Noch tragen sie zwar die übliche Tarnfolie der Erlkönige. Doch braucht es nicht viel Phantasie, um die Prototypen, die hier im Konvoi durch die Toskana fliegen, als die letzten Vorserienmodelle des neuen Skoda Octavia auszumachen. Denn erstens ist die schnörkellose Form mit ausgesprochen präzisen Linien und klaren Kanten unverkennbar, und zweitens muss man nur einmal in den Konzern-Kalender bei VW schauen, um das Rätsel zu lösen: Kaum ist der neue Golf enthüllt, drängt auch sein Tschechischer Vetter ins Rampenlicht.
Von Thomas Geiger
Und bevor die vierte Octavia-Generation der Neuzeit am 11. November offiziell die Hüllen fallen lässt und dann im Frühjahr zunächst als Kombi und mit ein paar Wochen Wartezeit als Limousine in den Handel kommt, bittet Vorstandschef Bernd Meier schon mal zur ersten Ausfahrt. Schließlich ist der Octavia mit Abstand das wichtigste Auto der Marke und soll nicht zuletzt das Geld einspielen, dass die Tschechen brauchen, um die Transformation hin zu elektrischen Antrieben zu finanzieren.
Dass so eine Testfahrt mit dem Chef nicht ohne Begleitung abläuft, ist in diesem Fall kein Schaden. Schließlich ist der Octavia beim Generationswechsel noch einmal gewachsen. Schon bislang eines der geräumigsten Modelle in seinem Segment, nimmt der nun 4,69 Meter lange Kombi so fast schon Kurs auf die Mittelklasse. Deshalb sitzt man jetzt auch hinten wirklich bequem und der Kofferraum ist mit 630 Litern größer als bei den allermeisten Konkurrenten.
Einmal mehr macht sich Skoda dabei die Segnungen des Modularen Querbaukastens zunutze und rüstet den Octavia gewaltig auf. Vor allem bei Assistenz und Intelligenz macht der Bestseller deshalb einen großen Sprung, bekommt Sicherheitssysteme wie einen Ausweichassistenten oder einen Ausstiegswarner und Infotainment-Lösungen wie ein größeres Digitalcockpit mit optimiertem Online-Zugang und verbesserten Update-Optionen sowie erstmals ein Head-Up-Display.
Besonders deutlich wird die Verwandtschaft zum Golf aber beim Blick unter die Haube, wo Skoda bei einer Spanne von zunächst 110 bis 245 PS einen Effizienzgewinn von bis zu 14 Prozent in Aussicht stellt. Genau wie VW startet dafür nun auch Skoda auf breiter Flur mit Mildhybriden mit 48 Volt-Technik, die Diesel bekommen die neue Twindosing-Technik und stoßen bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide aus und zum ersten Mal wird es den Octavia auch als Plug-In-Hybriden geben, der genau wie in Wolfsburg gleich in zwei Leistungsstufen angeboten wird. Außerdem haben die Tschechen wieder eine CNG-Version in der Pipeline, weil die schneller auf den niedrigeren CO2-Ausstoß einzahlt als jede andere Technologie.
Aber der Octavia ist nicht einfach nur ein Golf mit anderem Gesicht. Denn so gründlich sich Skoda auch aus dem Modularen Querbaukasten bedient, so sehr drücken die Tschechen der Kompaktklasse im Konzern ihren eigenen Stempel auf. Das gilt für das Design, das ähnlich zeitlos und unvergänglich ist wie beim Golf und trotzdem nicht ganz so langweilig, das gilt im Interieur zum Beispiel für das neue Lenkrad mit nur noch zwei Speichen und neuen, sehr unkonventionellen Bedienwalzen und das gilt natürlich vor allem für die Ideen aus der Abteilung Simply Clever, bei denen Skoda jetzt noch einmal nachgelegt hat. So gibt es künftig zum Beispiel für Dashcams auch eine USB-Buchse am Dachhimmel, die Taschen auf der Rückseite der Vordersitze bieten nun ein Fach fürs Handy und neben dem Regenschirm steckt in der Tür auf Wunsch auch ein Schneebesen:
Viel solide Technik aus der Familie und dazu einen ganz eigenen Stil – diese Rechnung könnte für Skoda aufgehen: Während der Golf gerade seine Götterdämmerung erlebt, kommt der Octavia als Auto für Praktiker und Pragmatiker, die auch ohne den Möchtegern-Premium-Anspruch von VW leben können, im Windschatten des Wolfsburger Bestsellers immer weiter heran an die Pole Position und wird so mehr und mehr zum heimlichen König der Kompaktklasse.