesses standen, würdigt man sie plötzlich keines Blickes mehr. Schließlich hat die Stadt jetzt einen neuen Star und alle Augen richten sich auf den Citroen Ami.

Von Thomas Geiger

Der steht zwar am ganz anderen Ende der Skala, kostet mit einem Grundpreis von etwa 7.000 Euro weniger als ein Satz Felgen für den Elfer und passt beim Bentayga mit etwas Mühe wahrscheinlich sogar in den Kofferraum. Doch als winziges Elektroauto ist er politisch absolut korrekt, kleiner als der Smart und cooler als der ID Buzz ist er hoffnungslos unkonventionell – und vor allem hat er einen Charakter so stark, wie ihn derzeit kaum ein Kleinwagen hat. Und so klein diese Ente für die Generation Smartphone auch sein mag, hat Citroen damit großes vor und will nicht weniger als die urbane Mobilität neu definieren. Schon jetzt in Frankreich und ab dem nächsten Frühjahr auch in Deutschland soll der Ami zum besten Freund der Fahranfänger werden. Er soll Zweit- oder Drittwagenkunden ködern, neue Mobilitäts- und Sharingdienste ermöglichen und zum Umstieg vom Zwei- oder Dreirad motivieren. Ach ja, und der Stadtbus verliert gegen ihn plötzlich auch gehörig an Charme. Dabei setzten die Franzosen nicht nur auf einen niedrigen Grundpreis, sondern auch auf einen unkonventionellen Vertrieb: Es gibt dem Ami deshalb auch im Kaufhaus und im Internet, geliefert wird er frei Haus als käme er von Amazon, und wer die Investition scheut, der kann den kleinen Freund auch für Raten leasen, wie sie andere für ihr Handy bezahlen. In Frankreich jedenfalls gibt’s das Auto schon für 19,99 Euro im Monat und in Deutschland sollen die Tarife ähnlich sein.

Form und Format sind dabei mindestens genauso unkonventionell wie beim Smart – nur dass der wie eine Mischung aus Schuhkarton und Toaster gezeichnete Ami (Französisch für Freund) sogar noch eine halbe Nummer kleiner ist. Er misst gerade mal 2,41 Meter in der Länge und 1,39 Meter in der Breite und wiegt deshalb in der Summe seiner gerade mal 250 preisgünstig in Marokko montierten Teile selbst mit Batterie keine 500 Kilo – fast aufs Kilo genau so viel wie einst die Ente. Außerdem lässt er mit seinem Wendekreis von 7,2 Metern sogar den Smart Fortwo sperrig wirken. Dazu gibt es asymmetrische Türen, die auf der Fahrerseite gegenläufig und für den Sozius mit der Fahrtrichtung angeschlagen sind, Klappfenster wie beim 2CV und ein Innenleben wie aus dem Lego-Katalog, das den Smart brav und bieder erscheinen lässt. Dieses Lego-Prinzip ist übrigens wörtlich zu nehmen. Denn die Optionspakete mit Extras wie Ablagen, Taschenhaken, Fußmatten oder Dekorstreifen sind tatsächlich Pakete, die frei Haus geliefert und in der Vision der Franzosen vom Eigentümer selbst montiert werden.

Konsequent auf Mikro-Mobilität ausgelegt, ist der Antrieb des Ami allerdings noch mickriger als der des Bonsai-Benz oder des Renault Twizy, der in anderer Form ein ähnliches Konzept verfolgt: Denn ausgelegt für die Führerscheinklasse AM und deshalb schon ab 16 zu fahren, schafft der Ami maximal 45 km/h. Dafür allerdings reicht ihm dann auch ein Akku von lächerlichen 5,5 kWh für bis 70 Kilometer Aktionsradius und das Laden funktioniert so leicht wie beim Smartphone: An der normalen Haushaltssteckdose braucht der Ami deshalb nur drei Stunden, bis er wieder voll einsatzbereit ist. Dummerweise braucht’s für die Wallbox einen Adapter und Schnellladen ist gar nicht vorgesehen.

Zwar wirkt der Ami in vielen Punkten deutlich cleverer als der Smart. Doch so ganz kann der kleine Franzose dann doch nicht mit einem echten Auto konkurrieren. Das Spitzentempo von 45 km/h erfordert nicht nur eine gewisse Demut und ein dickes Fell, wenn der Hintermann Druck macht und schon ein Kleinwagen plötzlich so bedrohlich wirkt wie ein Porsche Cayenne. Sondern es schränkt zudem die Routenauswahl ein und versperrt dem Ami den Weg zum Beispiel auf die Stadtautobahn. Außerdem bleibt von der Stille der Stromer nicht viel übrig, wenn der kleine Kasten dröhnend über den schartigen Asphalt der Städte rumpelt, ohne dass eine nennenswerte Dämmung den Schall schlucken kann. Außerdem kann man den winzigen Wendekreis ohne Servolenkung nur eingeschränkt genießen, mit Fahrvergnügen ist es auf brettharten Sitzen nicht weit her und auch das bunte Dekor und das augenzwinkernde Design können nicht über die extrem billige Materialauswahl hinwegtäuschen. Ach ja, und ein Rückspiegel würde auch nicht schaden.

Zwar mindert all das nicht den Spaß einer ersten Spritztour, und wo man mittlerweile selbst mit dem Smart lange nach einem Parkplatz suchen muss, findet man mit dem Ami noch immer irgendwie eine Lücke. Deshalb ist der kleine Kumpel das richtige Auto für gewisse Stunden. Doch als Freund fürs Leben taugt der Franzose nur eingeschränkt.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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