VW Erdgas-Offensive: Jetzt aber mal Gas, bitte!

VW Erdgas-Offensive

Jetzt aber mal Gas, bitte!

Er ist so etwas wie der Bausparvertrag unter den alternativen Antriebstechnologien – alt, bewährt und wirkungsvoll, aber ohne jeden Sexappeal. Denn so lange sich die Automobilindustrie um die Senkung des CO2-Ausstoßes bemüht, so lange spricht sie auch über die Umrüstung ihrer Benziner auf den Betrieb mit Erdgas.

Von Thomas Geiger

Doch obwohl die Technik tadellos funktioniert, nachweislich gut (oder mindestens besser) für die Umwelt ist und obendrein noch das Portemonnaie der Kunden entlastet, sind die Anstrengungen bislang weitgehend verpufft. Spätestens seit die Branche ihr ganzes Geld und alle Entwicklungskapazitäten notgedrungen aufs Elektroauto verwendet, ist das Angebot ziemlich dünn geworden und viele Hersteller haben entsprechende Modelle sogar vom Markt genommen.
In Deutschland ist es deshalb nur noch der Volkswagen-Konzern, der auf seinem Weg vom Saulus zum Paulus Vollgas Erdgas gibt, ein entsprechendes Modell-Programm zu bieten hat und das Angebot sogar noch ausbauen will. Schon jetzt haben die Konzernmarken 17 Pkw im Portfolio, bald sollen es 19 sein und die schweren Jungs von Scania und MAN machen auch noch mit.
Zu den neuesten Modellen zählen Skoda Scala und Kamiq, demnächst kommt auch noch der neue Golf. Denn ID. hin und Plug-in her, wird es auch die achte Generation des Bestsellers wieder als TGI geben. So spannt sich die Palette dann bei VW, VW Nutzfahrzeuge, Audi, Skoda und Seat vom Kleinwagen up! bis zum Audi A5 Sportback und umfasst mit dem Caddy Maxi auch den aktuellen Reichweiten-Meister: Er kommt mit einer Tankfüllung Erdgas über 700 Kilometer weit!
Dass auch die anderen Fahrzeuge auf alltagstaugliche Reichweiten von teilweise mehr als 400 Kilometern kommen, liegt an der neuen Fokussierung auf CNG: Wurden früher zum großen Benzintank kleine Erdgastanks eingebaut, ist es heute bei den meisten Konzernmodellen umgekehrt. Sie bekommen eine zusätzliche Gasflasche und haben für Benzin nur noch einen Nottank, um die Lücken im Versorgungsnetz zu überbrücken.
Die Argumente für Erdgas sind eigentlich schon seit Jahren bekannt: CNG hat gegenüber einem vergleichbaren Benziner einen CO2-Vorteil von rund 25 Prozent und lässt sich anders als Benzin oder Diesel vergleichsweise leicht aus Biomüll oder regenerativen Rohstoffen herstellen. Weil sieben große Heuballen genug Biogas für den Betrieb eines VW Golf TGI ergeben, liegt der CO2-freie Anteil am Gesamtverbrauch der Pkw-Flotte bereits bei 20 Prozent. Angst vor Fahrverboten in den Innenstädten muss man auch keine haben und den Schwerverkehr lockt die Politik mit einer Mautbefreiung an die Gastankstelle.
Dass der Erdgas-Antrieb trotzdem nie so richtig gezündet hat, liegt auch am unbegründeten Vorbehalt in Sachen Sicherheit. Denn obwohl daheim viele mit Gas heizen, kochen oder grillen, haben sie im Auto davor offenbar Respekt. Und dass bislang zumeist nur kleine, eher schwache Motoren mit bescheidenen Fahrleistungen angeboten wurden, hat den Erfolg sicher auch nicht beflügelt. Doch genau wie bei der Elektromobilität machen die VW-Manager nicht zuletzt die lückenhafte Infrastruktur für die mangelnde Nachfrage verantwortlich. Und auch diesmal ist es ein Henne-Ei-Problem, weil die Energieversorger ohne Kunden keine Zapfstellen bauen wollen.
Doch augenscheinlich ist zumindest dieser Teufelskreis durchbrochen: Denn VW will alles dafür tun, um den CNG-Bestand in Deutschland auf eine Million Fahrzeuge zu pushen. Schon die Verdopplung im letzten Jahr wird als Erfolg gefeiert und obwohl dahinter nicht einmal 100.000 Autos in ganz Europa stehen, haben die Versorger ebenfalls eine Investitionszusage gemacht: Bis 2025 wollen sie das Netz von aktuell 900 auf mindestens 2 .000 Tankstellen ausbauen.
Angst, dass die CNG-Technologie nur eine vorübergehende Erscheinung ist und bald von den so lautstark avisierten Elektroautos verdrängt wird, muss keiner haben. Entsprechende Zweifel hat VW-Chef Herbert Diess gerade erst wieder zerstreut: „Beim Gasantrieb sind wir Weltmarktführer und besser aufgestellt als der Wettbewerb. Auch diese Technologie werden wir weiter ausbauen und verbessern,“ sagte er kürzlich bei der Hauptversammlung. Seine Mitarbeiter werden da noch viel deutlicher: „Selbst wenn es uns gelingen sollte, mittelfristig 50 Prozent Elektrofahrzeuge zu verkaufen, sind immer noch verdammt viele Verbrenner übrig, denen die CNG-Technik zu weniger CO2 verhelfen kann.“

Die mobile Version verlassen