Von wegen Nutzfahrzeug. Zwar bringt der VW Bus seit bald 75 Jahren Handel, Handwerk und Gewerbe in Fahrt. Doch was mal als praktischer Bruder des Käfer gedacht war, ist längst ein Lifestyle-Laster geworden. Genauso groß und praktisch, aber leider auch so durstig wie ein SUV, dabei aber frei von Klima-Kritik und Sozial-Neid, gilt er spätestens seit dem kantigen T3 als Traumwagen von Studienräten, Familienvätern und Vielfahrern und erreicht damit Preisregionen, von denen importierte Konkurrenzmodelle nur träumen können. Daraus ziehen die Niedersachsen jetzt die logische Konsequenz und rüsten den Bulli mit der Generation 7 weiter auf – und zwar ohne Kompromisse. Denn während sie für gewerbliche Kunden das alte Modell zumindest solange weiterbauen, bis die Kooperation mit Ford fruchtet und es in drei Jahren einen Transit mit VW-Logo gibt, adeln sie den Nachfolger mit dem Umzug in den Modularen Querbaukasten gar vollends zum Pkw. Dass es diesen Aufstieg natürlich nicht zum Nulltarif gibt, rechnet Vertriebschef Lars Krause den Kunden geschickt schön: Die müssen zwar bei einem Grundpreis von 44.839 Euro (D) jetzt ein wenig tiefer in die Tasche greifen, sparen aber dank der besseren Ausstattung zwischen 13 und 18 Prozent.
Und ein gutes Gewissen gibt’s auch noch dazu. Denn 200 Kilo leichter und mit einer markant geschürzten Lippe sowie einem flacheren Dach sehr viel windschnittiger, wird der Bulli rund einen Liter sparsamer – oder fährt zumindest auf kurzen Strecken gleich ganz emissionsfrei. Nicht umsonst schlägt er mit dem ersten Plug-In-Hybrid in einem VW-Nutzfahrzeug die Brücke zum ID Buzz, der vom kommenden Jahr an zum charmantesten People Mover auf der Electric Avenue werden will.
Der Teilzeitstromer nutzt die Technik aus Golf GTE & Co und kombiniert einen 1,4 Liter großen Benziner von 150 PS mit einer 85 kW starken E-Maschine in dem bei allen Multivans nun serienmäßigen Doppelkupplungsgetriebe. Das ergibt eine Systemleistung von 216 PS und ein vereintes Drehmoment von 350 Nm, mit dem sich selbst der freundliche Riese flott fahren lässt. Überholen auf der Landstraße oder ein Spurt auf der Autobahn jedenfalls sind damit kein Problem, und wer seinen Fuß nicht ganz so schwer macht, der fährt auch jenseits der Stadtgrenzen überraschend oft elektrisch. Selbst Tempo 100 und mehr sind tatsächlich rein elektrisch möglich, und erst ab 130 km/h meldet sich der Verbrenner zu Wort.
Die Energie dafür liefert ein 13 kWh großer Akku im Wagenboden, der auf dem Prüfstand für runde 50 Kilometer reichen soll. Das drückt den Normverbrauch auf weniger als zwei Liter und macht den T7 zum sparsamsten Bulli in der VW-Historie – zumindest bis zum Debüt des ID Buzz.
Zum neuen Antrieb gibt es auch ein neues Fahrgefühl: Weil der Multivan jetzt keine Rücksicht mehr nehmen muss auf Handel und Handwerk und deren schwere Lasten, regieren die Federn sehr viel feinfühliger. Zusammen mit einer soften, sehr weit einschlagenden Lenkung wirkt das Auto deshalb komfortabler und trotz des gestreckten Radstands handlicher, eher wie ein Tiguan als ein Transporter. Außerdem ist es sehr viel ruhiger geworden an Bord – selbst wenn zwischendurch mal der Verbrenner anspringt. Denn mit dem cW-Wert sind auch die Windgeräusche gesunken und die Scheiben sind auch besser isoliert.
Mit dem PHEV trösten die Niedersachsen auch über die betont vernünftige Auswahl an Verbrennern hinweg. Denn mit dem im Multivan bislang extrem beliebten Diesel ist bei erst mal nur noch 150 PS kein großer Staat zu machen, und auch der Basis-Benziner befriedigt mit 1,5 Litern Hubraum und 136 PS allenfalls die Grundbedürfnisse. Wer ernsthaft mit Kind und Kegel reisen und womöglich auch noch die zwei versprochenen Tonnen an den Haken nehmen will, braucht deshalb mindestens den zweiten Benziner mit 204 PS für 49.932 Euro (D) aufwärts – oder nimmt gleich den PHEV. Denn obwohl der mit mindestens 57.174 Euro (D) in der Liste steht, ist er nach Abzug der Förderung nicht mal mehr teurer.
Aber nicht nur der Antrieb ist fit for future – selbst wenn die Vielfahrer aus der alten Welt auf der Suche nach einem stärkeren Diesel noch mindestens vier Jahre auf die Folter gespannt werden und auf einen konventionellen Allradantrieb ganz verzichten müssen. Sondern auch bei Ausstattung und Ambiente machen die Niedersachsen einen gewaltigen Sprung: Das beginnt beim digitalen Cockpit, dem vollwertigen Head-Up-Display oder beim Online-Infotainment und endet bei den Assistenzsystemen noch lange nicht – selbst wenn sie in der Landeshauptstadt extrastolz darauf sind, dass der Multivan nun automatisch parkt und bis Tempo 210 nahezu selbständig über die Autobahn fährt. Sondern auch die elektronische Handbremse und die Drucktaster für die Gangwahl des serienmäßigen DSG-Getriebes im Cockpit verdanken sie dem MQB – und mit ihnen den glatten Wagenboden, der den Durchstieg erleichtert und die Variabilität erhöht.
Zwar hat sich der Multivan mit der neuen Wahlverwandtschaft auch ein paar Mängel von Golf & Co eingefangen und der Fahrer kämpft nun auch hier mit einer unbeleuchteten Sensor-Rinne unter dem Touchscreen. Doch weil der Bulli zumindest ein eigenes Lenkrad hat, gibt’s in den Speichen noch ein paar echte Taster, mit denen die Bedienung deutlich leichter fällt als im Golf.
Überhaupt haben sich die Niedersachsen nicht nur aus dem Baukasten bedient, sondern auch reichlich ingenieuse Eigenleistung erbracht – vor allem im hinteren Bereich der Kabine. Während sich der Fahrer deshalb im Guten wie im Schlechten wie in einem aufgebockten Golf oder vielleicht besser Tiguan wähnt, bleibt für die Passagiere das gute alte Bus-Gefühl – nur dass auch für die Hinterbänkler alles buchstäblich leichter wird. Denn im Fond gibt es jetzt ein neues Schienensystem, im dem Sitze gleiten, die 25 Prozent leichter geworden sind und sich deshalb jetzt auch ohne Bodybuilding drehen oder ausbauen lassen. Und dazwischen surrt auf der gesamten Länge ein neues „Multi-Tool“, das selbst die Simply-Clever-Truppe bei Skoda neidisch machen dürfte – ist es doch gleichzeitig Mittelkonsole, Armlehne oder Arbeitstisch und so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser.
Aber es sind nicht nur die Kleinigkeiten, die den Modelwechsel ausmachen. Sondern VW hat auch am großen Ganzen gearbeitet und deshalb das Format neu bestimmt: Der auch künftig in zwei Längen angebotenen Mutlivan wächst um sieben Zentimeter und misst nun 4,97 oder 5,17 Meter, der Radstand legt um 12 Zentimeter auf 3,12 Meter zu und in der Breite gewinnt der Multivan um vier Zentimeter. Der Clou jedoch steckt im Dach – dort haben die Niedersachsen nicht nur ihr erstes, sondern gleich auch noch das größte Panorama-Dach in der VW-Geschichte eingebaut. Denn selbst wenn bald der ID Buzz kommt, glauben sie offenbar fest an die sonnigen Aussichten für den Multivan.