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VW ID.7: Bühne frei!

Sie haben uns in Los Angeles und Peking gleich zwei Studien gezeigt und danach einen bunt beklebten Erlkönig auf die CES gestellt, und natürlich haben sie auch schon zur Testfahrt im Prototypen gebeten: Bei kaum einem Auto hat VW so dünne Scheiben von der PR-Salami geschnitten wie beim ID.7. Schließlich gibt es aktuell auch kein anderes Modell, in das die Niedersachsen so große Hoffnungen setzen, weil sie damit endlich den E-Markt in den USA und vor allem in China aufrollen wollen. Deshalb macht VW jetzt auch Schluss mit der Salamitaktik und tischt zur Motorshow in Shanghai endlich voll auf: Vorhang auf und Bühne frei für den ID.7.

Für seine Rolle als Flaggschiff ist der rund fünf Meter lange, aber weniger als 60.000 Euro teure ID.7 gut gerüstet. Denn er sieht nicht nur elegant aus und macht mit seinem schnittigen Fließheck mächtig was her. Sondern schon ein halbes Jahr vor dem Produktionsstart machen die Protoptypen einen gelassen und gediegen Eindruck: Der ID.7 ist flott und flüsterleise und lässt sich dabei von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen. Zwar taugt er trotz seines flotten Antritts nicht zum Pulsbeschleuniger, weil Lenkung und Fahrwerk dafür auch im Sportmodus der Biss fehlen und weil es auch für Geld und gute Worte keine Hinterradlenkung gibt. Aber das wird von so einer Limousine auch niemand erwarten. Sondern stattdessen gibt der ID.7 den großen Gleiter, mit dem man entspannt bis zur Ebbe im Akku fahren möchte – und das kann in diesem Fall dauern. 

Dass der ID.7 fährt wie ein Souverän, liegt zum einen am großen Format mit jetzt knapp drei Metern Radstand, an der vom Elektroantrieb und dem geringen Luftwiderstand begünstigten Stille an Bord und dem ausgefuchsten System der variablen Dämpfer, die den gut zwei Tonnen schweren Stromer auf Knopfdruck auf Samtpfoten stellen. Aber es liegt natürlich auch am neuen Motor, der kräftiger ist als alle Wolfsburger E-Maschinen vorher. Wo bislang bei 150 kW/204 PS Schluss gewesen ist, lassen sich die Kupferleitungen nun 210 kW/286 PS entlocken und der ID.7 kommt schon mit einem Motor im Heck ausgesprochen flott voran. Nicht umsonst haben die Niedersachsen das Spitzentempo von den im MEB bislang üblichen 160 auf immerhin 180 km/h angehoben. Kaum vorzustellen, wie potent irgendwann eine mögliche Allradversion mit einer zweiten Maschine im Bug würde. Spätestens da wäre dann vielleicht doch ein bisschen Nervenkitzel angebracht.

Aber VW hat nicht nur beim Antrieb nachgelegt, sondern auch beim Akku: Weil der größere Radstand auch mehr Platz für die Batterien schafft, gibt es nun neben dem 77 kWh-Block aus den anderen ID-Modellen erstmals auch eine Batterie mit einer Kapazität von 85 kWh, die für etwa 700 statt sonst rund 600 Kilometer reichen soll. Und damit das Laden da nicht zur Geduldsprobe wird, hat VW auch die Leistung an der DC-Säule von 170 auf 200 kW angehoben – und kommt so am Ende auf ganz ähnliche Standzeiten.

Fortschritte vermelden die Niedersachsen auch beim Innenleben. Da reagiert VW auf die heftige Kritik am bisherigen MEB-Cockpit und montiert serienmäßig neben dem Head-Up-Display mit AR-Technik jetzt einen auf 15 Zoll vergrößerten Touchscreen, der wie ein Tablet vor der Mittelkonsole schwebt. Und auch wenn der leidige Slider für Temperatur und Gebläse leider noch immer nicht ausgemustert wurde, bekommt er jetzt zumindest eine Beleuchtung und ist damit wenigstens nächtens nicht mehr völlig unbedienbar. 

Dazu gibt es – der selige Phaeton lässt grüßen – eine neuartige Klimaanlage mit wenn schon nicht vollständig versteckten, so doch ziemlich gut integrierten Ausströmern und einer smarten Steuerung, die auf Wunsch eine weitgehend zugfreie Belüftung ermöglicht. Und es gibt noch eine Parallele zu Ferdinand Piechs Prunkschiff – selbst wenn der Phaeton noch ein bisschen länger war und natürlich sehr viel luxuriöser, geht es im ID.7 fast so geräumig zu. Der lange Radstand, die platzsparende Skateboardarchitektur und die schlanken Sitze schaffen eine imposante Beinfreiheit. Da wird sich der neue Passat buchstäblich strecken müssen, wenn er in dieser Disziplin mithalten will. Und sogar ein bisschen Maybach schwingt mit im neuen VW-Flaggschiff. Denn wie einst beim ersten Comeback von Daimlers Dickschiff gibt’s nun auch bei VW ein Panoramadach, das sich auf Fingerzeig eintrübt und so ganz ohne Jalousie die Sonne aussperrt. 

Im Markt hat VW mit dem ID.7 einen smarten Spot gefunden, weil er ähnlich groß ist wie ein Mercedes EQE oder ein Nio ET7 aber bei einem Grundpreis „deutlich unter 60.000 Euro“ lange nicht so viel kosten wird. Doch dafür könnte die Positionierung intern kaum problematischer sein. Denn auch wenn es in diesem Jahr auch einen neuen Passat geben wird, dürfte es der gegenüber dem elektrischen Flaggschiff arg schwer haben. Selbst der Variant taugt da nicht mehr als Erfolgsgarant: Denn auch der Kombi wird den Klassiker nicht retten. Sondern für alle, denen die gut 500 Liter Kofferraum unter dem Fließheck nicht genug sind, wird VW den ID.7 als erstes Elektroauto in dieser Liga tatsächlich auch als Lademeister im alt hergebrachten Sinne bringen.

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