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Bentley Flying Spur V8: Luxus light(er)

Bentley macht langsam Ernst und unternimmt die nächsten Schritte auf dem Weg zum ersten CO2-neutralen Luxushersteller der Welt. Zwar lässt das erste reine E-Auto der Briten noch auf sich warten und auch die Plug-Ins kommen nur zögerlich in Fahrt, erst recht mit respektabler Reichweite. Doch zumindest holt die VW-Tochter ihren legendären W12-Motor immer weiter runter vom Thron und schiebt ihn zusehends ins Museum. Beim Bentayga hat ihn das Team um Firmenchef Adrian Hallmark jedenfalls für Europa bereits komplett ausgemustert und im neuen Flying Spur bekommt er nun zumindest handfeste Konkurrenz durch einen V8-Motor: Der verbraucht mit seinen theoretischen 12,7 Litern nicht nur zwei Liter weniger und träufelt so ein paar Tropfen Balsam auf das geplagte Gewissen der High Society. Sondern mit einem Grundpreis von 193.137 Euro (D) ist er obendrein rund 25.000 Euro billiger als das Top-Modell.

Statt sechs Litern Hubraum gibt es dann nur noch vier, die Leistung sinkt von 635 auf 550 PS und von den stolzen 900 Nm bleiben nur noch 770 Nm übrig. Doch Grund zum Klagen ist das keiner. Denn auch in dieser Konfiguration ist der Flying Spur so üppig motorisiert, dass der Earl in Eile wahrlich auf seine Kosten kommt. Nicht umsonst beschleunigt der Luxusliner binnen 4,1 Sekunden auf Tempo 100 und knackt wie sonst nur sein Plattform-Bruder Porsche Panamera sowie der Maserati Quattroporte mühelos die 300er-Marke, die beim Oberklasse-Trio aus dem deutschen Süden allenfalls mit dem Werkstuning fällt und bei Rolls-Royce noch nie ein Thema war.

Während Bentley beim Antrieb den Luxus Light predigt, gehen die Briten bei Ausstattung und Ambiente in die Vollen: Digitale Instrumente auf der Höhe der Zeit, die wunderbar verspielte Technik-Toblerone, die wahlweise den Touchscreen fürs Infotainment, die analoge Uhren oder eine schmucke Zierkonsole ins Cockpit dreht und mehr Lack und Leder als das Foyer eines Grand-Hotels lassen Siebener & Co fast schäbig wirken. Und seit auf der Haube wieder ein nun auf Wunsch sogar beleuchtetes Flying-B thront, lässt sich der Bentley selbst vom Rolls-Ryoce Ghost nicht mehr so leicht in den Schatten stellen. 

Auch das Fahrgefühlt hat nichts an Souveränität eingebüßt. Im Gegenteil: Während der V8 im Touring-Trimm genauso gelassen und gediegen dahingleitet wie der W12 und seine Insassen dabei in Watte packt und auf Wolken bettet, beherrscht er zugleich auch eine sehr viel sportlichere Gangart. Ja, bei Vollgas auf der linken Spur lässt der Acht- dem Zwölfzylinder den Vortritt, was bei einem Spitzentempo von ziemlich konkurrenzlosen 318 km/h herzlich egal ist. Doch auf der Landstraße spürt man in jeder Kurve die zwei Zentner, die der Bentley-Bug weniger auf die Waage bringt: Der Hinterachslenkung sei Dank ohnehin schon halbwegs handlich, lenkt der Flying Spur jetzt deutlich leichter ein und kommt spürbar schneller ums Eck – selbst wenn er mit 5,29 Metern und 2,3 Tonnen natürlich noch immer ein ausgesprochen stattliches Auto ist.

Zwar war Verzicht selten so leicht und schmerzfrei wie beim neuen Flying Spur V8 und die knapp 25.000 Euro (D) mehr für den Zwölfzylinder können sich auch Sehr-viel-Besserverdiener leicht sparen. Doch Sorgen um den Umsatz muss sich Bentley deshalb nicht machen. Denn bei Preis- und Optionslisten dick wie Telefonbüchern finden sich schnell ein paar Extras, um den Preis wieder in alte Höhen zu treiben – und da haben wir über die Extrawürste aus dem Hause Mulliner noch gar nicht gesprochen.

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